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Gräfrath (Solingen)

Wappen Gräfrath 1907

  Das "Gemür"
  Einzelne Hofschaften
  Kirchenbauten in Gräfrath
  Alte und ehemalige Schulgebäude in Gräfrath
  Mehr Bilder aus Gräfrath



Notizen zur Geschichte von Gräfrath

Gräfrath ist der nördlichste Stadtteil Solingens.

1135 wird der Ort "villa Greverode" urkundlich erwähnt. Um 1185 gründete Gräfin Elisabeth, Äbtissin des Klosters Villich bei Bonn, hier eine Ordensgemeinschaft. Das Kloster gewann vor allem als Wallfahrtsstätte Bedeutung, nachdem 1309 eine "wundertätige" Katharinenreliquie in das Kloster gelangt war. Die dazu gehörende Legende ist in der Sagensammlung von Otto Schell enthalten - wie Gräfrath überhaupt reich an Sagen und Legenden ist, die sich auf historische Ereignisse beziehen. [Für mittelalterliche Fakten zum Kloster sei auf die Dokumentation von Niederau / Poensgen verwiesen.]

  Die Sage von den Reliquien der heiligen Katharina zu Gräfrath

1402 wurde den Gräfrathern von Herzog Wilhelm I. von Jülich-Berg die "Freiheitsurkunde" verliehen.

In Gräfrath arbeiteten vor allem Metzmacher, die 1571 mit landesherrlichen Zunftprivilegien ausgestattet wurden.

Um 1716 machten die Messermacher, Schleifer und Scheidenmacher etwa 38 % aller Berufe in der Freiheit Gräfrath aus. 30 Jahre später war ihr Anteil auf 67 % gestiegen. Um 1740 zählte die Gemeinde 800 Einwohner.

1737 beantragten die Gräfrather Messermacher beim Magistrat die Zuweisung von Siedlungsgelände. Sie beriefen sich dabei auf ihre Handwerksprivilegien. Bisher wohnten sie sehr beengt als Untermieter und drohten deshalb mit Wegzug von Gräfrath. Tatsächlich wurde den Messermachern Grundstücke zugewiesen. Wall und Graben wurden aufgelassen - zu Lasten der bisherigen Anrainer, die z.T. einzelne Abschnitte des vorgesehenen Geländers gepachtet hatten, z.T. aber ohne Berechtigung nutzten.

Die Grundstückszuweisungen gehörten zu einer Reihe von Maßnahmen, die getroffen wurden, um den privilegierten Handwerkern die Einhaltung des Verbleibungseides schmackhafter zu machen und das Gewerbe im Lande zu halten.


1803 wurde das Kloster säkularisiert (aufgelöst), die Liegenschaften veräußert und die Stiftskirche der katholischen Gemeinde übereignet.

Die unter Napoleon aufgrund des Dekrets vom 13.10.1807 geschaffene Bürgermeisterei (Munizipalität) Gräfrath (Kanton Solingen) umfasste die Freiheit Gräfrath, Teile der früheren Walder Honschaften Berg (früher Gräfrath genannt) und Ketzberg.

  Über die Honschaften


Gräfrath
 
Gräfrath 1837
Landschaft mit Klosterkirche und Zeughaus.
Ölgemälde von Friedrich August de Leuw

Gräfrath
 
Gräfrath 1855
mit Klosterkirche (rechts) und ev. Kirche.
Zeichnung und Lithographie von Mrs. Hunter Blair, England. Sie muss eine zufriedene Patientin des Gräfrather Augenarztes de Leuw gewesen sein, denn das Bild trägt die Aufschrift: "The Residence of the Hofrath & Ober Medical Rath de Leuw"

1856 erhielt Gräfrath die Stadtrechte, 1907 ein Stadtwappen: In einem viereckigen Schild mit schwarzsilberner Bordure erhebt sich auf dreihügeligem Berg ein zweitürmiges silbernes Stadttor mit dem silbernenn Katharinenrad. Auf blauem Grund steht über dem Tordach ein goldener Stern. Die Tortürme tragen Kuppeln mit je einer Fahne. Über dem Wappenschild erhebt sich eine zinnengekrönte Stadtmauer mit geschlossenem Tor und drei Türmen.

Am 1. August 1929 wurde Gräfrath zusammen mit den Städten Wald, Höhscheid und Ohligs sowie der Stadtgemeinde und dem Stadtkreis Solingen zur Großstadt Solingen vereinigt. - Anders als die anderen Solinger Stadtteile verfügt Gräfrath noch über einen historische Ortskern mit gut erhaltenen Häuserensembles aus dem 18. und 19. Jh.


Eine stimmungsvolle Schilderung des Lokalhistorikers Otto Schell von Gräfrath aus dem Jahre 1909 soll dem geneigten Leser nicht vorenthalten werden:

"Heute ist Gräfrath kurzweg als eine echt bergische Kleinstadtidylle zu bezeichnen. Auf dem unregelmäßigen Marktplatze steht der alte Laufbrunnen, dessen der Hofkammerrat Joh. Wülffing in seinem Bericht vom Jahre 1729 ganz besonders gedenkt. Leider hat man vor ungefähr einem Menschenalter eine nüchterne Brunnensäule, gekrönt mit einem Adler, auf denselben gesetzt.

