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Geschichte(n) und Sagen aus dem Kloster

Gräfrath 1837
Gräfrath 1837. Landschaft mit Klosterkirche und Zeughaus. Ölgemälde von Friedrich August de Leuw
 



Bei der Beschäftigung mit der älteren bergischen Geschichte stößt man immer wieder auf die Klöster, oft auf das Augustiner-Chorfrauenstift in Gräfrath und auf die Abtei Altenberg, und insbesondere in ihrer Eigenschaft als Grundbesitzer und Zehntempfänger.

Immer wieder kommen auch in den Familiengeschichten der Grafen und Herzöge von Berg und der anderen alten Ritter- und Adelsgeschlechter Töchter, Schwestern und Witwen vor, die von der treusorgenden (männlichen) Verwandtschaft der Obhut eines Damenstifts anvertraut wurden. Als Mitgift brachten sie ihr Erbteil ein und trugen so zum wachsenden Wohlstand der Klöster bei. Darüber wurde akribisch Buch geführt, und so ist heute teilweise noch nachvollziehbar, wer wann wem was geschenkt hat, welcher Hof wann welchem Kloster unter welchem Abt / welcher Abtissin zehntpflichtig war und wie hoch und welcher Art Pacht- und Zinsabgaben waren. Diese Fakten sind oft aufschlussreich für Familien- und Geschichtsforscher.

In den Bereich der Fakten fällt auch ein kleiner Artikel von Hans Brangs über die Äbtissinnen des Gräfrather Klosters, von denen nicht viel überliefert ist:


Die Heimat 1.9.1959 Jg. 17 Nr. 6 S. 11

Aebtissinnen des Gräfrather Klosters

Das von der Aebtissin Elisabeth zu Vilich auf ihrem Besitztum zu Gräfrath "zur Ehre Gottes und Seiner unbefleckten Gebärerin Maria" im Jahre 1185 gegründete Kloster "für Gottes Mägde" hat im Laufe der Zeit auf Grund des ihm zugeflossenen Reichtums an Grundbesitz, Einkünften und Gerechtsamen, der ihm verliehenen Privilegien und ausgeübten Patronatsrechte (Gruiten, Honrath, Schlebuschrath, Sonnborn und Wald) und der teilweise noch heute vorhandenen, als wundertätig verehrten Reliquien der Klosterkirche, die in früherer Zeit Anziehungspunkte für Wallfahrten und Pilgerzüge aus weitentfernten Gegenden gewesen sind, einen bedeutenden Einfluß ausgeübt.

Von den Frauen, die die Geschicke der Abtei geleitet haben, wissen wir nur wenig; nicht einmal eine lückenlose Reihe ihrer Namen ist bekannt. Ob die Gründerin des Klosters gleichzeitig auch seine erste Aebtissin gewesen ist, wäre möglich, ist aber bisher nicht nachgewiesen. Aus dem 13. Jahrhundert ist nicht der Name einer einzigen Aebtissin bekanntgeworden. Erst aus späterer Zeit läßt sich eine unvollständige Reihe von Namen zusammenstellen.

Die Würde der höchsten Stellung im Klosterbereich kommt in mancherlei Bezeichnungen zum Ausdruck; außer dem Namen "Aebtissin" treten die Bezeichnungen "Meistersche". "Frauenmeistersche", "Vorsteherin", "Oberin", "Beweresche" (mundartliche Form für Oberin), "domina" und "magistra" auf.

1373: Coenegunt, Meistersche im Convent zu Greveroide;

1411: Johanna von Eller, Priorin (d. h. die Erste nach der Aebtissin);
Agnes de Gemenych (Gimnich), Küstersche;
Nesa (== Agnes) Scheerfgens, Kellnerin;
1417: Junffer Jutten (= Jutta) wanme Huyss,1) beweresche;
1427: Mettel (= Mechtild) v. Nesselrode, Meistersche;
1447; Katharina van Huyß,1) Nonne und Vorsteherin;
1471: Katharina von Nesselrode, magistra;

1518, 1535, 1540. 1552: Mechtild (Mechtel, Mechtelt) von Kendenich, Meistersche, magistra;
1554, 1555, 1569: Elisabeth Quade (Quadt),2) Meistersche, Aebtissin;
1580, 1585, 1587: Maria von Hochsteden. Meistersche, Frauwenmeistersche, Vorsteherin;3)

