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Vom Gerichtswesen im alten Haan und Umgebung.
Auszüge aus interessanten Gerichtsakten
aus dem 15.-19. Jahrhundert

Friedhelm Stöcker hat sich auch mit dem Gerichtswesen im alten Haan und seiner Umgebung beschäftigt. Die alten Gerichtsakten, die er in seinen Familiendokumenten und in den Archiven gefunden hat, werfen ein interessantes Licht auf die Verhältnisse von Recht und Ordnung in den vergangenen Jahrhunderten. Wie es scheint, nahm man die Gerichte gern in Anspruch. - Hier ist der Bericht aus dem Jahr 1992 - mit handfesten Fallbeispielen aus alter Zeit.


Haan, Alter Kirchplatz  
Vor 1972
Haan, Alter Kirchplatz
Links das frühere Hofesgericht,
rechts die alte Stadtbibliothek.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Haan



Zur Gerichtsbarkeit in Haan-Hilden

Von Friedhelm Stöcker

Der erste urkundliche Nachweis eines Hofesgerichts [d.h. eines grundherrlichen Gerichts] im Raum Haan stammt aus dem Jahr 1380: Als Gerhard Kraft von Elverfeldt seine 1372 vom Bistum Köln zu Lehen erhaltenen Gerichtsrechte an den Grafen von Berg verpfändete, wurden seine Höfe und Hofesgerichte zu Hilden und Haan ausdrücklich von dieser Verpfändung ausgenommen. Noch früher werden bei den Hofesgerichten in Zons die Schöffen von Hilden und Haan erwähnt.

A. Schneider schreibt in seiner "Geschichte von Hilden und Haan", dass die Grafen von Berg im 12. Jh. die Vogteirechte von Hilden erhielten. Dazu gehörte wahrscheinlich auch Haan. Damit fiel ihnen die Aufsicht über das Gerichtswesen zu. Vorsitzender am Gericht war zu jener Zeit der Schultheiß, dem sieben Schöffen zur Seite standen. Das Gericht hatte recht weitgehende Befugnisse. Selbst Todesurteile wurden ausgesprochen und vollstreckt.

In fast jedem größeren Kirchspiel gab es ein Gericht der untersten Instanz. Darüber standen die Amtsgerichte, die alle zum Amt gehörenden Gerichte umfassten. Hilden-Haan war dem Amt Solingen zugeordnet, das für die Hofesgerichte in Solingen, Wald, Gräfrath, Hilden-Haan und die "Vier Kapellen" mit Sitz in Gräfrath zuständig war.


"Gräfrath war schon seit dem frühen 15. Jahrhundert Sitz des 'Landgerichtes der Vierkapellen', ein Name, der schon 1428 nachweisbar ist; aber im allgemeinen wurde es als das Landgericht Gräfrath bezeichnet. Bei den Vierkapellen handelte es sich um die vier kleinen Kirchspiele Sonnborn, Gruiten, Düssel und Schöller, die einen gemeinsamen Gerichtsbezirk bildeten. Dieses Gericht gehörte bereits in den Anfangszeiten der Ämtereinteilung zum Amte Solingen, wurde aber 1356 in Sonnborn gehalten, ... ... 1453 aber wird das Gericht als Landgericht Gräfrath bezeichnet, und so auch vielfach in den folgenden Jahrhunderten." [Rosenthal 1. Bd. S. 126]


Zum Hilden-Haaner Gerichtsbezirk gehörten die drei Hildener Honschaften und die mittlere und untere Honschaft von Haan. Die oberste Haaner Honschaft war mit Zustimmung des Erzstiftes Köln zum einen Teil - mit der Wibbeltrather Honschaft - dem Gericht in Wald und mit dem anderen Teil - der Krutscheider Honschaft - dem Gericht der "Vier Kapellen" in Gräfrath zugeteilt worden.

Am Hildener Gericht fand drei Mal jährlich ein "ungebotenes Gedinge" (oder "ungebotenes Ding") statt, d. s. Gerichtstagungen zu bestimmten Terminen, zu denen nicht besonders geladen zu werden brauchte:

-   am Samstag nach Dreikönigstag (6. Januar),
-   am Samstag nach der Kölnischen Gottestracht und
-   am Samstag nach Maria Himmelfahrt.

In Haan wurde im 16. Jh. meist am zweiten Sonntag nach Ostern (Misericordias Domini, "Die Barmherzigkeit des Herrn") Gericht gehalten. Weitere eventuell erforderliche Gerichtstage wurden von den Kanzeln herab bekannt gegeben. Dabei ging es nicht nur um Straftaten im engeren Sinn. Abgeurteilt wurde auch die Nichtbeachtung verschiedenster obrigkeitlicher Anordnungen, Vergehen im Zusammenhang mit dem Münzwesen, mit der Einhaltung von Maßen und Gewichten, mit den Brotpreisen, mit dem Zoll...