Anheimelndes Kleinstadtleben entwickelt sich zu allen Tageszeiten an diesem Brunnen, zu dem die seit einigen Jahren hier vorbeiführende elektrische Straßenbahn schroff kontrastiert. Um den Platz reihen sich die bergischen, schieferbeschlagenen Häuser der verschiedensten Zeitepochen; hin und wieder säuselt eine Linde vor der reichgeschnitzten Bürgertür. Den Berg hinan führt eine steile Treppe zur ehemaligen Klosterkirche, während die im 18. Jahrhundert errichtete evangelische Kirche sehr bescheiden in unserem Platze steht. Und wer von diesem aus die schmalen Gassen und Straßen aufsucht, der kann mit leichter Mühe manch köstliches Bildchen belauschen, wie es Schulte vom Brühl, ein Sohn Gräfraths, mit Meisterschaft geschildert hat." [Schell S. 25]



Kottenprinzeß

Bis auf die nicht mehr vorhandene Straßenbahn stimmt die Schilderung eigentlich auch heute noch. Und wer Einblick in die vermeintliche Kottenromantik des vorletzten Jahrhunderts nehmen will, der möge sich die "Kottenprinzeß" des Gräfrather Schriftstellers Walther Schulte vom Brühl (1858-1921) zu Gemüte führen. Das kleine Büchlein ist im Solinger Stadtarchiv vorhanden. Wer es bequemer haben möchte, kann die Geschichte auch gleich hier lesen:

  Die Kottenprinzeß. Eine bergische Geschichte von Walter Schulte vom Brühl


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Garnisonstraße

Der Straßenname erinnert an das Landwehrbataillon, das im 19. Jh. im Kloster in Garnison lag. Die Häuser stammen aus dem 18. und 19. Jh. Hier wurden den Gräfrather Messer-Machern um 1737 Siedlungs-Grundstücke zugewiesen.

Am oberen Ende der heutigen Garnisonstraße soll vor Jahrhunderten eine kleine Fruchtmühle des Gräfrather Klosters gestanden haben.


Gräfrath
 
2002
Garnisonstraße



In der Freiheit 25

Von 1843 bis zu seinem Tod lebte der Augenarzt Friedrich Hermann de Leuw (1792-1861) in diesem im ersten Viertel des 19. Jh. erbauten Fachwerkhaus am damaligen Ortsrand von Gräfrath. Die Verschieferung stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. Rechts daneben steht ein massives Gebäude, das als Operationshaus diente.


Gräfrath
 
2003
In der Freiheit 25



Küllersberg

Über die steile und enge Straße Küllersberg mühte sich bis Mitte des 18. Jh. der überörtliche Handelsverkehr von Freiheit und Markt zum oberen Stadttor hinauf. Von dort aus führte die Straße weiter ins Wuppertal.


Gräfrath
 
2002
Küllersberg




Hotel zur Post

Am Gräfrather Markt 1 steht das traditionsreiche Hotel zur Post (2010 Teil des Hotels "Gräfrather Hof"). Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Als statisch nicht berechenbares Schwebehaus ist es eine bautechnische Einmaligkeit im bergischen Land: Das Haus wird allein von einem Längsbalken und einem Querbalken aus Eichenholz getragen. Etwas Besonderes ist aber auch das Bodenmosaik im Eingangsbereich des Hotels. Und wer nicht weiß, wie eine bergische Miefklappe funktioniert, kann sich diese praktische Klimaanlage vor Ort im Hotel zur Post erklären lassen.

Zwischen 1816 und 1861, als Gräfrath Kurort war, logierten im Hotel zur Post Augenkranke aus dem In- und Ausland, die bei dem berühmten Gräfrather Augenarzt Hofrat de Leuw Heilung suchten.


Markt
2002   Markt, links Hotel zur Post
 
Gräfrath
2003   Hotel zur Post

Das Bild links zeigt im Hintergrund die Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt (die ehemalige Stiftskirche); rechts die evangelische Kirche, erbaut nach dem großen Brand von 1686, die auf erstaunliche Weise der ev. Kirche in Gruiten ähnelt.

Schon im 18. Jh. unterhielt Herr Vohwinkel hier das Gasthaus Jägerhof. Unter der Leitung seines Schwiegersohns Johann Willhelm Ernen (1800-1877) wurde der "Jägerhof" 1824 Poststation. Fortan hieß das Gasthaus "zur Post". Ab 1829 wurde es auch Postkutschen-Haltestelle und blieb bis 1898 Poststation.

  Aus der Postkutschenzeit in Solingen und im Bergischen Land




Augustiner-Chorfrauenstift / Klingenmuseum

Ab 1822 nutzte das Militär die bis dahin verfallenden Gebäude des ehemaligen Augustiner-Chorfrauenstifts. Ab 1898 beherbergten sie ein katholisches Erziehungsheim, ein Altersheim und das Solinger Stadtarchiv, bis nach dem Umbau 1986-1989 das Klingenmuseum einzog. Dort sind nicht nur martialische Blankwaffen zu betrachten, sondern auch bemerkenswerte Bestecksammlungen. Es gibt sogar eine spezielle Ausstellung für Kinder. - Im Souterrain des Klingenmuseums befindet sich seit 2005 das "Gräfrath-Museum" mit Exponaten zur örtlichen Geschichte, ins Leben gerufen vom Gräfrather Heimatverein.

  Deutsches Klingenmuseum


Gräfrath
 
2002
Klingenmuseum



Haus Grünewald

Im 19. Jh. wurde der alte Gräfrather Klosterhof Grünewald zum Künstlersitz von Friedrich August de Leuw, Maler und Sohn des berühmten Gräfrather Augenarztes Friedrich Hermann de Leuw. Heute ist das in einem Landschaftsparkt gelegene Schloss Grünewald "Business- und Event-Location" für "Tagungen und Veranstaltungen im Spannungsfeld von Kulturgeschichte und Zeitgeist", seit 2004 romantische Kulisse u.a. des Grünewalder Weihnachtsmarktes.