1655: Anna von Bellinghausen, Meistersche;
1657, 1660: Gertrud (Gertrudis) von Lülsdorf, domina, magistra;
1676 (nicht 1776!): Katharina Maria von Gimnich, magistra des hochadeligen Klosters Grefrath;
1697: Katharina Margarete von Gymnich (Gimnich) zu Vischel, Meisterin;4)

1715, 1721, 1722: Wilhelmina Katharina von Landsberg, Oberin;
1722: Maria B. von Berg, genannt von Dürffendahl, Priorin;
1735: W. von Landsberg, Aebtissin;
1737, 1751, 1773: Otto Maria Baldina, geborene Freiin von Cloedt, Oberin,
Meistersche, Aebtissin;
(?) Josepha Freiin von Brand war die vorletzte Aebtissin,
1780, 1789, 1803: Anna Sophia von Poseck, Aebtissin.5)
_______________

1) Haus zu Haus in Ratingen.
2) Tochter von Georg Quad, Herr zu Brockhausen und Aprath (Zeitschr. d. Berg. Gesch. V. 47, S. 154).
3) 1606 suspensiert sie den Vikar von St. Katharina in Gräfrath, Hugo Espillet.
4) 1669 war sie Administratorin.
5) Nach dem Kirchenbuch der Pfarre St. Lamberti zu Düsseldorf starb sie am Montag, dem 7. l.1833, im Alter von 83 Jahren.

[H. Brangs]



 
Um 1895
Kath. Pfarrkirche
St. Mariä Himmelfahrt,
die ehemalige Klosterkirche.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Die Reliquiensage, die der Popularität des Gräfrather Klosters sehr zugutekam, gibt es in mehreren, leicht voneinander abweichenden Varianten. Hier die von Otto Schell überlieferte Version:


Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1922)

Die Reliquien der heiligen Katharina zu Gräfrath.
(Montanus, Vorzeit, II, 400)

"Die Gräfin Katharina von Hückeswagen entfloh dem Glanz der Welt und trat in das Kloster zu Gräfrath, wo sie sich den härtesten Bußübungen unterzog. Dafür empfing sie von Gott manche Gnadenbezeugung. Als einst Nachtigallen durch ihren lieblichen Gesang ihr die beschauliche Ruhe zum Beten raubten, verbannte sie dieselben; und bis zur Stunde muß diese Königin des Gesanges den Ort meiden.

Im Jahre 1309 lag sie eines Tages im brünstigen Gebet; namentlich flehte sie für ihren Bruder, der als Glied des Johanniter-Ordens zum gelobten Land gezogen war. Als sie so, ganz in Andacht versunken, kniete und betete, erschien ihr ein blendend schöner Jüngling, welcher ihr ein silbernes, reich verziertes Kästchen in den Schoß legte, worauf er lächelnd verschwand. Die Beterin öffnete das Kästchen und erblickte ein Knöchelchen von der Größe eines Weizenkornes in demselben. Voller Verwunderung über das seltsame Ereignis hob sie das Kästchen sorgfältig auf.

Nach einigen Monaten langte ihr Bruder wohlbehalten in der Heimat an und stattete gar bald seiner Schwester im Kloster zu Gräfrath einen Besuch ab. Er erzählte ihr, wie er eine Reliquie der heiligen Katharina für sie erworben habe; als aber bei der Ueberfahrt ein heftiger Sturm losbrach, habe er das Kästchen ins Meer werfen müssen, um den Sturm zu stillen und sein und der Mitfahrenden Leben zu retten. Weiter erzählte er, er habe diese Reliquie von einem Eremiten am Berge Sinai erhandelt und selbige habe nur die Größe eines Weizenkornes besessen; sie habe in einem silbernen, reich verzierten Kästchen geruht.

Auf ihre Fragen erfuhr Katharina den Tag, an welchem ihr Bruder das Kästchen ins Meer geworfen, und erkannte, daß ihr genau zu derselben Zeit das Kästchen zugestellt worden sei. Sie holte nun das sorgsam verwahrte Heiligtum herbei, und freudig erkannte der Bruder es als dasjenige an, das er ins Meer geworfen."

