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Aus der Napoleonischen Zeit (1806-1813)

"Am 21. März 1806 wurde am Rathause zu Düsseldorf ein Schreiben (Kabinetts-Dekret) angeheftet, das die Stadt, ja das ganze Bergische Land in die größte Bestürzung versetzte. Der seitherige Landesfürst, der Kurfürst Maximilian Joseph, gab seinem Volke zu wissen, daß er das Herzogtum Berg an die Majestät des Kaisers Napoleon abtrete." [Lomberg, Bergische Geschichte, S. 190]

"Kaum hatte sich die überraschende Kunde verbreitet, als auch schon die französischen Kommissare ins Land rückten, um im Namen ihres Herrn an den öffentlichen Gebäuden die kaiserlichen Wappen anzuschlagen und die Besitzergreifung feierlichst auszurufen. Damit war das Schicksal des Landes für eine Reihe von Jahren entschieden; im Handumdrehen war es wieder unter französische Botmäßigkeit geraten, nachdem es sich kaum noch von den Schrecken der Revolutionskriege erholt hatte." [ebd.]


Napoleon Bonaparte
Napoleon Bonaparte
 

Der Grund für die Abtretung lag in den Kriegsereignissen des Jahres 1805: Napoleon hatte Österreich unterworfen und sich Tirol angeeignet.

Das weit entfernte Tirol besaß für Frankreich aber nur geringen Wert, und so übergab Napoleon es im Frühjahr 1806 an Bayern. Als Gegenleistung musste Bayern ihm dafür das Herzogtum Berg abtreten. Am 12. Juli 1806 erhob Napoleon das Herzogtum Berg zum Großherzogtum.

Die Auswirkungen auf das Leben der Bürger im Bergischen waren gravierend. Die Verwaltung wurde neu organisiert, neue Verwaltungsbezirke wurden eingerichtet. Die Provinzen hießen jetzt Departements, die Regierungsbezirke Arrondissements, die Kreise Cantone, die Bürgermeistereien Mairien. Die Staatsobrigkeit führte den Titel Municipalität, der Landrat hieß Präfekt, dessen Amtsgehilfe Adjunkt.

Auch Haan bildete damals eine eigene Mairie. Zum Maire von Haan wurde Johann Friedrich Schmachtenberg ernannt. Die Mairie Haan gehörte zum Canton Mettmann, dieser zum Arrondissement Elberfeld, dieses zum Departement Rhein.

Der alte bergische Taler mit seinen 60 Stübern wurde von französischen Francs und Centimes abgelöst. Viele Gesetze wurden geändert. Frondienste und Gesindezwang wurde aufgehoben, auch die Zehnten und Abgaben an die Rittergüter. Klöster und kirchliche Stiftungen wurden zu Gunsten des Fiskus säkularisiert. Aufgehoben wurde auch die Steuerfreiheit größerer Höfe, insbesondere der Adelshöfe; neue Steuern (wie Kaffee-, Tabak-, Salz-, Zuckersteuer) wurden erhoben, die bisherigen Steuern deutlich erhöht.

Die größte Last für das Land aber war die Aushebung der jungen Mannschaft zum Kriegsdienst. Napoleon dehnte seinen Herrschaftsbereich immer weiter aus. Seine Kriegszüge nach Italien, Spanien und Ägypten erforderten viel Geld, vor allem aber viele Soldaten. "So wurden Tausende von jungen Leuten ihrem Beruf entzogen und in die Kaserne verpflanzt, um nach kurzer Zeit auf die Schlachtfelder Europas geführt zu werden. Nur wenige kamen wieder von denen, die einmal ausgerückt waren." [Lomberg, Bergische Geschichte, S. 193]




Ein Remplassantenvertrag aus dem Jahr 1808

Die straffe französischen Verwaltung hatte in sog. Konskriptionslisten alle jungen Männer nach Geburtsjahrgängen registriert. Forderte die französische Armee wieder neue Rekruten an, so bestimmte das Los, wer aus dem jeweiligen Jahrgang Soldat werden musste. Von diesem Kriegsdienst konnte sich allerdings freikaufen, wer einen Ersatzmann stellte, einen Remplassanten. In dieser Zeit gab es viel Armut und wenig Brot, und so fanden sich oft junge Burschen, die sich für Geld - vielleicht manchmal auch aus Abenteuerlust - als Soldaten anwerben ließen.

Im Jahr 1808 schlossen sich zwölf besorgte Väter von Söhnen des Jahrgangs 1789 aus den Honschaften Millrath, Ellscheid, Gruiten, Obgruiten und Schöller zu einer Notgemeinschaft zusammen, um diese Möglichkeit zu nutzen. Sie bildeten eine Gemeinschaftskasse und verpflichteten sich, gemeinsam einen Ersatzmann zu "kaufen", falls einen ihrer Söhne das Los zur Einberufung treffen sollte. Die Höhe der Einzahlungsbeträge war unterschiedlich; sie richtete sich wohl nach den Vermögensverhältnissen der Beteiligten.

Dieser Remplassanten-Vertrag befindet sich im Besitz von Friedhelm Stöcker. Einer der Vertragspartner war sein Ur-Ur-Urgroßvater Gerhard Schlupkothen aus Gruiten, der seinen 1789 geborenen Sohn Adolph vor dem Kriegsdienst für Napoleon bewahren wollte. Der Vertrag wurde unter Federführung von Johann Friedrich Schmachtenberg, dem damaligen Maire in Haan, aufgesetzt und von ihm niedergeschrieben. 10 Punkte regeln detailliert die Verpflichtungen der Vertragspartner (sind allerdings - selbst in Druckschrift - etwas mühsam zu lesen):


Vertrag vom 13.11.1808 über eine Gemeinschaft
zum Freikauf dienstpflichtiger Söhne vom Armeedienst unter Napoleon. Munizipalität Haan

Da bereits die Konskriptions-Listen für das Jahr 1809, nämlich der Söhne, die vom 1. Jenner bis 31 Dezember 1789 geboren sind, eingesandt werden, so haben sich die in den Honschaften Millrath, Elscheidt, Gruitten, Opgruitten und Schöller wohnende Eltern in und zu Beistand des Herrn Direktors J. Fr. Schmachtenberg dahin vereinbaret wie folgt:

1.  Die endts unterzeichnete Eltern machen sich auf jeden Fall, wie sie sich mit den Konskriptionspflichtigen der übrigen zu dieser Munizipalität gehörigen drei Honschaften Haan vereinigen können, oder auch auf jeden ändern Fall, wie die Zeihung [Ziehung?] geschehen wird, verbindlich soviel Remplassanten [Ersatzleute] als bei der bevorstehenden Ziehung von ihren Söhne das Militär-Loß treffen wird, auf gemeinschaftliche Kosten anzukaufen;

sollte es aber geschehen können, daß man sich mit den 3 Honschaften Haan vereinigen könnte, die Remplassanten nach Anzahl der Konskribirten zu stellen, dann aber nur ihren Rato [Teil] von den Remplassanten zu kaufen.

2.  Jeder Konskribirter oder vielmehr dessen Eltern sind verbunden und belasten sich, alle mögliche Mühe anzuwenden, um Remplassanten aufzusuchen, und für so geringen Preiß als möglich zu kaufen.

3.  Um jeden in der Konskription Begriffenen zur Aufsuchung der Remplassanten aufzumuntern und zugleich von der Furcht, als könnte die erforderliche Anzahl nicht aufgetrieben werden, zu befreien, wird hiermit festgesetzt:

Jeder in der Konskription Begriffener, der einen zum Remplassanten bewilligt, erhält solchen, wenn die nötige Mannschaft im Gantzen nicht zusammen gebracht werden kann, zum Dienst für seinen Sohn; hat aber sein Sohn sich ins Reserve oder gar freigezogen, als-dann übernimmt er den Dienst desjenigen welcher das geringste Millitarloß gezogen hat, und noch mit keinem Remplassanten versehen ist; die Belohnungs-Gelder und Kosten werden jedoch aus gemeinschaftlicher Kasse bezahlt.

4.  Sollte es der Fall sein, daß die nötige Mannschaft im gantzen oder garkeine nicht könnte gekauft werden, und einer oder mehrere Konskribirten selbsten dienen müssten, so sollte jedem aus gemeinschaftlichem Kassa bei dem Antritt des Dienstes fünfzehn Rthr für Handgeld, und für die acht Dienst-Jahre, jedes Jahr zwei und sechzig und ein halben Reichsthaler, ziffre 62 Rthr. koursmäßigen Werths, als einen Zusatz zu demjenigen was er vom Regiments wegen erhält, ausbezahlt werden, doch aber von Zeit zu Zeit nicht mehr wie er verdient habe, und wenn er seine Dienstzeit nicht vollendet, daß er entweder mit Todt abgehen, oder wieder Verhoffen dissertiren würde, so cassiren von diesem Zeitpunkt an die Belohnungs-Gelder, doch aber solle dasjenige, was er bis an den Tag des Absterbens noch rückständig zugut hat, seinen Erben zufallen; es versteht sich dann von selbsten, daß ihm an den Belohnungs-Gelder sein hier unter bestimmter verschuldeter Rato abgekürtzt werden solle.