Die Gerichte wurden aber auch bei privaten Angelegenheiten als Genehmigungsbehörde tätig. Dabei ging es beispielsweise um Kaufverträge, Verzichtverträge (bei Erbauseinandersetzungen), Testamente, Erbbescheinigungen, Obligationen (Hypotheken), Versteigerungen und Vormundschafts-Angelegenheiten. Da der Erzbischof Landesherr war, der Graf von Berg aber Lehnsherr, bezog der von den gewählten Schultheißen und Schöffen abzulegende Eid beide Herrschaften ein:

 

"Ich gelobe und schwöre zu Gott, Ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht zu Köln als Grund- und Lehensherren, sodann dem wohlgebornen Freiherrn N.N., dem Herrn zur Horst und Lehensherr von Hilden und Haan, getreu und hold zu sein, deren Bestes zu werben und Ärgstes zu verhüten, das Weistum [= Aufzeichnung der hergebrachten Rechtsverhältnisse] in allen Punkten und Klauseln zu halten und alles zu tun und zu lassen, was getreuen Hofes- und Lehensleuten ziemt, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium."

 


Die Weistümer

Genauere Angaben über die hiesigen Gerichtsverhältnisse macht das Weistum von 1386, außerdem die Weistümer von 1443, 1505 und 1578.

Diese Weistümer waren die Ergebnisse der gerichtlichen Befragungen der Schultheißen, Schöffen und Alteingesessenen über die seit jeher bestehenden Rechte der Landes- und Lehnsherren und über die Pflichten der Untertanen.

Im Lauf der Jahrhunderte entstanden über die Rechtsansprüche der Landesherren (Kurköln) und der Lehensherren (die Grafen von Berg und deren Vögte) trotz dieser schriftlich fixierten Weistümer häufig Streitigkeiten. Die zahlreichen Einigungsversuche unter neutralen Schiedsrichtern blieben meist ergebnislos.


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Aus alten Gerichtsakten


1. Die beschlagnahmten Pferde (1488)

Der älteste mir bekannte Haaner Gerichtsstreitfall trug sich im Jahr 1488 zu.

Der Frowin von Holthausen beschwerte sich beim erzbischöflichen Rat Peter von Unkel, der zugleich kölnischer Amtmann von Hilden und Haan war, dass er jämmerlich und unschuldig ruiniert worden sei: Auf kölnischem Grund (erzbischöflich) seien ihm von dem (bergischen) Boten von Wald, Klevesattel mit Namen, seine drei Pferde weggenommen und zum Wirt Johann Beitel nach Gräfrath gebracht worden. Der Grund: Angeblich habe er für eines der drei Pferde nicht den Beweis erbringen können, dass es rechtmäßig gekauft sei. Er wurde also beschuldigt, ein Pferd gestohlen zu haben.

Daraufhin richtete der Erzbischof Hermann von Köln eine Beschwerde an den Landdrost [= Truchsess, oberster Beamter der herzoglich-bergischen Verwaltung] von Nesselrode, Herrn zum Stein, und bat um Rückgabe der Pferde. Offenbar half das aber nicht.

Fünf Wochen später ersuchte der Erzbischof den Herzog Wilhelm von Jülich-Berg, seinem Untertanen Frowin von Holthausen die ihm widerrechtlich abgenommenen drei Pferde zurückzugeben. Dieser könne durch Bescheinigung des Landgrafen Wilhelm von Hessen sowie vom Amtmann der Stadt Borken nachweisen, dass das angeblich von ihm gestohlene Pferd dort bezahlt worden sei. Sein Untertan sei bereit, sich dem Schöffenurteil in Hilden zu unterwerfen.

Wie die Schöffen entschieden haben und ob Frowin von Holthausen seine Rösser zurück bekommen hat, ist nicht bekannt.




2. Zwei Zeugenvernehmungen zum Hilden-Haaner Lehen
(1602 und 1640)

1602 fand eine Zeugenbefragung beim Reichskammergericht zum Streit "Schenk contra Galen" statt. Es ging um die Lehensrechte innerhalb der Familie Schenk auf Haus Horst über das Hilden-Haaner Lehen [N.B.4].
Aus Haan wurden als Zeugen befragt:
Wilhelm am Valder zu Haan, Schultheiß zu Hilden und Haan;
Hilger vom Heidelberg zum Diek in Haan, Scheffe des Landgerichts Hilden und Haan;
Adolf auf dem Tenger zu Haan, Scheffe des Landgerichts Hilden und Haan.

Vom 15. September 1640 existiert eine weitere Urkunde über eine gerichtliche Zeugenvernehmung. Es ging um die Pflichten Hildener und Haaner Hofesleute zur Entrichtung von Fahrzins an den Unterlehensherr auf Haus Horst (Hilden).

  Fahrzins von "Gefahr" = Verzugszinsen; Abgabe, die sich bei nicht pünktlicher Zahlung an jedem Tag verdoppelt.

Folgende Fragen wurden gestellt:

 
Frage 1: Ist es wahr, dass die Bewohner von Hilden und Haan jährlich Fahrzins und Hühner an den Unterlehensherr geliefert haben?
Frage 2: Ist es wahr, dass wenn die Zahlung nicht pünklich vor Sonnenuntergang bezahlt würde, sich der Zins jeden weiteren Tag verdoppele, also 2 - 4 - 8 - 16-fach usw.?
Frage 3: Ist es wahr, dass dies seit Menschengedenken, also 30, 50 und 100 Jahre üblich sei?
Frage 4: Ist es wahr, dass den Zeugen dies bekannt und von den Vorfahren so gehalten sei?
 