[Schell S. 95 (V.266)]


Gräfrath
Die Reliquie der hl. Katharina wird im Solinger Klingenmuseum aufbewahrt.
 
Gräfrath
Die heilige Katharina, Schutzpatronin von Gräfrath, mit ihren Insignien: Buch, zerbrochenem Folterrad und Schwert. Figur aus Frankreich, um 1500, im Klingenmuseum.
 
Gräfrath
Grenzstein des Gräfrather Klosters mit dem Katharinenrad, heute eingemauert in der Außenwand der Klosterkirche.

An anderer Stelle stößt man auf Sagen und Legenden von lebendig eingemauerten Nonnen, von Mönchen, die ihre zehn Gebote vergessen haben, junge Mädchen verführen und dann im Klosterteich ertränken, von schrecklichen Flüchen, die auf Klöstern lasten, und vielen unangenehmen Dingen mehr.

Solche Geschichten sind nicht dazu angetan, eventuelle Zweifel an der dort herrschenden Christlichkeit zu beseitigen, zumal sie anscheinend nicht immer nur der Phantasie entsprungen sind. Leider werden sie umso glaubhafter durch die 2010 ans Licht der Öffentlichkeit gebrachten zahllosen Fälle des Missbrauchs anvertrauter Kinder und Jugendlicher durch katholische Kleriker.



Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1922)

Der Nonnenraub in Gräfrath.
Fr. Leibing, Sagen, 31. Nach mündlicher Erzählung aus Sonnborn.

"Nicht gar weit vom Dorfe Sonnborn, hinter dem Schlosse Hammerstein, liegt das Burgholz. Es hat den Namen von einer Burg, die darin stand, auf der Stelle, wo man noch jetzt unter Moos und Waldgesträuch ihre Trümmer sieht. Hier hauste vor alten Zeiten ein kühner Ritter, der von Kronenburg genannt. Von ihm geht eine Geschichte, die im Volksmund folgendermaßen lautet:

Der Herr des Schlosses Hammerstein war in alten Zeiten Schirmvogt des Klosters Gräfrath. Bei ihm wohnte seine Nichte, ein Fräulein von Syburg. Diese liebte den Ritter von Kronenburg, der sie von ihrem Oheim zur Gemahlin begehrte. Der Hammersteiner aber zwang sie, ihr Gut Buchenhofen dem Kloster Gräfrath zu schenken und ließ sie endlich in demselben den Schleier nehmen.

Da erspähte der Kronenburger eines Tages die Gelegenheit, als die Nonnen in Prozession aus dem Kloster herauszogen, entführte seine Geliebte und brachte sie auf sein Schloss Kronenburg. Dies wurde allsdann von dem Herrn von Hammerstein belagert und endlich am zweiten Pfingsttage mit Sturm genommen. Das Fräulein von Syburg wurde hierauf wieder ins Kloster zurückgeführt, der Ritter aber auf der Klosterheide gehängt, oder, wie andere sagen, von der Feme erstochen."
[Schell S. 96 (V.267)]




Otto Schell gibt die Sagen meist kurz und knapp wieder. Sehr ausführlich, oft in Gedichtform und sehr facettenreich präsentiert sie dagegen Vincenz von Zuccalmaglio (1806-1876), der auch als "Montanus" bekannte vielzitierte bergische Schriftsteller und Geschichts-Überlieferer aus Schlebusch (heute Leverkusen).

Die dramatische Geschichte vom "Nonnenraub bei Gräfrath" zieht sich bei ihm fast über 12 Gedicht-Seiten hin. Dort heißt die Nonne Mathilde von Kettler. Der historische Hintergrund geht aus seiner Kommentierung hervor. Wenn auch (bis auf einen Vers) nicht das Gedicht, so soll hier doch diese Anmerkung im Wortlaut zitiert werden (1837; ganz alte deutsche Rechtschreibung einschl. der Druckfehler):



 
Ein Vers des langen Gedichts
über den Nonnenraub, S. 214.
Hat sich der Setzer einen Scherz erlaubt, oder ist der "Säugling" ein versehentlicher Druckfehler? Ein Leser hat am Rand mit "Jüngling" korrigiert.