  Mehr über Haus Grünewald


Gräfrath
 
2006
Haus Grünewald



Kunstmuseum Solingen

Von 1908 bis zur Städtevereinigung 1929 Gräfrather Rathaus, 1954-1990 Deutsches Klingenmuseum. Heute: Kunstmuseum insbes. für moderne Kunst. Ausstellung bedeutender Sammlungen, darunter Werke von Lovis Corinth und Anselm Feuerbach, "verfemte Kunst", Präsentationen Solinger Künstler, Bergische Kunstausstellung; Literaturausstellung "Die verbrannten Dichter" der Sammlung von Jürgen Serke.

  Museum Baden


Gräfrath
 
2008
Kunstmuseum Solingen
(ehem. Museum Baden)



Parkfriedhof

aus dem 18. und 19. Jh. auf dem Gräfrather Parkfriedhof gegenüber dem Museum Baden, darunter viele von alten Solinger Klingenhandwerker-Familien.
Z.B. der Grabstein der Familie Baus: Peter Daniel Baus (27.11.1781-1.10.1857) und Anna Cath. Baus geb. Rauh (2.2.1777-4.4.1863), Ev. Joh. 17, Vers 24


Gräfrath
 
2002
Antike Grabsteine
auf dem Parkfriedhof


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Geschichtliche Wanderungen

Als 1922 der folgende Text des Journalisten und Heimatschriftstellers Max Schmidt (1873-1929) erschien, war Gräfrath, heute Stadtteil von Solingen, noch eine selbstständige Gemeinde. - Zwar gibt es genügend neuere und umfassende Literatur zum Thema (die teilweise auch zu etwas anderen Schlüssen kommt); dennoch halte ich die manchmal etwas umständlichen, aber dafür nicht so nüchternen älteren Texte für lesenswert.


Gräfrath

Geschichtliche Wanderungen durch Solingen
Stadt und Land

Von  Max Schmidt (1922)

"In einer im Jahre 1729 von dem Jülich-Bergischen Hofkammerrat Johann Wülffing verfaßten und dem damaligen Landesherrn, dem Kurfürsten Karl Phillipp, zugeeigneten 'Beschreibung der vornehmsten Handelsstädte und Flecken des Bergischen Landes' heißt es über die damalige Freiheit Gräfrath: »Die Freiheit Greverath ist eine Stund von Sohlingen in einer schönen Gegend gelegen, darinnen bestehen die Einwohner in Kaufmannschaft vortrefflichen Messer- und Schlösserhandwerken. In und außer dieser Freyheit gibt es wohlhabende Kaufleute, Bürgermeister und Rath seyend Reformierter Religion, auff dem Markt stehet ein schöner Brunnen.

An dieser Freyheit auf dem Berg liegt ein herrliches Frey-Adeliches Nonnen-Closter, so von einer Abtissinne regieret wird; in dieser Freyheit darf keiner Wein verzappen, sondern wann ein Reisender, Kranker oder auch sonst jemand selbigen zu trinken verlangt, so muß solcher an dem Closter vor Geld abgeholt werden, und soll dieses ein altes Privilegium sein.«

Tatsächlich besaß das Gräfrather Kloster dieses Vorrecht, das ihm der Herzog Adolf von Berg [VII.] am 11. April 1436 verliehen hatte; danach durfte keiner in einem Umkreise von einer Viertelmeile Wein anderswoher beziehen als vom Gräfrather Kloster.

Die alte Beschreibung Wülffings ist in ihrem weiteren Inhalt auch heute noch auf das Städtchen Gräfrath zutreffend [...]. Sein altbergischer Charakter hat sich bis heute fast vollständig erhalten. Jedem Fremden, der das freundliche, schön gelegene Städtchen mit der Kreisbahn durchfährt, fällt das eigenartige Städtebild, besonders aber der anheimelnde Marktplatz, auf. Wenn die Wagen der Kreisbahn die Berge ersteigen, dann schweifen die Blicke der Reisenden immer wieder in den Talkessel hinab, in dem die ehemalige Freiheit sich jetzt fast 200 Jahre unverändert erhalten hat.

Die älteste Urkunde, welche Gräfrath erwähnt, stammt aus dem Jahre 1135. Der Ort muß aber schon bedeutend früher bestanden haben, das ergibt sich aus dem Sinn der Urkunde. Diese besagt, daß der Erzbischof Bruno II von Köln, ein Sohn des Grafen Adolf I. von Berg, einen Altar in der Säulenhalle der Ursulakirche zu Köln mit einer Rente des Dorfes Greverode (Gräfrath in der Pfarrei Wald) ausstattete. Die Rente sollte aus dem Zehnten des Dorfes Gräfrath genommen werden, sie betrug jährlich 12 Schilling.

1177 machte Aleid, die Witwe des Grafen Albert von Molbach, mit Zustimmung ihrer Tochter Alvradis und ihres Schwiegersohnes, des Grafen Wilhelm von Jülich, eine Stiftung zur Errichtung eines Mönchsklosters zu Gräfrath; dazu schenkte sie einen Hof, ad campum genannt. Diese Stiftung kam jedoch nicht zur Ausführung. Ein Hof Gräfrath gehörte damals schon dem Stifte Vilich, welches Bonn gegenüber auf der rechten Rheinseite liegt. Bei dem Hofe lag eine alte Kapelle, nicht weit von einer der Itterquellen, dem 'heiligen Born', der schon in vorchristlicher Zeit als Wallfahrtsstätte viel besucht worden ist.