5.  Wenn in der Folge sich ergeben würde, daß ein Remplassant dissertirte und ein anderer dessen Stelle ersetzen müßte, oder daß einer aus dem Reserve sollte aufgefordert werden, so sind nach Art. 1 und 2 die Konskriptionspflichtige im Gantzen verbunden, in jedem Betracht die nötige Stellvertretter anzuschaffen, sollte aber aller ohngeachteter angewandter Mühe, solches gamicht geschehen können, so haben der oder diejenige Konskribirte, welche die Stelle ersetzen müssen, das Art. 4 bestimmte Handgeld und die Belohnungs-Gelder zu geniessen.

6.  Wird vereinbart und beschlossen, daß die Belohnungs-Gelder und die damit verbundenen Kosten nach folgenden Verhältniß sollen bezahlt werden, nämlich so oft wie zu zahlen erforderlich sind, hat darinnen beizutragen:

                         Rthr      Stbr
Wm. Heinr. Bünger        14        -
Wm. Heinr. Büscher       12        15
Peter Schulten           12        15
Herman Küpper            12        30
Gerhard Schlupkohten     12        15
Peter Lünenshlos         11        15
Wilhelm Koop              6        15
Jacob Hegenbruch          8        -
Heinr. Lungenstras        6        15
Tilman Stoht              5        -
Johann Heinr. vom Grafen  7        -
Wilhelm Gotfried Haart    5        -
    

7.  Jeder Konskribirter ist ebenso wie auch seine Eltern verbindlich den schuldigen Beitrag, jedes Vierteljahr, und zwaren auch in jedem benötigten Fall unverzüglich an den dazu beauftragten Kassirer Wilhelm Heinr. Bünger auszuzahlen, oder er muß sich gefallen lassen, daß solcher auf seine Kosten wird abgeholt werden, und wenn der Fall eintreten sollte, daß ein Konskribirter vor Verlauf der 8 Dienstjahre mit Todt abgehen würde, so haben seine Eltern oder Erben demohngeachtet doch die Beiträge die Dienstzeit hindurch zu entrichten.

8.  Nach Art. 2 ist jeder Konskribirter oder dessen Eltern verbunden, Remplassanten aufzusuchen; die Kosten, welche dabei verursacht werden, sollen jedem bei geschehener Ablieferung vergütet werden.

9.  Der Kassierer ist verpflichtet, die Art. 6 bestimmte Beiträge gegen Aushändigung der Quittungen in Empfang zu nehmen, und an ihre Behörde gegen Quittungen auszuzahlen, ferner über ein und anderes ein genaues Verzeichnis oder Buch zu führen, sodann solches jährlichs, bei Versammlung der Konskriptionspflichtigen offen und damit Rechnung abzulegen, für welche Bemühung werden ihm jährlichs vier Reichsthaler für Belohnung zuerkannt.

10.  Dem Kassirer werden die zwei Konskriptions-Deputirte Peter Lünenschlos und Peter Schulten beigesetzt, mit welchen er, oder auch mit Zuziehung der gesammten Konskriptionspflichtigen, die besondere Vorfälle berichtigen [berichten?] kann.

Daß wir diese unsere vorbeschriebene Vereinbahrung so wörtlich und pünktlich unverbrüchlich befolgen wollen, wird mit unsern eigenhändigen Unterschriften beglaubigt.

Gegeben und ausgefertigt zu Haan am 13.November 1808

Wm Heinr Bünger für mich und mein Sohn Wm. Ferdinand Bünger
Friedrich Büscher für mich und mein Vatter H. Büscher
Peter Schulten für mich und mein Vatter Peter Schulten
Joh. Peter Lunenshlos; Joh. Peter Lunenshlos
Joh. Adolf Schlupkoten für mich und mein Vatter Gerhard Schlupkoten
Wilm Peter Hegenbruch auch zugegen;
hat unterzeichnet mit X Jacob Hegenbruch
Tilman Stodt mit für Wm. Stodt
X Herman Küpper mit für Peter Küpper X
X Wilhelm Koop mit für sein Vatter
X Peter Lungenstras und Heinr. Lungenstras X
Joh. Heinrich von Grafen; Joh. Heinrich vom Grafen
Wilhelm Gottfried Haardt

      Schreibens unerfahren, so hat statt der unterschrift jeder
      mit beistehenden Creutz unterzeichnet.
      Bescheinigt
                  Joh. Friedrich Schmachtenberg

