www.ZeitSpurenSuche.de

Auswanderung nach England

"Es ist uns noch ein gemeinsamer Erlaß vom Kurfürsten Ernst von Brandenburg und vom Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm aus dem Jahre 1615 überliefert, worin die Solinger Handwerker ermächtigt werden, die nach England entwichenen Handwerksbrüder zu verfolgen und zur Bestrafung zu bringen, weil diese nicht allein in England zum Nachteil Solingens arbeiten, sondern auch andere Solinger schriftlich aufreizen und herüber zu locken versuchen." [Hendrichs 1933 S. 123]

Im 16., 17. und 18. Jh. verlor Solingen viele gute Handwerker durch Auswanderung nach England. Zahlreiche Solinger siedelten sich in London, Durham, Greenwich und Newcastle on Tyne an, um 1690 in Shotley Bridge in Consett, Grafschaft Durham. Viele ließen ihre Familien nachkommen und versuchten, weitere Handwerksbrüder nachzuziehen.

"Allein aus dem Jahre 1688 werden zwanzig Solinger Schwerthersteller namentlich aufgeführt, die sich in der Nähe von Sheffield niedergelassen hatten." [Beermann S. 61] Das Gericht in Solingen befasste sich damals mit der Angelegenheit der Handwerksbrüder, die gegen ihren Verbleibungseid verstoßen hatten: Dieser verbot eine Ausübung des Gewerbes an einem anderen Ort.

Den im folgenden zitierten Auszug aus der Abschrift des Gerichtsbeschlusses vom 26. September 1688 fand Hans Brangs im historischen Archiv der Stadt Köln, das sich damals noch Am Gereonskloster befand und später in dem am 03.03.2009 eingestürzten Archivhaus an der Kölner Severinstraße.


"Wir, Wilhelm Vaßmann, Richter des Amtes Solingen [ab 1679], Matheus Wundes, Wilhelm Dinger, Wilhelm Voß, Johann Ganßland, Peter Voeß, fort sämtliche Schöffen Stadt und Kirspels Solingen", so heißt es einleitend in der Gerichtsurkunde, geben am Landgericht klagend zu erkennen, daß Clemens Hohemann "vor etwann Jahresfrist etliche aus hiesigem Amt eingeseßene und verbundene Handwercks-Leuthe in das Königreich Engelland verführet, auch noch mehr heduciren aufgewickelt (= aufgewiegelt) habe und da das Vorgefallene kundbar geworden und als höchststrafbar erkannt worden sei, werde er, Clemens Hohemann als einen strafbaren Seductoren (= Verführer) allhir criminaliter angeklagt" samt den übrigen "allhir verstrickten Personen". Diese waren:

      Hermanus Moll, Abraham Moll, Johannes Clauberg,
      Clemens Sohn zu Widdert, Clemens Knechtgen, Peter Theegarden,
      Joannes Voes, Vürckelt, Joannes Voes, Adolph Kratz,
      Joann Wupper zu Feld, Henrich Wupper, Theiß Sohn, Joannes Wupper,
      Joannes Sohn zu Heßen, Arnd Wupper, Henrich Keuler,
      Adam Ohligs Sohn, Joannes Hartkop, Engel Schimmelbusch,
      Peter Kayser, Peters Sohn.

[Brangs 1956]

Neun der "Englandfahrer" waren Mitglieder der Schwertschmiedebruderschaft (Hartcop, Kayser, Keuler, Ohlig, Schimmelbusch und Wupper). - Die Solinger Handwerker sollen nach Sheffield versetzt worden sein, nachdem in Consett keine Schwerter mehr hergestellt wurden. [Brangs 1956]

Die Sheffielder Industrie entwickelte sich so gut, dass sie nicht nur keine Messerwaren mehr einführte, sondern selbst mit der Ausfuhr begann. Als Sheffield im 18. Jh. mit der schwarzen Stahlpolitur, dem Silberplattieren und dem Tiegelgussstahl hervortrat, war die englische Industrie zu einem gefährlichen Konkurrenten Solingens geworden.

Robert Hinchcliffe hatte die Schwarzpolitur, die bald Allgemeingut der Sheffielder Industrie wurde, 1760 in Sheffield erfunden. Damit gelangte England im Hinblick auf das Aussehen der Stahlwaren an die Spitze vor die Solinger Industrie. Erst 1801 erfand ein Solinger, Daniel Peres, eine "Art" des Schwarzpolierens mittels Polierrot, das später generell von der Solinger Industrie genutzt wurde. [Beermann S. 67 u. 70 f]

  Über die Situation der Schleifer in Sheffield - vielleicht waren noch Nachfahren der Solinger darunter - hat Friedrich Engels 1844/45 geschrieben.

"1896 starb der letzte Nachkomme der Solinger Waffenschmiede in Shotley Bridge, Joseph Oley" [Schneider], dessen Vorfahren noch Ohlig geheißen hatten.

Die Stahlindustrie zählt auch heute zu den größten Arbeitgebern der Stadt Sheffield. Hergestellt werden Messer, edle Bestecke und Silberwaren.



Quellen:
  • Beermann (1993)
  • Brangs, Hans: Auswanderung Solinger Schwerthandwerker in die Grafschaft Durham. Die Heimat 03/1956
  • Brangs, Hans: "Deren Namen an den Galgen geschlagen". Abwerbung von Solinger Klingenhandwerkern ins Elsaß. Die Heimat 12/1957
  • Schneider, Hans Joachim, Solinger Tageblatt vom 14.02.2011

Einführung      nach oben      weiter

www.zeitspurensuche.de   Copyright © 2003-2011 Marina Alice Mutz