In der Nähe der Kapelle gründete um das Jahr 1185 die Aebtissin Elisabeth von Vilich das Nonnenkloster Gräfrath. Dies hatte zur Folge, daß die Kapelle aus dem Verbande der Pfarrei Wald ausschied. Das Kloster bekam bald einen bedeutenden Ruf, und fast alle Adelsgeschlechter des Bergischen Landes sind durch Töchter ihrer Häuser unter den Nonnen vertreten; so die Bawyr von Kaspersbroich, die Bottlenbergs auf Hackhausen, die von Halle auf Opphoven und zahlreiche andere."


Damit ist der Solinger Stadthistoriker Heinz Rosenthal nicht ganz einverstanden: Die Zuordnung des Heiligen Borns im Grünewald zu den Kultstätten germanischer Vorzeit hält er für eine romantische Erfindung. "Der Heilige Born hat sicherlich seinen Namen davon, daß er eine Station auf dem Prozessionswege der Nonnen war, der vom Kloster über die Quelle bis zur Grenze der Klosterflur bei der Kluse (Ägidiuskluse) ging, von da über das sogenannte Bremserfeld zum heutigen Exerzierplatz und zurück zum Kloster. Man behauptet, das Kloster habe einige hundert Schritte nordöstlich des nachmaligen Klostergebäudes gestanden; das ist nicht nachzuprüfen. Mauerreste an der bezeichneten Stelle sind noch kein Beweis für die Lage des alten Hofes Greverode." [Rosenthal 1 S. 24 f]

Aber vielleicht ein Indiz? - Wie dem auch sei, weiter mit Max Schmidt:


"Durch Verbindungen mit den reichen Adelsgeschlechtern wurde das Kloster selbst außerordentlich begütert. Hohen Gewinn brachten auch die Vorrechte, die ihm verliehen wurden. Von zahlreichen Höfen durfte das Kloster den Zehnten erheben. Die Steuern wurden ihm erlassen, und so ist es kein Wunder, daß beträchtlicher Reichtum sich ansammelte.

Am 25. Mai 1301 beurkundet Graf Wilhelm I. von Berg, daß er dem Kloster die Herbstbeede (Herbststeuer) und die Lieferung des Futterhafers erlassen habe gegen das Versprechen, daß für seinen verstorbenen Bruder, den Grafen Adolf V., und nach seinem Tode auch für ihn selbst, sowie für seine Gemahlin Irmgard nach deren Tod ein Jahresgedächtnis abzuhalten sei. Graf Adolf V. war im Jahre 1296 auf seiner Lieblingsresidenz, dem Schlosse Burg, gestorben und wurde auf seinen Wunsch in der Klosterkirche zu Gräfrath beigesetzt.

Seine Gemahlin, eine geborene Gräfin Elisabeth v. Geldern, siedelte in das Gräfrather Kloster über und starb dort im Jahre 1313. Auch sie wurde in der Klosterkirche begraben. Die Grabsteine von beiden sollen am Ende des 18. Jahrhunderts noch in der Kirche vorhanden gewesen sein; leider aber sind sie in der Folgezeit, wie so vieles andere, verschwunden. Die Inschriften beider Steine sind aber der Nachwelt erhalten geblieben; sie lauten, vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt:

»Im Jahre 1296 am Feste des Erzengels Michael schied aus diesem Leben der edle Herrscher Graf Adolf von dem Berge. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.«

»Im Jahre 1313, den 31. März, starb die hochwürdige Frau Elisabetha, geldnerischen Stammes, vormals Gräfin von dem Berge. Jeder bete hier für sie ein Vater unser und Ave Maria, damnit ihre Seele ruhe in Frieden. Amen.«

Aus den Privilegien, die dem Kloster in der Folgezeit verliehen wurden, sei die Zollfreiheit vom Hafen in Monheim erwähnt. Dem Kloster wurden auch 3 Wassermühlen zugebilligt, von denen die Bewohner eines größeren Umkreises das Mehl beziehen mußten.

Im Jahre 1803 hörte dieser Zustand jedoch auf. Kurfürst Maximilian von Bayern, der das Herzogtum Berg von dem kinderlos verstorbenen Kurfürsten Karl Theodor geerbt hatte, hob das Kloster auf. 20 Wohnhäuser allein in Gräfrath, zahlreiche Höfe und sogar Weinberge am Rhein, die Klostereigentum waren, wurden meistbietend verkauft. Die Stiftsdamen, noch 9 an der Zahl, erhielten eine jährliche Rente und mußten das Kloster verlassen. Die letzte Aebtissin, Sophia Freiin von Posek, starb 1833 in Düsseldorf im Alter von 83 Jahren.

Die jetzt noch vorhandenen Klostergebäude (Erziehungsanstalt) [heute Klingenmuseum] sind nicht die ursprünglichen Gebäude. Sie wurden im Jahre 1704 errichtet. Nur das alte Portal der Kirche mag noch die Gründung gesehen haben, denn es soll nach der Ansicht Sachverständiger um 1250 erbaut worden sein. Es ist bedauerlich, daß nach der Aufhebung des Klosters mit zahlreichen historischen Kunstwerken Gräfraths wenig pietätvoll umgegangen worden ist.

Zwischen dem Klosterhofe und dem Klosterkirchhofe stand bis etwa 1830 eine Eingangspforte, die über ihrem Gewölbebogen eine Reihe kleinerer Nischen mit Heiligenfiguren hatte. Wo die Figuren nach dem Abbruch der Pforte geblieben sind, ist nicht mehr festzustellen. Sollte es vielleicht mit ihnen ähnlich gehen wie mit der alten Gräfrather Brunnensäule, die jetzt wieder den Markt ziert, nachdem sie vor etwa 20 Jahren in einem Gräfrather Garten aufgefunden wurde, in dem sie lange Jahre verschüttet gelegen hatte?