Dazu wurden drei Zeugen befragt:
-   Henrich am Struch,
-   Johan uf den Stocken (Haan),
-   Lutger in Nieden.

Alle drei Zeugen bejahten die vier Fragen und bestätigten, dass tatsächlich sehr hohe Strafgelder gezahlt wurden: Wilhelm uf den Stocken hatte 100 Goldgulden zu zahlen. Henrich zu Hugenpoth in Haan war 3 Albus 3 Heller schuldig gewesen, hatte aber die 3 Heller nicht bezahlt. Das wurde noch teurer: Er musste zur Strafe 16 Reichstaler und 16 Quarter Butter zahlen. Die Obrigkeit war also nicht zimperlich beim Verhängen und Eintreiben von Strafen.



Unten Schasiepen 8/9
Unten-Schasiepen
Bild-Quelle: Stadtarchiv Haan


3. Streit um die Kurmutsabgabe von Unten-Schasiepen
(1619 bis 1632)

Über 13 Jahre - von 1619 bis 1632 - zog sich ein Prozess zwischen Frowin auf dem Hof Schasiepen und Trein (Katharina) auf dem Hof Unten-Schasiepen hin, möglicherweise auch bedingt durch die Wirren des dreißigjährigen Krieges. Bei dem Streit ging es um die Kurmutsabgabe des Hofes Unten-Schasiepen (einem Abspliss des oberen Gutes).

  Kurmede, Kurmut = grundherrliche Abgabe des besten "Stücks Vieh" (bei Frauen des besten Kleides) beim Tod des Grundherrn oder des abhängigen Bauern. Später in Geldabgabe verwandelt. Auch Besthaupt genannt.

Diese Abgabe stand nicht wie die von Schasiepen und den anderen Haaner Höfen dem Junker Schenk von Nideggen auf Haus Horst zu, sondern dem Junker von Hall zu Gruiten. Die streitenden Parteien wandten sich zunächst an das Hofgericht zu Haan im Amt Solingen. Dessen Urteilsspruch lautete:

2/3 der Abgaben muss Frowin zahlen, 1/3 Trein.

Frowin erkannte diesen Spruch nicht an und wandte sich an das Haupthofesgericht in Rath. Ein dort versuchter Vergleich scheiterte, und der Junker von Hall erhielt 10 Jahre lang die ihm zustehenden Abgaben nicht. Um doch noch zu seinem Recht zukommen, ließ der Junker schließlich durch den Lehnhof in Gruiten beiden Parteien die Lehensrechte aberkennen. Eine neue Belehnung sollte die Streitenden zu einem Vergleich zwingen. Beide blieben jedoch starrköpfig.

1632 brechen die Aufzeichnungen ab; der Ausgang des Prozesses ist nicht verzeichnet. [Familiengeschichte Schasiepen 1967]




4. Einführung von Lagerbüchern (1704)

Eine neue Aufgabe kam 1704 auf die Gerichte zu. Am 20. September 1704 wurde zu Cöln an der Spree ein königlich-preußisches Dekret [= behördliche Verordnung, richterliche Verfügung] erlassen, wonach zur Sicherung der Eigentumsrechte der Besitzer und der Prioritätsrechte der hypothekarischen Gläubiger Lagerbücher anzulegen seien. Darin sollten die Besitzverhältnisse und hypothekarischen Veränderungen laufend fortgeschrieben werden. Geführt wurden diese Lagerbücher bei den örtlichen Justizverwaltungen. Sie sind die Vorgänger der heutigen Grundbücher. [Scotti Cleve Nr. 538]

Die Neuregelung galt damals für den preußischen Landesteil, also für Kleve, Mark und Ravensberg. Ob sie zur gleichen Zeit auch in Jülich-Berg eingeführt wurde, ist mir nicht bekannt.




5. Einführung von Güteverträgen (1717)

Die Streitlust muss auch zu jener Zeit recht ausgeprägt gewesen sein, denn 1717 folgt ein weiteres königliches Edikt [= amtlicher Erlass].

Danach musste zur Abkürzung der Prozesse und zur Verminderung der Streitsucht nun jedes Mal vor Aufnahme eines Prozesses ein Güteversuch unternommen werden [Scotti Cleve Nr. 756]. So wurden in der Folgezeit zahlreiche Streitigkeiten durch Verträge beigelegt, ohne dass ein Gericht bemüht wurde. Nachbarn und andere angesehene Zeugen unterschrieben die detailliert aufgeführten Punkte des Einigungsvertrages, der dann meist auch bei Gericht hinterlegt wurde. Es gibt mehrere solche Verträge in den hiesigen Archiven.



Mahnert Mühle
Mahnert Mühle

6. Wasser- und Wegerechte an der Mahnert (1706 und 1743)

In den Jahren 1706 und 1743 gab es an der Mahnert Streit um Wasser- und Wegerechte. Die Gerichtsakten darüber liegen im Staatsarchiv Düsseldorf.

1706 wurde bestimmt, dass Wilhelm auf der Mahnert von der obersten Mahnert (zu der auch die Mahnert Mühle gehört) die Ableitung des Wassers gestatten muss, das zur Bewässerung der Wiese des Johann auf der tüschersten [= mittleren] Mahnert erforderlich ist.

Auch darf der Johann Erde aus dem Mühlenteich abfahren, wenn der Wilhelm den Mühlenteich säubert. Dazu muss der Wilhelm dem Johann gestatten, seine Wege durch Feld und Garten zu benutzen und die Wege und dazu gehörenden Tore in Ordnung zu halten. Wilhelm auf der Mahnert, der Mühlenbesitzer, war "des Schreibens unerfahren"; daher haben als Zeugen unterzeichnet

-   Jacob Elscheidt,
-   Peter Hak in der Elp,
-   Wilhelmes Elscheidt,
-   Peter zu Unten-Klopen [= Klophausen].

1743 gab es wiederum Meinungsverschiedenheiten. Nun klagten - in der nächsten bzw. übernächsten Generation - die Vormünder Conrad Bick und Arnold Buschenhäußgen gegen Dierich an der Mahnertermühlen und dessen Vormund Butzmühlen für ihr Mündel Elscheidt von der mittleren Mahnert das vorenthaltene Wasserrecht ein.

Der Verwalter des Richteramtes Mettmann, Herr Hofrath von Heunisch, lud am 1. Juli 1743 Kläger und Beklagte sowie die Schöffen Schuttes und Hoff zum Ortstermin am 6. Juli nachmittags um 3 Uhr. Der eigentlich vorgesehene Vergleich zwischen den beiden dickköpfigen Vormündern kam nicht zustande. Acht Tage später sollte daher das Urteil gesprochen werden, über das wir leider wieder im Unklaren gelassen werden. Es war in den Akten des Staatsarchivs nicht zu finden.




7. Verträge zum Familien- und Erbrecht (1722 und 1732)

Die Gerichte überwachten auch das Familien- und Erbrecht. 1722 forderte das Gericht die Eheleute Holthausen vom Nachbarhof in der mittleren Elp auf, Vormünder über ihre minderjährigen Kinder zu benennen. Der Nachbar Gordt Holthausen war verwitwet und hatte im Jahr zuvor die ebenfalls verwitwete Catharina Elscheid geb. Rasch geheiratet, die auf unserer Hofhälfte Rasch-Elp wohnte. In ihrem Ehevertrag heißt es einleitend:

 

"Wann also durch Gottes Fürsehung und sonderbarer Schickung zu seines Herren Namen Ehre zur Vermehrung der Freundschaften, ehelicher Beiwohnung und Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts, zwischen dem ehr- und achtbaren Gördten Holthaußen in der Elp Witwer und der ehr- und tugendsamen Catharina Rasch, des weiland ehr- und achtbaren Wilhelm Elscheid hinterlassene Wittib, einen christlichen Eheverlöbnisvorgang und darüber an heutigem dato in Gegenwart derselben respect. Kindern, Geschwistern und Freunden eine freundliche Eheberedung gehalten."

 

Da beide Partner unmündige Kinder hatten, mussten sie dem Gericht Vormünder für sie benennen, die im Erbfall die Ansprüche der Kinder vertreten sollten. Im Ehevertrag ist detailliert festgelegt, was jedes Kind an Geld, Aussteuer und Ausbildung bekommen soll - ein sehr interessantes Dokument. Dazu gibt es eine genaue Bestandsaufnahme des vorhandenen Inventars und seines Verbleibs. Sie wurde zwei Wochen nach der gerichtlichen Aufforderung mit der Benennung der Vormünder dem Gericht eingereicht. Unterschrieben waren diese Aufzeichnungen von beiden Parteien und den Schöffen.

Ein weiterer Fall:

Mit Datum 7. Januar 1732 erhielt das Gericht in Hilden eine "Erklärung Expre beyder Eheleuten Johannen Adolfen Holthaußen und Margarethe Boll Unmündige betreffend". Der Vertrag ähnelt dem vorhergehenden; die Voraussetzungen sind die gleichen. Er beginnt:

 

"Nach deme zwaren den 14. 7 bris [= September] jüngst zu Hahn [= Haan] ad protocollum judiciale von uns unterschriebenen Eheleuten die Protestation und Reservation gebracht worden, daß mit unseren Kindern auß erster Ehe beyderseiths wegen der Erbschaft es nach Landesrechten gehalten haben wolten, wobey es auch bis dato, (weilen man mit den Vormündern nicht in eine Verständnuß kommen können) geblieben, jedoch weilen die elterliche Liebe gegen ihre Kinder sich nicht bergen laßet und daher wir Eheleuthe freywillig bewogen worden, unter uns eine Erklärung zu thuen als wollen wir und erklären uns hiemit zum Besten und Nutzen obgem. Kinder: ..."

 

Es folgt wieder eine sehr genaue Aufstellung aller Immobilien und Gelder mit Anweisungen, wie diese wem zugeteilt werden und wie sonst alles geregelt werden soll. Über die Versorgung und die Erbteile der Kinder aus den beiden vorherigen Ehen gab es in der Folgezeit (1730-48) eine Reihe gerichtlicher Auseinandersetzungen mit den Vormündern dieser Kinder. Davon zeugt eine besonders dicke Akte.




8. Das Eheversprechen der Margaretha Boll (1730)

1730 war die schon in Fall 7 erwähnte Margaretha Boll Beklagte in einem Prozess. Ihr Mann, Johann Wilhelm Thienhauß, war verstorben, und sie wollte sich wieder verheiraten. Gegenstand des Prozess war ein angeblich gegebenes Eheversprechen. Darüber gibt es eine umfangreiche Akte mit Klage, Erwiderungen, Gegenklage und recht ausführliche Zeugenvernehmungen.

Henrich Ludwig Ürckhaus aus Urdenbach klagte gegen die Witwe Margaretha Thienhauß geb. Boll auf Einhaltung eines Eheversprechens, das sie ihm gegeben haben sollte. Sie aber bestritt dies ausdrücklich. Zwar gab sie zu, dass sie die Möglichkeit einer eventuellen Ehe erwogen, aber bei keinem Treffen je zugesagt habe.

Als Ürckhaus nach seinem dritten Heiratsantrag, zu dem er einen fertig vorbereiteten Vertragstext mit allen erforderlichen Absprachen dabei hatte, ein endgültiges Nein zur Antwort erhielt, schimpfte er sie eine Canaille, Hex und Hure! Die so beleidigte Witwe Thienhauß erhielt aber Unterstützung. In der gerichtlichen Zeugenvernehmung sagte neben anderen Zeugen ein Tagelöhner aus, dass die Witwe Thienhauß den Ürckhaus nicht hätte haben wollen, da der doch nur alles dadurch bringt und versäuft; sie brauche einen Mann, der auch arbeitet! Die Witwe Thienhauß war reich begütert. Zu ihrem Besitz gehörten u.a. Schmitte und Klein-Schmitte, Thienhausen, Buschenhaus und Hascheid.

Der Ürckhaus aus Urdenbach besaß nichts - außer einer Forderung von 200 Goldgulden an eine Witwe Forsbach in Hilden. Aber auf diese Forderung erhob auch die Witwe Thienhauß Anspruch und wollte die Auszahlung an den Ürckhaus verhindern.

Ihre Hochzeitspläne hatte sie aber nicht aufgegeben. Als sie sich nun mit dem Witwer Adolf zu Holthausen verheiraten wollte, erhob Ürckhaus nach dem 1. Aufgebot (der Proclamation) in der Kirche Einspruch und erwirkte ein gerichtliches Verbot (Inhibition) der Trauung (Copulation). Aber damit hatte er auch kein Glück. Am 8. Mai 1731 erkannte das Gericht in Düsseldorf die Gegenklage der Braut an. Die Prozesskosten musste jede Partei selbst tragen. Daraufhin kam die Ehe zwischen Margaretha Thienhauß geb. Boll und Adolf Holthauß zustande. In Folge dieser Eheschließung wurden die Kinder der Margaretha Thienhaus aus erster Ehe rechtmäßige Erben des Hofes Holthausen.



Alte Haaner Kirche
Alte Haaner Kirche

9. Ein Streitfall um Rentenrechte (1742)

Aus dem Jahr 1742 gibt es einen interessanten Streitfall um Rentenrechte an einem Grundstück. Die Rechte, um die es geht, waren schon knapp 100 Jahre früher entstanden.

Die Honschaft Ellscheid gehörte früher nicht zu Haan, sondern - bis 1802 - zum Amt Mettmann, kirchlich nach Erkrath. Eigentümer unseres Nachbarhofes, der mittleren Elp, war um 1650 Diederich Manert. Er war katholisch und hatte der zuständigen katholischen Kirche zu Erkrath ein Vermächtnis ausgesetzt, das an eine Bedingung geknüpft war: Die katholische Kirche zu Erkrath sollte jährlich ein Malter Korn (Roggen) erhalten. Dafür sollte nach seinem Tod jährlich eine Messe für ihn und die Seinen gelesen werden. Dies funktionierte so lange, bis die Honschaft Ellscheid kirchlich an Haan abgetreten wurde ("weggenommen und der Haaner Kirche zugesetzt", steht in den Aufzeichnungen). Der genaue Zeitpunkt ist mir nicht bekannt.

Erst am 13. Januar 1700 wurde ein schriftlicher Vertrag aufgesetzt, der später - 1770 und 1835 - nach einigen Querelen erneuert wurde.

Diederich Manert verkaufte am 27. August 1665 seinen Hof, die mittelste Elp, zur Hälfte an Peter Hak, die andere Hälfte an Wilhelm Montanus. Da alle Ländereien zur Hälfte geteilt wurden, musste jeder der beiden neuen Eigentümer 1/2 Malter Korn an die Haaner Kirche entrichten. 1666 wurde dazu mit der Haaner Kirche ein "Contract" geschlossen. Danach musste die Nutzung des Eichenbandens (des Elper Banden [= Wiese] an der Mahnert) an die Kirche abgetreten, also verpfändet werden, falls einer der neuen Eigentümer seiner Lieferpflicht nicht nachkam.

Peter Hak lieferte regelmäßig, aber Wilhelm Montanus war dazu nicht immer in der Lage. Seine Schulden nahmen überhand, und so musste schließlich sein Sohn Peter die eine Hofhälfte wieder verkaufen. Diesen halben Hof kaufte am 6. November 1692 Gorden Holthausen vom Hof Holthausen in Haan. Mit dem Kaufgeld trug er zunächst alle Schulden und Rückstände des Peter Montanus ab; damit wurde der Hof nach dem gerichtlich genehmigtem Vertrag von rückständigen Lasten und Auflagen frei. Montanus blieb nach Bezahlung der Schulden kaum etwas vom Verkaufserlös übrig. Zum Zeitpunkt des Kaufs war der halbe Elper Banden wahrscheinlich schon längere Zeit von der Kirche genutzt worden.

Mit der Abtretung Ellscheids an die reformierte Kirche in Haan war auch das Recht an dem Malter Roggen auf diese übergegangen. Nun wurde das ehemalige Vermächtnis Küstereirente genannt; Messen wurden dafür gewiss nicht mehr gelesen. Im Lagerbuch I der evangelischen Kirchengemeinde Haan heißt es auf Blatt 23:

 

"Küstereirenten:
Laut original uralten Rollen hat ein Küster zu Haan an Renten und Jahrgehalt wegen seiner Bedienung an Korn, Haber und Brod einzunehmen folgendes: In der mittelsten Elp 1 Malder Roggen. Dieses 1 Malder Korn wird nunmehr wegen des Elper Landes dem Küster um St. Martini dem alsdann seienden Preis nach bezahlt, die andere Halbheit widrum die nämliche Zeit von den Einhabern oben gesagter Elp in natura geliefert."

 

1742 schließlich klagte Johann Conrad Holthausen, Sohn des Gorden Holthausen, als Eigentümer des Elper Bandens seinen Rechtsanspruch auf die Wiese ein. Er erklärte sich bereit, die rückständige "Kornrente" in Natura zu begleichen. Dagegen sollte aber der (höher zu beziffernde) Ertrag aus der Nutzung der Wiese aufgerechnet werden. Nutzer war zu dieser Zeit Kirchmeister Birschel. Eine rückwirkende Aufrechnung lehnte die Kirche ab. Wie es weiter ging, darüber liegen mir keine Akten vor.




10. Das Testament des Johannes Stöcker zu Wibbeltrath (1745)

Im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf befindet sich in der Akte "Bergische Gerichte Mettmann Nr. 6 II" das Testament von Johannes Stöcker zu Wibbeltrath, das er 1 1/2 Monate vor seinem Tod (+ 10.1.1746) am 24. November 1745 errichtet hat. Es ist in der Art der Abfassung wie auch inhaltlich interessant. Dies ist der volle Wortlaut:

 

"In Gottes Nahmen Amen!

Nach dem ich unterschriebener Johannes Stöcker zu Wibbeltrath bey mir behertziget und erwogen, daß nichts gewisser als der Dod, dessen Zeit und Stunde aber ungewiss:

so habe ich in Ansehung meines hohen Alters und täglich abnehmender Leibeskräften bey Gott Lob noch gesunder Vernunft und Verstandes wegen meiner Gereyden Nachlassenschaft folgende meine testamentarische oder letzten Willens Disposition und Verordnung folgender Maßen freywillig und wohl bedächtiglich hinterlassen wollen, und zwar erstlich befehle ich meine Seele vor jetzo und in der Stunde meines Dodes in die Hände unseres theuersten Erlösers und Heylands Jesu Christi.

Meinen Leib aber hinterlasse ich zur ehrlichen christbräuchlichen Begräbniß.

Zweytens: Meine zeitliche Nachlaßenschaft betreffend, so hinterlasse dieselbe sowohl in Gereyden als Ungereyden [= bewegliches und totes Inventar und Immobilien] meinen sämtlichen Kindern, und zwar solchergestalt wie dasselbe in dem Erbkauf und Theils-Contract über die sogenannte Wibbeltrather Erbgüter schon vorhin verordnet, beschrieben und festgestellet worden.

Weilen aber unter meinen sechs Kindern meine jüngste Dochter Gertraut, des Herman Niepenbergers Haußfrau nach Gottes heiligen Willen durch den Dod auß diesem zeitlichen Leben abgefordert worden und drey Kinder hinterlassen, für welche ich als Großvatter nach Christenpflicht sorge tragen muß, so ist mein Wille und Meinung,

daß dasjenige, waß nach meinem Gott gefälligen Abscheid aus meiner Mobilar Erbschaft zu meiner verstorbenen Tochter Antheil als zum sechsten käme, entweder in Cassa oder außstehenden Geldern wird übrig seyn, zusamt denen nach meinem Dod zu diesen sechsten Antheil fallenden Interessen (Zinsen) vorgenannter meiner verstorbenen Tochter hinterlassenen dreyen Kinder, ohne einige Ausnahme soll anerfallen seyn und denselben soll zugetheilt werden, weil diese Kinder an ihrer verstorbenen Mutterstelle stehen sollen.

Weilen auch auf dem Wibbeltrader Hof zu meiner Leibzucht [= Altenteil] gewisse Gelder ausbedungen seind, so wollen die zum Antheil des sechsten Stamms, zu meiner Leibzucht ausbedungene 87 Rthl, schreib achtzig sieben Rthl, nach meinem tödlichen Hintritt zum Nutzen und Besten vorgenannter Verstorbener Kinder an das Gut zu Klein-Bruchhaußen angelegt werden.

Schließlich setze und ordne ich Johann Stöcker, daß diese meine Letzten willensverordnung als ein Testament oder Codierung gelten und gehalten werden soll. Dessen zur Wahrheits Urkund hab ich dieses mein Testamentum selbst unterschrieben, auch übrige zu Ende benannte Gezeugen dieses zu dessen Bekräftigung zugleich mit zu unterschreiben ersuchet.

Also geschehen zu Wibbeltrath den 24ten Novembris im Jahre unseres Herren 1745

Johannes Stöcker Großvatter
Conradus Büscher alß Zeug
Joh. Peter Jacobs alß Zeug
Joh. Stöcker alß Zeug
Jacob Bollenheyd alß Zeug
Ego Johann Hermann Ovinius
L. t. Pastor in Eccies. Elberfeld
et Cronenberg a Testatore requisitus
Scripsi et Supscripsi Mp..."

 

Nach seinem Tod wurde aufgeschrieben, was die im Testament genannten drei Enkelkinder auf Grund dieser Nachlassverfügung an Geld und Sachwerten erhielten. Es war eine erhebliche Geldmenge in verschiedenen Münzwährungen sowie Anteile an Obligationen (Schuldscheine). Die Begräbniskosten und Gebühren wurden anteilmäßig abgezogen.

An Sachwerten sind Röcke [= Teil des Anzugs], Hemden, Laken und Stoffe aufgeführt, ferner ein altes Wams, ein alter Hut, ein Federbett, ein Tisch, ein Kesselchen, ein paar alte Messer, eine Kleiderbürste, ein Schuhanzieher ("ein eisen Schauantrecker"), eine Tabaksdose ("ölten Tabatztost"), ein gläsernes Töpfchen und ein alter Mehlsack.

Auch diese Aufstellung zur Erbabwicklung wurde bei Gericht hinterlegt.




11. Der missglückte Kuhkauf (1772)

1772 wurde ein Rechtsstreit über einem Kuhkauf dokumentiert. Unser Nachbar Johann Conrad Holthausen hatte den Hof Gladbach in Meiersberg [heute Ratingen-Homberg] gekauft und dort eine Kuh erworben, weil er nach einem Seuchengang (wahrscheinlich Maul- und Klauenseuche) Tiere verloren hatte. Der folgende Text aus diesem Rechtsstreit ist nicht gerade knapp und klar formuliert und auch nicht eben flüssig zu lesen, veranschaulicht aber die damals übliche Ausdrucksweise:

 

"Ankäufern Unterthänigste klägliche Vorstellung und Bitt von Seithen Johann Conrad Holthaußen contra Verkäufern Petern vom Endt Hoch Edelgebohrener!

Ich werde genöthiget, Klagend erkennen zu geben, daß aufem Hof zu Gladbach, Kirchspiels Homberg, im Monath Jaar [= Januar] 1772 die allgemeine Kuh-Krankheit eingefallen seye, auch in selbigen Monath alle gestorben, außgenehmen eine wieder besser worden.

Folgens: Demnach hat man die Kuhträge [-tröge] zweymahl mit siedendem heissen Wasser abgeschauret, und den Stall sauber gereiniget, nach Vermeinen sein Bestes daran gethan zu haben. Demnach im Mertz 1772 hat man wiederum einige Kühe gekauft.

Unter diesem auch ein Kuh gekauft im Kirchspiel Mettmann am Hassel im Anker, bey Peter vom Endt, den 19ten Mertz 1772 und den 21ten Mertz abgeholet und bezahlt mit 34 1/2 rthlr mit Versprechen vom Verkäufer, daß bemelte Kuh 12 oder 14 Tage im May melk werden sollte.

Demnach auch den 21ten Mertz hat man gespüret, daß ein Kuh mit Fressen getrauret. Folgens demnach den 22ten Mertz die gekaufte Kuh hatte auß dem Stall gethan, einige in die Scheur, einige ins Backhauß von bemelter [= genannter]Kuh ab.

Folgens demnach den 30ten Mertz hat man erfahren und kündig worden, daß die Kuh, welche ich am Hassel im Anker gekauft, rollend worden und nach dem Ochsen gedacht; so im gleichselbigen Tag, nebst einem Mann, zu dem Verkäufer gegangen, ihme Kund gethan, daß die ihme abgekaufte Kuhe nicht tragbar [= tragend] seye, sondern nach dem Ochsen verlangte, dann dieselbige Kuh rollend wäre.

Weshalben die Kuhe als eine mause Kuh nicht haben wollte, sondern mein ihme gegebenes Geld für die Kuhe wieder obrück begehrte, worauf Verkäufer geantwortet, solches wäre wohl mehr mahlen geschehen, daß eine Kuh rollend wäre und nach dem Ochsen verlangte, er verspräche dem Ankäufer, daß die Kuh auf versprochene Zeit 12 oder 14 Tag im May solte melk werden.

Ankäufer zur Antwort gegeben, die rollende Kuh würde nicht melk werden. Er dörfte 50 rthlr vor die Kuh geben, wann dieselbe auf versprochene Zeit melk würde. Hierdurch wurde Verkäufer veranlasset zu sagen, ich solle ihme die Kuh wiederbringen, mit solchem Außdruck, wann die Kuh melk würde, so wolte er 50 rthlr vor die Kuhe haben, welche Ankäufer versprochen; und die Anwesenden hierüber angesprochen, daß sie ihm dieses bezeugen solten, womit die Kuh melk würde, daß Ankäufer für die Kuh solte 50 rthlr geben, wie er versprochen hät.

Darauf ist Ankäufer vom Verkäufer ab nach Hauß gegangen mit solcher Abred, daß er folgenden Tag die Kuh ihm wiederbringen wolle.

Ehe aber eine Stunde vorbey gewesen, hat Verkäufer dem Ankäufer einen Mann nachgeschickt und ihm sagen lassen, er hätte gehöret, daß zu Gladbach die Kuh krank wiederum seye, er solte die Kuh nicht wieder zurückbringen. Dann er wolte die Zeit abwarten mit Versicherung und Versprechen, daß die Kuh auf bestimte Zeit melk werden solte.

Der vom Verkäufer obgen. geschickte Man hat mich nebst dem obgen. Man, den ich bey mir hatte, auf dem Heimwege angetroffen noch ehe ich zu Gladbach gewesen. Darauf Ankäufer aber dem geschickten Man angeredet, er möchte von der Güte seyn und gehen mit nach Gladbach, so könte er sehen, daß die Kuh rollend wäre, welches er gethan hat, daß die Kuh rollend gewesen und nach dem Ochsen gedacht als dieselbe Kuh 9 Tag vom 21ten bis 30ten Mertz zu Gladbach gewesen.

Ferner folgenden Tags den 1ten April hat Ankäufer dem Verkäufer zwey benachbarte Männer geschickt, demselben sagen lassen, weilen die Kuh nach dem Ochsen gedacht und rollend gewesen, dasselbe eine Anzeige wäre, daß die Kuh untragbar [= nicht tragend] wäre. Ankäufer wolte die maus Kuh nicht haben. Wann sie solle krank werden und sterben, so solte die maus Kuh dem Verkäufer absterben, wann sie aber ein Kalb bey sich hätte, so solte sie dem Ankäufer absterben.

Verkäufer den geschickten Männern zur Antwort gegeben, die Kuh solte ein Kalb bey sich haben und auf bestimte Zeit 12 oder 14 Tage im May melk werden, er wolle die Zeit abwarten.

Den 4ten April ist bemelte Kuh krank worden und den 13ten April gestorben. Den selbigen Tag hat der Filler [= Schinder, Abdecker] selbiger Kuh die Haut abgezogen, durch denselben die Kuh auch öfnen lassen, mit Zuziehung zwey benachbarte Männern, welche gesiehen, daß der Filler die Kuh geöfnet und kein Kalb innen gehabt.

Darnach den 25ten April hat Ankäufer Johann Conrad Holthausen seinen Halfmann [= Pächter eines Hofes, der die Hälfte des Ertrags als Pacht zahlt] bey den Verkäufer geschickt, um denselben anzusagen, daß bemelte Kuh gestorben seye, und durch den Filler die Kuh öfnen lassen, mit Zuziehung zwey benachbahrte Männer, nemlich Adolf Oberländer und Adolf Tuhnes, welche gesiehen, daß die Kuh kein Kalb innen gehabt hat; ob er nach Gladbach komen wolte und daß Geld wieder zurückgeben.

Darauf Verkäufer geantwortet, er käme nicht nach Gladbach und gebe daß Geld vor die Kuh zurück.

Weilen nun, obiges benachrichtiget und um wieder Obrückgebung des Zahlpfennigs gütlich angestanden, zu dem Meinigen nicht gelangen kan, finde genöthiget Klage zu führen. Ew. Hochedelgebohrner unterdienstlich bittende höchstdieselbe gegst geruhen wollen, Gegner Sup poena Execuitionis anzuhalten, in Zeit acht Tagen Ankäufer klag loß zu stellen.

Darüber Ew. Hochedelgebohrner Untertänigster

Johann Conrad Holthaußen"

 

Zu diesem Fall ist noch eine schriftliche Zeugenaussage der Kuhmagd Anna Sophia Bierbaum dokumentiert:

 

1772 den 19ten Mertz hat Joh. