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Wirtschaftskrisen und Inflation setzten immer wieder Auswanderungswellen in Gang mit Zielorten in Europa und seit Mitte des 18. Jh. auch in Nordamerika. Die Zahl der Auswanderer stieg zeitweise so stark an, dass sich die bergische Landesregierung zu Gegenmaßnahmen genötigt sah. Für das Klingenhandwerk sollte durch die Einführung des Verbleibungseides in die Privilegien der Bruderschaften das Gewerbe in Solingen bzw. im Bergischen Land gehalten werden.

Die Wirkung erscheint zumindest in Notzeiten zweifelhaft. In der Krise 1771/72 wies die herzogliche Hofkammer den Obervogt der Solinger Bruderschaften an, auf die Einhaltung des Verbleibungseides zu dringen. Auch wurde bei Strafe von 12 Reichstalern verboten, in Wirtshäusern und Gesellschaften das Thema der Auswanderung anzuschneiden. Aber durch die Not fühlten sich immer wieder Handwerker zu Übertretungen dieser Verbote gezwungen.

In den Krisenjahren 1794-1796 notierten einige überregionale Zeitungen eine Auswandererzahl von annähernd 1 000 Handwerkern, die aus dem Herzogtum Berg nach Nordamerika zogen, darunter 300 Metallarbeiter. Einzelabwanderer hingegen hat es immer gegeben. Nicht selten gingen sie außer Landes, um einer Strafverfolgung oder bereits entstandenen Straf- und Prozeßkosten zu entgehen. Beispiele dafür sind noch aus der jüngeren Vergangenheit bekannt.

Viele Solinger haben familiäre Bindungen ins Ausland, die teilweise ins 19.-17. Jh. zurückreichen.




Der Verbleibungseid Solinger Klingenhandwerker

"Ich schwöre zu Gott einen Eid, daß ich das Schmiede-, Härter- oder Schleifer-Handwerk an keinem anderen Orte als im Fürstenthum Berg oder soweit dasselbige in seinem Bezirk, brauchen, auch keinem anderen als so vom Handwerk ehelich geboren, lehren, so lange als wir von unserm Kurfürsten bei Handwerks-Privilegien geschützet werden."

So lautet der Verbleibungseid nach Hendrichs in seiner ältesten bekannten Form. Den zeitlichen Ursprung dieser Eidesformel vermutet er kurz nach 1609. [Hendrichs S. 123]

In früheren Jahrhunderten war Auswanderung für die Solinger Handwerker kein Thema. Ganz im Gegenteil - der leichte Zugang zu Grund und Boden und die günstigen Arbeitsbedingungen hatten eine von den Landesherren unterstützte Einwanderung fremder Handwerksgenossen zur Folge. So begannen die bisher offenen Bruderschaften, sich zur Absicherung ihrer Verdienstmöglichkeiten durch "Privilegien" gegen den Zuzug von außen zu geschlossenen Zünften abzuriegeln.

Aber "während 1401 die Ratleute eidlich verpflichtet wurden, die Arbeit gleichmäßig unter die Brüder zu verteilen, und alle Einzelheiten über den Ausschluß Fremder angegeben wurden, war mit keinem Wort von einer eidlichen Verpflichtung der Brüder die Rede, nur im Lande ihr Handwerk auszuüben. Auch alle späteren Privilegien einschließlich des 1571 erteilten, um 1596 erweiterten Meßmacherprivilegs, enthielten trotz der vielen anderen schärfer gewordenen Vorschriften noch keine derartige Verpflichtung." [Hendrichs S. 123]

1623 erscheint in dem erneuerten Privileg der Kreuz- und Knopfschmiede die folgende Verpflichtung zur Leistung des Verbleibungseides: »dabei gleichsam ein ieder bei seinem eid und Vermeidung hoher strafen anzugeloben, daß er berührts handwerk an keinen anderen ort oder platz dan allein in unserm amt Solingen oder in dem bezirk gebrauchen, noch iemand, so nicht in dieselbe Bruderschaft als obgedacht, gehörig wäre, lärnen«. [Hendrichs S. 123]

Zu dieser Zeit waren bereits Knaufschmiede bzw. Griffmacher in die Niederlande ausgewandert und machten den Solinger Handwerkern Konkurrenz.