Unter preußischer Herrschaft wurde Gräfrath der Sitz des 'Gräfrathischen Landwehrbataillons'. Seine Mannschaft wurde den Kreisen Solingen und Lennep, sowie den Gemeinden Cronenberg und Haan des Kreises Elberfeld entnommen. Als militärische Uebungen in Gräfrath nicht mehr stattfanden, verblieb dem Ort doch das Bezirkskommando mit dem Zeughaus. Am 1.4.1893 wurde das Bezirkskommando von Gräfrath nach Solingen, und zwar ins Dorper Rathaus, verlegt. Zu erwähnen ist noch, daß die Revolutionskämpfer 1848 das Gräfrather Zeughaus stürmten.

  Zeughaus, Haus, in welchem Gerätschaften, besonders Kriegsgerätschaften aller Art aufbewahrt werden, Rüsthaus, Waffenhaus, Arsenal. [Beckmann]

Gräfrath hatte sich bis zum 14. Jahrhundert bereits derart entwickelt, daß es 1325 zur Freiheit erhoben wurde. Damit wurde den Bürgern das Recht verliehen, alljährlich ihren Bürgermeister zu wählen, der von Ratsleuten und Scheffen in seinen Arbeiten unterstützt wurde.

  Freiheitsurkunde von 1402

Im Jahre 1686 wurde der Ort von einem furchtbaren Brande heimgesucht, der 78 Wohnhäuser, 43 Schmieden, Scheunen und Stallungen sowie das Kloster mit der Kirche einäscherte. Da der damalige Bürgermeister Korte an diesem Brandtage verreist war, fielen mit seinem Hause auch alle Hebelisten und Gemeindeakten dem Feuer zum Opfer. 12 Jahre später, am 3. März 1698, wurde Gräfrath wieder von einem Großfeuer heimgesucht, das 10 Häuser und 7 Scheunen zerstörte.

Neben diesen schweren Schicksalsschlägen, die der aufblühende Ort zu ertragen hatte, wurde er in den damaligen unruhigen Zeiten auch noch von Kriegslasten hart betroffen. Im 30jährigen Kriege (1618-1648), im spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714), der die Belagerung von Kaiserswerth brachte, im 7jährigen Kriege (1756-1763) und auch in der Franzosenzeit zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatten die Einwohner unter den Kriegslasten zu leiden. Zahlreiche noch vorhandene Einquartierungslisten aus jener Zeit geben noch heute Auskunft darüber. Am schlimmsten war die Last wohl im Jahre 1758 (im 7jähr. Krieg). Ganze Kriegsvölker durchzogen den Ort, und jede Familie hatte fortwährend Einquartierung, am 20. November jenes Jahres sogar jedes Haus mindestens 15 bis 18 Mann; besser gestellte Bürger hatten bis zu 60 Mann unterzubringen und zu verpflegen. Dabei schreckten die fremden Kriegsvölker selbst vor Schandtaten nicht zurück.

Das neue Jahrhundert brachte für kurze Zeit Frieden und vorläufig auch für Gräfrath Ruhe. Aber bald wurde die Ruhe wieder unterbrochen. In den Freiheitskriegen wurde Gräfrath wieder von Truppen heimgesucht; außerdem wurden noch andere schwere Kriegsleistungen auferlegt. Wie aus den Akten der damaligen Zeit hervorgeht, mußte Gräfrath am 5. Januar 1814 vier bespannte Karren zur Beförderung von Faschinen und Schanzen nach Elberfeld stellen. Am 14. Januar erhielt Gräfrath eine Aufforderung, nach welcher die Gestellung von 42 Malter Hafer, 2505 Pfund Heu und 5222 Pfund Stroh innerhalb dreier Tage verlangt wurde; die Lieferung mußte in das Düsseldorfer Magazin erfolgen.

  "Faschine, langes Reisigbündel aus Weiden, das beim Wasserbau u. beim Bau von Schanzen und Batterien verwendet wird." [Beckmann]

  "Schanze, bis Ausgang des 19. Jh. stark ausgebauter Stützpunkt einer befestigten Stellung." [Knaur 1991] - Passt nicht ganz...(?)

Zur Unterhaltung des Winzingerodeschen Korps mußte es gleichzeitig 22 1/2 Malter Hafer, 2150 Pfund Heu, 11 Malter 52 Pfund Roggenmehl und 2 Malter Erbsen aufbringen und dies alles nach Elberfeld befördern.

  Winzigerode = Generalmajor Freiherr von Winzigerode, Offizier der Königlich Preußische Armee