Vincenz von Zuccalmaglio
(1806-1876), "Montanus"
 
"Doch als er vertobt die verderbliche Wut
ob des grämlichen Vaters Versagen,
da triebs ihn hinaus mit männlichem Mut
Den Kampf um die Holde zu wagen.
O Säugling Jüngling sei ernstlicher Warnung nicht taub;
Die Nonne befreien ist Gottesraub;
Das Kloster zu Gräfrath hat Mauern aus Stein,
da dringet nicht Eisen noch Stahl herein
Am heiligen Annatage!"

"Anmerk: Der Nonneraub des Ritters Wulf oder Wolfgang von Kronenburg erzälen mehrere alte Chronisten und auch in den Annalen des Klosters ward er aufbewahrt. Im Volksmunde schmückte er sich abentheuerlich aus. Das Jahr der That war 1237; ausführlich erzählt Wilhelm Aschenberg die Begebenheit in seinem rheinischen Taschenbuche. Er hat statt des Annatages den Katharinentag, an welchem der Gräfinn Katharina von Hoikeshofen zu Ehren, die im Jahre 1089 das Kloster stiftete, von den Nonnen eine feierliche Procession gehalten wurde."

  Nach neueren Quellen [u.a. Rosenthal] wurde das Gräfrather Nonnenkloster 1185 bzw. 1187 von der Äbtissin Elisabeth von Vilich gegründet.

"Vorstehende Erzählung tritt der geschichtlichen Wahrheit der Facta nur insoweit zu nahe, als sie den Ritter von Kronenburg nicht durch den Dolch des Fehmgerichtes fallen läßt. Der wilde Ritter fuhr fort das Kloster zu befehden und zu bedrohen, bis ihn das westphälische Freigericht als Kirchenräuber verurtheilte und durch heimliche Execution in seiner eigenen Burg ermorden ließ.

Seine Wittwe, die Nonne Mathilde von Kettler aber blieb auf die angeführte Sühne im Besitze der Kronenburg und durch den Sohn des ermordeten erhielt sich das Geschlecht der Kronenburger mehrere Jahrhunderte hindurch.

Die Stelle im Burgholze, wo das Schloß Kronenberg, nahe der Wupper, gestanden sieht man noch jetzo mit spärlichen Spuren und Ruinen alter Befestigung, die mit Schutt überdeckt und jetzo mit Kraut und Stauden überwachsen sind. Auch im Volke lebt das Andenken des Kronenberger Schlosses noch fort und wird auf Pfingsten noch alljährlich gefeiert auf dem geebneten Burgplatze.

Der Nonnenraub geschah auf der Stelle, die jetzt das Bremserfeld genannt wird, in der Nähe des heiligen Borns unweit von dem Weiler Grünewald."

[v. Zuccalmaglio 1. Bd. S. 210-222]


Wahr oder unwahr? - Der Solinger Stadthistoriker Heinz Rosenthal hält den Nonnenraub für eine "romantische Erfindung". Bei ihm klingt die Angelegenheit so:

"[...] 1193 [...] verkaufte der Edelherr Wilhelm von Limburg dem Kloster seinen Hof Buchenhofen bei Sonnborn. [...] Buchenhofen blieb bis zur Auflösung des Klosters Gräfrath dessen Besitz; es war ein Mannlehen, d.h. es hatte die Pflicht, einen wohlausgerüsteten Berittenen zum Landesaufgebot zu stellen."

  Diese Pflicht hatten nicht Mannlehen, sondern Sattelgüter (wie z.B. der Keusenhof). Ein Mannlehen hat mit der Erbfolge zu tun, beschrieben bei Haus Horst: Mannlehen wurden nur im Mannestamm vererbt. Üblicherweise wurde ein Mannlehen vom Lehnsherrn als verfallen eingezogen, wenn ein Lehnsinhaber ohne männliche Erben verstarb.

"Aus diesem Reisigen hat möglicherweise die Sage den Ritter Wolfgang von Kronenberg gemacht, der als Sühne für einen Nonnenraub Buchenhofen dem Kloster geschenkt haben soll." [Rosenthal 1. Bd. S. 25]

V. Zuccalmaglio schreibt in Band 2: "Den schöngelegenen Buchenhof an der Wupper erhielt es [das Kloster] von Wolfgang dem Ritter von Kronenberg als Sühnopfer für dessen Nonnenraub im Jahre 1237." [S. 398] - In Buchenhofen befindet sich heute ein Klärwerk.

Es gibt noch mehr Kloster-Sagen. Zum Beispiel diese:



Bergische Sagen, gesammelt von Otto Schell (1922)

Die eingemauerten Nonnen.

"Im Keller des Gräfrather Klosters erblickt man noch verschiedene zugemauerte Nischen. Wie die Sage geht, wurden dort Nonnen lebendig eingemauert, welche sträfliche Liebesverhältnisse unterhielten und ihr Herz nicht ausschließlich dem himmlischen Bräutigam zuwandten."
[Schell S. 96 (V.268)]


Die Essig-Jungfrau zu Gräfrath.

"Es ist noch nicht lange her, daß in Gräfrath eine alter Jungfer lebte, von der niemand den Namen wußte. Sie hieß allgemein die Essig-Jungfrau und soll die Tochter einer Nonne im dortigen Kloster gewesen sein. Der allgemein verbreiteten Sage nach fand man sie als Kind hinter einem Essigfasse im Kloster. Dieser Umstand verhalf ihr zu den erwähnten Namen."
[Schell S. 96 (V.269)]


Der Fluch von Altenberg.

"Beim Kloster Altenberg befanden sich früher sieben Teiche, in welchen die Mönche ihre Fische mästeten. Einst hatte ein Mönch des Klosters eine Jungfrau verführt. Als das im Kloster ruchbar wurde, beschloß man den Tod des Mädchens, damit jeder Makel vom Kloster ferngehalten würde. Man führte es auf einen Damm von einem der Fischteiche, um es hinabzustoßen in die kalten Fluten. Aber ehe dies geschah, erhob die Jungfrau drohend ihre Hand gegen das Kloster und sprach einen schauerlichen Fluch über dasselbe aus, dabei prophezeiend, daß es durch Flammen zugrunde gehen werde.

Der Fluch ging in Erfüllung. Niemals ging eine Leuchte der Wissenschaft aus jenem Kloster hervor, und Flammen verzehrten teilweise das ehrwürdige Kloster mit der Kirche."
[Schell S. 209 (V.583)]


Altenberg 1834
 
Die Ruine des Klosters Altenberg.
Stahlstich von Eduard Gerhard, 1834.
Im November 1815 war in Folge einer Explosion im Chemikalienlager eine Feuersbrunst entstanden, die große Teile des Klosters zerstörte.


      Bilder aus Altenberg

Es bleibt nicht aus, dass man sich einige Gedanken macht über das tägliche Leben im Kloster und über die wahren Beweg- und Hintergründe insbesondere bei den Frauen, dort einzutreten. Die Geschichtsschreibung macht ja gar keinen Hehl daraus, dass es mit frommer innerer Berufung nicht immer etwas zu tun hatte, sondern eher damit, dass sie im Weg waren, den "falschen" Mann heiraten wollten oder eben nicht den "richtigen", oder dass sie gar nicht heiraten und Nachwuchs (Erben) bekommen sollten (auch bei Männern ein Grund), dass sie einfach verschachert wurden oder dass es für alleinstehende Frauen "von Stand" keine andere akzeptierte Lebensform gab.

Was ging in den Frauen vor, die diese Lebensform nicht freiwillig wählten? Nahmen sie es klaglos hin? Ließen sich überzeugen? Fügten sich resigniert in ihr Schicksal?

Etwa um das Jahr 1200 verstärkte sich der Zug in die Nonnenklöster. Der Adel hatte in den Kreuzzügen und durch Fehden viele Männer verloren. Andere adelige Stiftsherren und Mönche waren durch das Gelübde der Ehelosigkeit gebunden. Ein Frauenüberschuss machte sich bemerkbar.