Die erste Auswanderungswelle setzte sich in Gang als Folge des Dreißigjährigen Krieges, unter dem auch Solingen sehr gelitten hat: "Bereits 1636 mußte der damalige Landesherr Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm an den Kaiser berichten, daß "im Herzogtum Berg von der früheren Bevölkerung kaum noch ein Sechstel übrig sei." Nicht nur der Krieg, sondern auch mehrfach auftretende Seuchen hatten große Menschenopfer gekostet.

Das schwer geschädigte Solinger Schwert- und Messerhandwerk erlitt aber noch besonders fühlbare Einbußen durch die Auswanderung vieler Handwerksgenossen. In früheren Jahrhunderten dachte kein Solinger Handwerker ans Auswandern [...]. Die Auswanderung erfolgte während des ganzen 17. Jahrhunderts und setzte sich trotz des Erlasses verschärfter Bestimmungen und der Androhung immer strengerer Strafen im 18. Jahrhundert fort". [Hendrichs 1949 S. 25-27]




Verordnungen zur "Beförderung" und Verhinderung der Auswanderung

In der Sammlung der Gesetze und Verordnungen der Herzogtümer Jülich, Cleve und Berg von J. J. Scotti (1822) befinden sich einige Vorschriften zum Thema Auswanderung aus dem Bergischen Land: Je nach dem momentanen Erfordernis und den politischen Verhältnissen sollte sie gefördert oder unterbunden werden.


122. - Den 20. April 1584. - A.

Befehl zur wiederholten Publikation des vom König von Pohlen ergangenen den Beamten und Pfaffern mitgetheilten Freiheits-Briefes für die zur Einwanderung nach Pohlen lusttragenden Personen, nebst Weisung den diesseitigen Unterthanen, auf ihr Verlangen über alle desfallsige Umstände Erläuterung zu ertheilen und das Resultat berichtlich anzuzeigen.
[Scotti 1. Teil, S. 55]



1945. - Den 17. April 1764. - A.

Die Emissarien, welche die churfürstl. Unterthanen durch Geld, List, oder sonstige Versprechungen zur Auswanderung in fremde Staaten reitzen oder verführen, sollen im Betretungsfall verhaftet werden, und nicht nur den Verlust ihres Haab und Gutes, sondern auch Leibes- und Lebensstrafe zu gewärtigen haben.
[Scotti 1. Teil, S. 538]



2603. - Den 27. Oct. 1801. - A.H.P.

Zur Erschwerung der Auswanderungen nach den kaiserl. königl. österreichischen Erbstaaten soll von allen dahin gerichteten Vermögens-Exportationen 10 p. %. Abfahrt und 3 p. %. Emigrations-Taxe entrichtet werden. Bei vernachlässigter Nachsuchung der Auswanderungs-Erlaubnis soll die Vermögens-Confiscation unnachsichtig eintreten. Die gegenwärtige Bestimmung soll auch auf das weibliche Geschlecht ausgedehnt werden.
Bemerk. Am 17. Febr. 1804 ist die Anwendung dieser Vorschrift auf das weibliche Geschlecht zurückgenommen worden.
[Scotti 2. Teil, S. 827]



2668. - Den 5. Nov. 1802. - A.

Die Einsendung vierteljähriger Nachweisen der Aus- und Einwanderungs- (Emigrations-) und Vermögens-Ex- oder Importations-Fälle, ohne Rücksicht, ob mit den betreffenden Staaten Freizügigkeitsverträge bestehen oder nicht, wird den Beamten streng befohlen.
[Scotti 2. Teil, S. 876]



2711. - Den 27. Aug. 1803. - A.