Alle Tage kam neue Einquartierung, oft bis zu 1000 Mann. Eine Einquartierungsliste vom 2. und 3. Mai 1814 besagt folgendes: Nach den braunschweigischen Husaren und der braunschweigischen Infanterie, die unseren Ort am 28. April verlassen hatten, kamen 4 Komp. Schweden vom Inf.-Reg. Upland, die wie folgt auf die Gehöfte der Gemeinde verteilt wurden: In die Freiheit 16 Offiziere, 8 Unteroffiziere, 296 Gemeine und 19 Pferde; zu Ehren 9 Mann, zu Eckstumpf 7 Mann, zu Nümmen 3 Offiziere und 21 Mann, zu Flachsberg 3 Offiziere und 40 Mann, zu Dahl 9 Mann, zu Foche 2 Mann, zu Heide 11 Mann, zu Stockdum 28 Mann, zu Schlagbaum 2 Mann, zu Külf 12 Mann, zu Rathland 11 Mann, zu Cronenfeld 1 Offizier und 6 Mann, zu Altenfeld 6 Mann, zu Aue 6 Mann, zum Busch 11 Mann, zu Ringelshäuschen 6 Mann, zu Rauenhaus 2 Mann, zu Ketzberg 2 Mann, zu Oben zum Holz 2 Offiziere und 19 Mann, zu Steines 4 Mann, zu Flockertsholz 4 Mann, zu Stöcken 6 Mann und zu Stöckerberg 8 Mann. Bis zur Beendigung der Freiheitskriege wurde Gräfrath noch oft in ähnlicher Weise mit Truppen belegt.

Nach den Befreiungskriegen trat endlich eine Zeit ruhiger Entwicklung ein. Die Bevölkerung nahm zu, und der Wohlstand hob sich trotz der vorhergegangenen schweren Drangsale. 1817 zählte Gräfrath 1257 Einwohner, 1832 schon 1600, und 1861 war bereits die Zahl 5186 erreicht.

Die Entwicklung der Gemeinde vom ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts ab bis in das Jahr 1861 ist in der Hauptsache auf das Wirken des Geheimem Hofrats Friedrich de Leuw, geb. 1792 in Cleve, gest. 1861 in Gräfrath, zurückzuführen. Durch ihn legte manche der noch heute in Gräfrath ansässigen Familien den Grund zu ihrem Wohlstande. De Leuw war ein berühmter Augenarzt, der von Kranken aus aller Herren Länder aufgesucht wurde. Gräfrath wurde zu einem vielbesuchten Kurort, und das mag die Ursache dafür sein, daß die Industrie in dieser Zeit dort nicht den gleichen Aufschwung nahm wie in den Nachbarstädten.

Eine neue Entwicklungszeit trat für Gräfrath ein, als es 1890 Eisenbahnstation wurde. Die Entwicklung wurde auch für die abseits gelegenen Bezirke noch mehr gefördert, als im Jahre 1898 die Kreisbahn ihren Betrieb eröffnete. Die Einwohnerzahl Gräfraths ist seit 1815 fast um das Zehnfache gestiegen und beträgt heute [= 1922] rund 10 300 Seelen.

Landschaftlich eines der schönsten Gebiete der Stadtgemeinde Gräfrath ist unstreitig das zwischen der jetzigen [= früheren!] Zeppelinstraße, der Donaustraße und der Wupper gelegene; es ist zu einem großen Teile unter der Bezeichnung 'die Wupperhänge' bekannt. Dort liegen die alten Hofstätten Rathland, Külf, Altenhof, Oben- und Untenketzberg und dicht an der Wupper Aue und Friedenstal.

  Gemeint ist nicht Altenhof, sondern Altenfeld (Altenhof liegt in Wald).

Rathland, Külf, Altenhof und wie die umliegenden Oertchen alle heißen - jedes gibt für sich ein malerisches Bild. Verhältnismäßig wenige wissen die Schönheiten der Orte selbst, die so manche alte Erinnerung zeigen, zu schätzen. Wer aber dorthin einen Spaziergang unternimmt, der ist nicht allein über die wildromantischen Bilder entzückt, die wir hier so dicht bei der Stadt finden, sondern er wird sich auch an den herrlichen Fernblicken erfreuen. Jenseits der Wupper liegt vor uns auf hoher Bergeskuppe, von Wäldern umgeben, Cronenberg, und mehr südlich sehen wir Remscheid; beide Städte überragt von ihren Kirch- und Rathaustürmen.

Wenn wir hier unseren Blick in die Ferne schweifen lassen, stehen wir auf althistorischem Boden. Auf der Höhe zwischen Solingen und Gräfrath erhebt sich zu Ringelshäuschen die schmucke evangelische Kirche, die im nächsten Jahre auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken kann. [...]

Das älteste Bauwerk - vielleicht sogar das älteste der gesamten Stadtgemeinde Gräfrath - hat aber Oben-Ketzberg aufzuweisen. Dort steht inmitten der Fachwerkhäuser Nr. 18 und 22 der steinerne Turm, in der platten Volkssprache 'das Gemür' (Gemäuer) genannt. [...]"

  Mehr über Ketzberg und das "Gemür" "


Am landschaftlich-malerischen Reiz der genannten Hofschaften Rathland, Külf und Altenfeld scheint sich auf den ersten Blick bis auf ein paar erneuerte Fenster und Türen äußerlich wenig verändert zu haben. Die Fachwerkhäuser mit ihren vielen Um- und Anbauten und dem teils interessant angeordneten Balkenwerk sind bemerkenswert, und nicht zuletzt auch ein Nutzgarten in Külf, der noch - wie in alten Zeiten - mit Buchsbaum-Hecken eingefasst ist.

  Bilder von Rathland, Altenfeld und Külf
  Rathland, Altenfeld und Külf waren Wohnsitze von Messermachern und Schwertschmieden.

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Johann Wilhelm Otto Gelderblom, Lehrer zu Nümmen (Gräfrath)

Der Name Gelderblom ist mir bei der Beschäftigung mit der Solinger und Haaner Geschichte an ganz verschiedenen Stellen mehrfach begegnet. Zufällig fiel mir der folgende Zeitungsartikel mit Details aus dem Leben des viel gerühmten Lehrers und Obstbaumzüchters in die Hände, erschienen anno 1935 anlässlich des Nümmener Heimatfestes. Danach hat Gelderblom bereits im jugendlichen Alter von 18 Jahren seine Pädagogen-Karriere begonnen, hat zwei Ehefrauen überlebt, ist nicht vorzeitig in den Ruhestand getreten und immerhin 85 Jahre alt geworden.