[Archiv Friedhelm Stöcker]


Der Fall Joseph Küpper

Aus einem ergänzenden Schriftstück zu diesem Vertrag geht hervor, dass Joseph Küpper, einer der Söhne der Vertragspartner, in die französische Armee eingetreten ist. Neben anderen Bezügen aus der Gemeinschaftskasse erhielt er ein erhöhtes Handgeld von 25 statt 15 Talern. Ob er freiwillig Soldat wurde, ist nicht überliefert. Der Wortlaut des Dokuments:


"Die obengenannten Beerbten und Eingesessenen versprechen ihm, Josep Küpper, bei seiner Aufnahme 25 Reißthaler für Handgeld, und die acht DienstJahre hindurch jedes Jahr 62 Rth und 30 Stbr korschmäßiges Wehrts ohne die mindeste Wiederrede. Von Kassierer W.H. Bünger als ein Zusatz zu demjenigen was er von Regiments wegen erhält, an seinen Vater W.H. Küpper bar auszahlen zu lassen, da er aber selbst zugschuldig ist, so wird ihm Vermög Vereinbarungs-Contrakt seinen Versprochenen beitrag nämlich jährlich 6 Rth und 15 Stbr abgekürzt werden."



Der Fall Adolph Schlupkothen

Friedhelm Stöcker besitzt noch eine Aufstellung über die Zahlungen des Gerhard Schlupkothen in die Gemeinschaftskasse. Auch wer das Geld entgegen genommen hat, wurde vermerkt. Die Zahlungen sind unterschiedlich hoch. Sie enden mit dem 1. November 1813, als Preußen und Russen in Verfolgung der französischen Armee ins Land kamen.

Wer von den Söhnen der Vertragspartner freigekauft werden konnte oder Soldat werden musste, darüber liegen - abgesehen von Joseph Küpper und Adolph Schlupkothen -, keine Dokumente vor.

Fest steht jedoch, dass Adolph Schlupkothen mit Napoleon in den Krieg nach Russland zog. Er war der Bruder von Elisabeth Margaretha Stöcker, geb. Schlupkothen, der Ur-Urgroßmutter Friedhelm Stöckers. Beim Rückzug der französischen Armee (1813) muss Adolph Schlupkothen in Deutschland die Fahne gewechselt haben und bei den preußischen Truppen Soldat geworden sein. Dies kann aus einem Schreiben geschlossen werden, das Bürgermeister Schmachtenberg am 24. August 1818 an Adolphs Vater, Gerhard Schlupkothen, richtete:


Nach einem Schreiben des Herren Major Schaper zu Thionville ist Ihr Sohn Adolf Schlupkoten in der Schlacht bei Ligny am 16.6.1815 vermißt worden. Das 29. Infanterie-Regiment, bei welchem der Schlupkoten gestanden, hat seit dem nicht das Mindeste von demselben erfahren. Ein Todtenschein kann unter diesen Umständen nicht ausgestellt werden, vielmehr muß es den Erben überlassen bleiben, den Vermißten öffentlich citiren zu lassen, und falls er sich binnen der gesetzlichen Frist nicht melden sollte, das Amortisations-Erkenntnis über ihn auszuwirken.

Haan, d. 24. August 1818

Der Bürgermeister Schmachtenberg
Brief Schmachtenberg

Die Schlacht bei Ligny in Belgien gewann Napoleon. Zwei Tage später wurde er bei Waterloo - nur wenige Kilometer von Ligny entfernt - vernichtend geschlagen.

Dass die Erben Schlupkothen mit den Zahlungen aus dem alten Remplassantenvertrag von 1808 im Rückstand waren, geht aus einem Schreiben aus dem Jahr 1819 hervor: Sie wurden vor Gericht geladen und aufgefordert, die ausstehenden 43 Reichstaler 15 Stüber zu zahlen. Aber offenbar ließ man sich Zeit. 1822 erinnerte der Landrat in Elberfeld erneut an diese Zahlungsverpflichtung aus dem bürgerlichen Vertrag. Zugleich lehnt er in diesem Schreiben vom 5. Februar 1822 einen Antrag der Erben Schlupkothen auf Unterstützungsgelder wegen des Soldatentodes des Adolph Schlupkothen ab:


"Den Geschwistern Schlupkothen wird auf ihre Eingabe vom 1. dieses Monats folgendes erwidert: Betreffend die dem Verstorbenen Adolph Schlupkothen zugedachten Unterstützungsgelder ad 10 Thaler ergibt sich aus einem bei den Kreisakten befindlichen Schreiben des Commandeurs vom 29. Infanterie Regiment vom 2. Dezember 1819, daß weil sich beim Regiment noch blessiert gewesene Soldaten befänden, welche bis dahin unberücksichtigt geblieben, und daher ein größeres Recht als die Geschwister Schlupkothen auf die bemerkte Unterstützungssumme haben, diesen Betrag ad 10 Thaler an den Regiments-Commandeur zurückgeschickt werden sollen, welche Zurücksendung auch am 9. Dezember 1819 erfolgt ist."