"Diese Erscheinung traf mit dem Höhepunkt mittelalterlicher Frömmigkeit zusammen, durch den sich der Zug in die Klöster verstärkte. Auch das Kloster Gräfrath füllte sich in einem solchen Maße mit Nonnen, daß Erzbischof Engelbert von Berg Grenzen setzte. Er beschränkte die Zahl der Nonnen auf vierzig, jedoch mit der Ausnahme, daß durch den Eintritt weiterer Nonnen dem Kloster wesentliche Vermögensvorteile zufielen. [...] Die Bräute Christi brachten als Mitgift Bauernhöfe, Zehntrechte, Weinberge, Äcker und Wiesen mit Rentenverschreibungen, auch Bargeld mit." [Rosenthal 1. Bd S. 25 f]


Wie es in den mittelalterlichen Mönchsklöstern zugegangen sein soll, speziell in der Zisterzienserabtei Altenberg, berichtet Montanus nach alten Quellen ausführlich und recht drastisch in seinem 2. Band der "Vorzeit". Schilderungen und Wortwahl lassen keinen Zweifel daran, dass er dem damaligen Klosterleben sehr, sehr distanziert gegenüberstand.

"Menschen hinter Klostermauern" - das Thema passt eigentlich nicht in eine Genealogie-Webseite, da die Familiengeschichte in einem Kloster - zumindest offiziell - zu Ende ist. Es soll hier auch nicht weiter vertieft werden, es sei denn durch zufällige Fundsachen.

Eine solche ist das folgende Gedicht, das ich bei "Montanus" fand. Wer bis zum Ende durchhält, kann schmunzeln über die "bleiche Bertha" und die verbogene Sprache. Aber eigentlich ist die Geschichte beklemmend. Verzweiflungstaten dieser und ähnlicher Art sollen auch im Mönchskloster vorgekommen sein.


Die Verzweifelnde

(Klostersage aus dem 12. Jahrhundert)

  
  (1)                                     (2)
  Was that ich arme Nonne               . "Um Christi Willen findest
  So Böses auf der Welt,               .  Du dies also bestellt,
  Daß fern vom Stral der Sonne        .   Auf daß du überwindest
  Mich Klosterkerker hält?           .    Im Kampfe mit der Welt!
  Warum soll ich vertrauern         .     Den Leib nur hält Gemäuer
  In ew'ger Modernacht,            .      Im ew'gen Klosterbann,
  Da vor den düstern Mauern       .       Auf daß dein Geist sich freier
  Mir heitres Leben lacht?    . .         Zu Gott erschwingen kann!"

  (3)                                     (4)
  O! Jammer! eingeschlossen             . "Die Freiheit zum Gebete,
  In ödem düstern Grab -               .  Die höchste Freiheit blieb:
  Heißt dies das Glück genossen,      .   Des Himmels Morgenröthe,
  So Gott dem Leben gab?             .    Das ist Mariens Lieb'!
  Wird Niemand sich erbarmen        .     Es war der Eltern Wille,
  Zu enden meine Noth?             .      Daß du ihr einzig Kind
  Lacht nie hinfür mir Armen      .       In heil'ger Klosterstille
  Der Freiheit Morgenroth?    . .         G'nugthuest ihrer Sünd'!"

  (5)                                     (6)
  Nein! Eltern nimmer zollen            . "Es ist uns schon verfallen
  Dem Kind so gringe Huld,             .  Dein Schloß und all dein Gut,
  Mein Grab kann Gott nicht wollen    .   Sie folgen ja den Hallen,
  Zu Tilgung ihrer Schuld!           .    Wo ihre Erbinn ruht.
  Nehmt alle meine Güter.           .     Du hast ja Treu geschworen
  Und meinen Schmuck dabei,        .      Dem hohen Gottessohn:
  Doch laßt mich Aermste wieder   .       Frei von den Himmelsthoren
  Arm in die Welt und frei!   . .         Führt er die Braut zum Thron!"

  (7)                                     (8)
  Wohl gab ich heil'ge Eide             . "Was draußen dich umwunden
  Dem Ritter Curt vom Thal!            .  Von böser Lüste Schlamm,
  Wüßt er von meinem Leide,           .   Deß bist du jetzt entbunden
  Euch drohte scharfer Stahl.        .    Beim besser'n Bräutigam.
  Ihr habt mich zu den Nonnen       .     Dir ziemet jetzt zu büßen
  Verlockt durch Trug und Wahn,    .      Für manches Frevelwort
  Unwissend, unbesonnen           .       Daß einst dich Engel grüßen
  Hab ich den Schwur gethan!  . .         Im ew'gen Gnadenport!"