Gelderblom
 
J.W.O. Gelderblom
(1785-1868)

Solinger Tageblatt vom 20. Juli 1935 No. 165

Aus dem Leben von Lehrer Gelderblom.

"Lehrer Johann Wilhelm Otto Gelderblom in Nümmen wurde am 17. Juli 1785 in Waldniel als Sohn eines Buchbinders getauft. Von 1803 bis 1807 bekleidete er eine Lehrerstelle in Essenberg bei Mörs. Im Jahre 1807 übernahm er die Lehrerstelle in Nümmen bei Gräfrath. Hier wirkte er unter schwierigen Schulverhältnissen recht segensreich bis zum Jahre 1856.

Im Jahre 1810 verheiratete er sich mit Johanna Maria Schübb, der Tochter des Nümmener Mühlenbesitzers Gottfried Schübb, die ihm vier Kinder schenkte.

  Lt. Brangs fand die Heirat am 22.11.1812 in Nümmen statt, und der Bräutigam von Johanna Maria Schübb hieß Wilhelm Anton Gelderblom. Die Wahrheit wird im Kirchenbuch verzeichnet sein.

Nach ihrem frühen Tode im Jahre 1819 heiratete er Johanna Maria Wester, die 1831 starb und ihm ebenfalls vier Kinder hinterließ.

Mit der ganzen Nümmener Schulgemeinde, die besonders die Einfachheit seines Wesens, die Lauterkeit seines Charakters, seine Leutseligkeit und Hilfsbereitschaft, sowie - zuletzt, aber nicht zum wenigsten - seine starke Naturverbundenheit schätzte, verknüpfte ihn ein inniges Herzensband.

Als Lehrer zeichnete er sich durch hervorragende pädagogische Tüchtigkeit aus, die namentlich in seinem Rechenunterricht glänzte. Wie man erzählt, soll J.W.O. Gelderblom keinen Schüler entlassen haben, der nicht den ganzen "Diesterweg" (Rechenbuch) "durchhatte".

Seine pflichttreue, segensreiche Berufstätigkeit fand gelegentlich seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums am 14. September 1853 in Nümmen aus dem Munde des bekannten Schulpflegers Dr. Wiedenfeld, Gräfrath, der dem Jubilar gleichzeitig das Allgemeine Ehrenzeichen mit der Zahl 50 überreichte, hohes Lob und leuchtende Anerkennung.

Aus dem Wortlaut der Wiedenfeld'schen Jubiläumsansprache, der den Nachkommen Gelderbloms erhalten geblieben ist, geht zugleich das herzliche Verhältnis hervor, das zwischen dem Genannten einerseits und seiner vorgesetzten Behörde sowie seinen Amtsbrüdern andererseits bestand.

Apfelblüte

Weit über die Grenzen unserer Heimat hinaus bekannt und geschätzt wurde J.W. Gelderblom als Obstbaumzüchter. Seine gesamte freie Zeit widmete er seiner großen musterhaften Baumschule und seinem wohlgepflegten Obstgarten, der angeblich nach und nach eine Größe von 9 Morgen erreicht haben soll.

Seine Schüler mußten allwöchentlich einige Stunden in der Gelderblomschen Baumschule emsig schaffen. Dort erlernten sie unter sachverständiger Leitung ihres Lehrers mit Liebe und Lust die verschiedenen Zweige der Obstbaumzucht vom richtigen Pflanzen bis zum Veredeln der Obstbäume und zum Züchten neuer Sorten. Als Anerkennung erhielten die Schüler die von ihnen in der Gelderblomschen Baumschule betreuten Obstbäumchen geschenkt, und wurden dazu angehalten, damit jedes leere Plätzchen vor oder hinter dem Elternhause zu bepflanzen.

"Auf jeden Raum pflanz' einen Baum
und pflege sein; er bringt dir's ein!"

Den Vätern seiner Schüler und allen anderen Interessenten stand der Obstbaumzüchter G. jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung. Seine Muster-Obstbaumzucht wurde in immer weiteren Kreisen der bergischen Bevölkerung bekannt und als Vorbild benutzt. In jeder Ortschaft des engeren Heimatbezirks hielten die Obstbäumchen aus der Gelderblomschen Baumschule in großer Zahl ihren Einzug und verwandelten unsere "Höfe" in naturschöne Obsthaine. Noch heute trifft man in jeder Ortschaft des Gräfrath-Walder Bezirkes Obstbäume, darunter auch Walnußbäume an, die der J.W.O. Gelderblomschen Baumschule entstammen.

Neben seiner praktischen Obstzüchtertätigkeit ging eine eifrige Vortragstätigkeit über die verschiedensten Themen aus der Obstbaumzucht her. Die Königliche Regierung, die von seiner segensreichen Obstbaumzuchtarbeit Kenntnis erhielt, bewilligte ihm eine "klingende" Anerkennung von 50 Talern, die er restlos seiner Baumschule zugute kommen ließ. [...]

Bis kurz vor seinem Tode ist Gelderblom seinem Nümmen treu geblieben. Als er, bereits kränkelnd, 1868 wegen Luftwechsels seine Tochter in Repelen bei Mörs besuchte, ging er dort am 26.12.1868 in Frieden heim. Er liegt auf dem Repelener Friedhof begraben."