Der Fall Friedrich Bernhard Gelderblom

Der Freikauf durch Stellung eines Ersatzmannes funktionierte nicht immer. Das zeigt der Fall des Lehrers Friedrich Bernhard Gelderblom, der zunächst in Nümmen bei Gräfrath, später in Millrath unterrichtete. Dort war er auch Lehrer von Wilhelm Heinrich Stöcker, dem Urgroßvater Friedhelm Stöckers, und seiner Geschwister.

Gelderblom musste mit Napoleon nach Russland ziehen. Er zählte zu den Wenigen, denen der Rückzug über die Beresina noch rechtzeitig gelang. In Aufzeichnungen über sein Leben ist Folgendes vermerkt:

"Es war die von Napoleon, dem fremden Gewalthaber, für das Jahr 1811 angeordnete Konskription, die sich für den jungen Schulanwärter so verhängnisvoll erwies. Von der Aushebungskommission für tauglich befunden, wurde er sogleich in die Listen der Dienstpflichtigen eingetragen. Es war umsonst, daß sein Bruder ihm mit einem Opfer von tausend Talern einen Ersatzmann zu stellen versuchte. Das Angebot wurde zurückgewiesen, und er war gezwungen, dem fremden Eroberer den Eid der Treue zu schwören. Man schleppte ihn nach Joigni in der Bourgogne, wo er seine militärische Ausbildung erhielt. Als sich dann im Jahre 1812 wieder drohende Kriegswolken zusammenballten, war er mit der großen Armee nach Rußland gezogen." [Lomberg 1927 S. 245]

Das hinderte ihn aber offenbar nicht daran, sich nach seiner Rückkehr in die Heimat für Napoleon "eine gewisse Verehrung" zu bewahren. [Lomberg 1927 S. 243-248]



Wie es 1813 nach Napoleons Niederlage in Russland weiterging, beschreibt August Lomberg:

Aus Paris kam Anfang 1813 der Befehl zu einer neuen großen Aushebung. "Alle wehrfähigen jungen Leute sollten ins Heer eingestellt werden, um die großen Verluste, die Napoleon in Rußland erlitten, zu ersetzen. Diese neue Gewaltmaßregel, die wieder Tausenden Verderben und frühen Tod bringen mußte, erregte im Volke die größte Erbitterung. Die Werbeoffiziere stießen überall auf Haß und Widerstand."

500 unbewaffnete Wehrpflichtige aus Solingen und Wald versuchten am 29. Januar in Elberfeld einen Aufstand. Aus Düsseldorf hergesandte Lanzenreiter und Gendarmen gingen mit Waffengewalt gegen sie vor, es gab Tote und Verletzte, einige Teilnehmer wurden vors Kriegsgericht gestellt und erschossen.

Das Ende der Franzosenherrschaft begann sich nach der Völkerschlacht bei Leipzig abzuzeichnen. Für das Bergische Land begannen im Oktober 1813 Truppendurchmärsche und Einquartierungen in noch nicht dagewesenem Ausmaß. Am 9. November erschienen in Elberfeld die Kosaken auf ihren kleinen Pferdchen, bewaffnet mit Spieß, Säbel und Pistolen, von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt. Am 15.11.1813 war das gesamte Großherzogtum Berg in den Händen der Verbündeten.

Aber kaum war der provisorische General-Gouverneur an der Macht, schon erging am 29.11.1813 seine pathetische "Aufforderung an deutsche Jünglinge und Männer zum Kampfe für Deutschlands Freiheit", um diesmal nicht für fremde Unterjocher, sondern möglichst freiwillig und auf eigene Kosten für Volk und Vaterland zu sterben. [Scotti Nr. 3452, 3. Teil, S. 1519 ff]



Quellen:
  • Stöcker, Friedhelm: Bericht über einen Remplassantenvertrag aus dem Jahre 1808 und weitere dazugehörige Begebenheiten. Haan, Mai 1993
  • Lomberg (1922) (1927) (1928)
  • Scotti 3. Teil (1822)

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