Die Landes-Direction hat mit gerechtem Unwillen vernommen, daß einige von den Bergischen Fabrikanten bey Verpflanzung verschiedener Zweige ihrer Fabriken ins Ausland ungeachtet der bestehenden Verbothe sich nicht entblödet haben, ihre Arbeiter zu verleiten und ausser Lands zu ziehen, auf diese Weise die Auswanderung zu befördern, und sich eines höchststrafbaren Verbrechens am Vaterlande schuldig zu machen.
Indem nun die Landes-Direction die wegend es Debauchirens der Fabrik-Arbeiter bestehenden Verbothe hiermit erneuert, verordnet sie zugleich, daß derjenige, welcher sich in Zukunft eines solchen Verbrechens theilhaftig macht, ohne Rücksicht der Person mit einer unerläßlichen nach Umständen von 1 bis 12 Jahre zu bestimmenden Zuchthaus-Strafe, nebst einer nach dem Vermögen zu bemessenden Geldstrafe, beleget werden soll. ec. (Conf. Nro. 2786)
[Scotti 2. Teil, S. 900]



2748. - Den 23. März 1804. - A.H.P.

Gegen die französische Republik soll unbedingt Freizügigkeit der Personen und des Vermögens stattfinden. - Allen Auswandernden überhaupt wird jedoch die desfallsigen vorläufige Anzeige zur Pflicht gemacht.
[Scotti 2. Teil, S. 927]



2786. - Den 23. Novbr. 1804. - A.

Als Nachtrag und Erläuterung der unter Nro. 2711. gegen die Verleiter der Fabrikarbeiter erlassenen Strafbestimmungen wird verordnet: daß alle dergleichen Personen, welche mündlich oder schriftlich, mittelbar oder unmittelbar, auf irgend einem Wege hiesige Fabrik-Arbeiter zu der Auswanderung zu verleiten sich unterfangen, und über einem solchen Versuch ergriffen werden, eben so, als wenn sie ihren Zweck erreicht, und demnach die Auswanderung von dergleichen Arbeitern wirklich bewirkt hätten, nach dem Inhalt der gedachten Verordnung von dem 23. August v.J., in Verhältniß mit der Größe ihres Vergehens zu bestrafen sind.
[Scotti 2. Teil, S. 945]



2787. - Den 27. Novbr. 1804. - A.H.P.

Mit Bezugnahme der frühern Bestimmungen in Betreff der Aus- und Einwanderungen, wie auch der Vermögens-Ex- und Importationen für das Herzogthum Berg, wird zur künftigen, allgemeinen Richtschnur Folgendes festgesetzt:

Die Auswanderung ist in der Regel jedem gestattet, in so fern die Handelsverhältnisse des Herzogthums Berg derselben nicht im Wege stehen, jeder ist daher zur vorläufigen Anzeige der beabsichtigten Auswanderung verpflichtet. Die Vermögens-Exportation in diejenigen Staaten, mit welchen Freizügigkeitsverträge bestehen, ist ganz von Abgaben befreit, von allen Exportationen in andere Staaten, mit denen die Freizügigkeit nicht vertragen ist, sie mögen durch Emigration, Schenkung, Heirath, Erbschaft ec. geschehen, müssen 10 prct. Abschoßgebühren entrichtet werden.

Jeder dieser personal oder real Emigrationsfälle, desgleichen die Einwanderungen und Vermögensimportationen müssen den Lokalbehörden, zur Wahrnehmung des landesherrlichen Interesses und zur Aufnahme der desfallsigen statistischen Notizen, angezeigt werden.
[Scotti 2. Teil, S. 946]



Quellen:
  • Hendrichs (1933)
  • Hendrichs (1949)
  • Malunat (1990)
  • Scotti (1821 und 1822)

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