Sein jüngerer Bruder Friedrich Bernhard Gelderblom ist nach seiner Rückkehr aus Russland, wo er 1812 für Napoleon hatte kämpfen müssen, ebenfalls als Lehrer in Nümmen und später in Millrath tätig gewesen. Über ihn hat August Lomberg 1927 ausführlich in seinem Buch "Bergische Männer" geschrieben.

Lehrer Gelderblom war übrigens nicht der einzige Pädagoge, der sich für die Verbreitung des Obstbaus eingesetzt hat. Rosenthal nennt z.B. den Lehrer Ferdinand Rubens, der 1833 an die Schule Hossenhaus in Höhscheid kam und einen Verein für Obstbaumzucht gründete. "Es war zu jener Zeit noch gar nicht so selbstverständlich, daß die Bevölkerung den Wert des Obstbaus verstand. In Dorp verweigerte noch 1826 der Gemeinderat das Geld für eine Obstbauschule, bewilligte sie aber zwei Jahre später doch für die Schule am Brühl." [Rosenthal 2 S. 330]

Einen anderen Hinweis auf Familie Gelderblom fand ich im Solinger Tageblatt vom 06.10.2006: "Mitte der 1920er Jahre wirkte in St. Petersburg ein ehemaliger Pfarrer aus Burg: Dr. Ernst Gelderblom. Am 14. April 1861 im bergischen Dhünn geboren, kam er 1887 für zwei Jahre nach Burg, dann zog der Geistliche nach Osteuropa, nach St. Petersburg. Er starb 1928 im Baltikum, in Riga." [Wilhelm Rosenbaum]


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Fundsache Siegessäule

An der Zufahrt zum Kunstmuseum Solingen (Museum Baden) fällt zwischen den Plastiken von Max Kratz und dem wunderschönen "Engel" von Gertrud Kortenbach ein massives "Bauwerk" auf, das lange Zeit im dichten Gebüsch verborgen und den Blicken entzogen gewesen war. Im Sommer 2009 wurde es "freigelegt" und die Inschrift wieder sichtbar gemacht. Es handelt sich um den Sockel einer Siegessäule, die einmal unmittelbar vor dem einstigen Rathaus - dem heutigen Kunstmuseum - gestanden hat.


Gräfrath
2010   Der freigelegte Sockel...
 
Gräfrath
... für drei Kanonenrohre   2009


"Schon im Jahre 1889 war eine Kommission zur Errichtung eines Kriegerdenkmals gewählt worden. Ihre Tätigkeit schlief aber ein, bis sie 1908 durch den Herrn Bürgermeister Bartlau wieder ins Leben gerufen wurde. Die Kosten zu dem Denkmal wurden durch hochherzige Beiträge einiger hiesiger und auswärtiger Herren sichergestellt.

Eigenartig ist der Gedanke zu dem Aufbau des Denkmals, das aus drei auf einem Sockel ruhenden, vom Kriegsministerium zur Verfügung gestellten Kanonenrohren besteht, die von einer Kaiserkrone überragt werden. Diesen Gedanken gab der Kommandeur des Bezirkskommandos Solingen, Herr Oberstleutmant von der Groeben. Der architektonische Ausbau des Ganzen stammt vom Rathausbaumeister Herrn Fritsche, Elberfeld. Die Stadtverordneten-Versammlung bewilligte dazu 600 Mark. Die Inschrift auf dem Denkmal stammt von dem bekannten bergischen Dichter Rudolf Herzog:

    Zum Schwerte greift, wer seine Heimat liebt,
    Wir lieben sie, und unser Stahl gab Kunde.
    Wer seinen Zoll der Heimaterde gibt,
    Ihm schenkt Unsterblichkeit die Todesstunde."
[Benner/Bremes S. 58]

  Rudolf Herzog (1869-1943), geb. in Barmen (Wuppertal), deutscher Schriftsteller, Journalist, Dichter und Erzähler, z.B. 1903 historischer Roman "Die vom Niederrhein".

Vermutlich sollte die vor dem Ersten Weltkrieg aufgestellte einstige Siegessäule an die Kriege 1866 und 1870/71 erinnern, wie es damals in vielen Orten üblich war.

Angenommen wird, dass die Siegessäule mit Kaiserkrone nach 1945 eingeschmolzen wurde. Ob der Sockel im selben Jahr oder erst zur Eröffnung des Klingenmuseums 1954 im Gebüsch verschwand, sei unklar. [ST 25.07.2009]

Vielleicht teilten die eisernen Kanonenrohre aber auch das Schicksal unzähliger Kirchenglocken und wurden schon während des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg wird man über die eingemeißelten Dichterworte differenzierter gedacht und den verbliebenen Sockel erst einmal aus dem Blickfeld gerückt haben. Heute ist er "Geschichte" und darf zurück ans Tageslicht.


Gräfrath
 
Um 1920
Unscharfes Detail
einer Aufnahme des ehemaligen
Gräfrather Rathauses
mit Siegessäule



Quellen:
  • Benner/Bremes (1920)
  • Niederau / Poensgen (1992)
  • Peters, Lutz: Gräfrath (o.J.)
  • Rosenthal: Solingen Bd. 1 (1972), Bd. 2 (1972)
  • Schell (1909 und 1922)
  • Schmidt, Max: Geschichtliche Wanderungen (1922) S. 48-54
  • Solinger Tageblatt v. 20.07.1935, v. 06.10.2006, v. 25.07.2009
  • v. Zuccalmaglio: Vorzeit 2. Bd. (1839)
  • Beckmanns (1959)
  • Knaurs (1991)

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