  (9)
  Ach! harr' ich nicht in Qualen
  Da ich dem Liebsten fern?
  Nur Lieb hab' ich zu zahlen,
  Die weih' ich Gott dem Herrn.                    .
  Mehr wird er nimmer fodern,                .           .
  der liebe Gott will nie,              .
  Daß Schmerzen uns durchlodern,                        .
  Da er nur Lust verlieh!          .   .    .    .    .

  (10)                                    (11)
  So auf der Nonne Klage                . Die schönste aller Nonnen
  Die kalte Aebtin schmollt,           .  Wie Fische stumm und kalt,
  Bis einst am frühen Tage            .   Versiegt die Stralenbronnen,
  Der Fröhner fischen sollt.         .    Und starr die Huldgestalt!
  Da zog er aus dem Teiche          .     Dem düstern Schmerz verfallen
  Gar selt'nen Fang ans Land,      .      Gab sie sich selbst den Tod -
  Weh! Bertha war's, die bleiche, .       So bleicht Bertha von Hallen
  Im dunkeln Chorgewand;      . .         Die holde Rose roth.

  (12)                                    (13)
  Und als die Trauerkunde               . Längst ist das Schloß zerfallen
  Herrn Kurt von Thal ereilt,          .  Wo Kurt von Thal gewohnt
  Schlug's ihm gar tiefe Wunde,       .   Und auch des Klosters Hallen
  Die nichts auf Erden heilt.        .    Hat nicht die Zeit geschont.
  Zu Akkons Wogenstrande            .     Das Schloß sieht man gebrochen
  Trug er des Herzens Noth,        .      Durch starke Feindeshand,
  Wohl in dem heil'gen Lande      .       Am Kloster ward gerochen
  Sucht er und fand den Tod.  . .         Gar viel durch wilden Brand.

  (14)                                    (15)
  Es schrecket sein Gemäuer             . Doch um den Klosterweiher
  Fortan kein fühlend Herz,            .  In Vollmondmitternach
  Den grimmen Nonnenschleier          .   Schleicht's oft im Nonnenschleier
  Bethränkt kein Liebesschmerz.      .    Mit Geistesschritten sacht.
  Was lang das Volk betrogen        .     Dann hört man's stöhnen, klagen,
  Wie Nebel schwand's vorbei,      .      In's Wasser rauscht ein Fall -
  Des Stiftes Nonnen zogen        .       Und alte Leute sagen:
  Froh in die Welt und frei.  . .         Dort stürzt Bertha von Hall!


  [Zuccalmaglio Vorzeit 1. Bd. S. 112-116]




Zuccalmaglio fügt (im Jahr 1837) noch folgende Bemerkungen und Zitate hinzu:

"Anmerk: Der ehemalige, freiadelige Rittersitz Thal (Haus Thal), jetzt ein Meierhof, erfreut sich in dem reizenden Aggerthale unterhalb Overrath einer romantischen Lage. Dort bei so vielen ehrwürdigen Zeugen der Vorzeit leben noch viele alte Sagen und dort erzählt man vorstehende Begebenheit, die auch in der Gegend von Gräfrath noch nicht verschollen ist.

Auch der heilige Mönch Cäsarius von Heisterbach, unser Musäus des dreizehnten Jahrhunderts erzählt in dem vierten Buche seiner Dialoge die Sage auf ähnliche Weise. Er läßt die Nonne zur Äbtissin sagen: [...] »Lasset mich in die Welt hinaus, sonst ersäufe ich mich in dem Weiher.« Und dort fand man sie eines Morgens ohne Leben.

Besser ging es nach seiner Erzählung einer eingesperrten Nonne, die um zu ihrem Bräutigam zu gelangen über die Mauer des Klosterzwingers sprang und ein Bein brach, worauf sie für immer von aller weltlichen Sehnsucht geheilt wurde, nicht aber von dem Beinbruche, denn sie starb an den Folgen. »Doch (sagt Cäsarius) es ist besser mit gebrochenen Beinen in das Himmelreich gelangen, als in des Satans Klauen fallen durch sündliche Freiheit.«"

[v. Zuccalmaglio 1. Bd. S. 116]



Quellen:
  • Rosenthal Bd. 1 (1973)
  • Schell (1922)
  • Zuccalmaglio ("Montanus"), Vorzeit 1. Bd. (1837), 2. Bd. (1839)

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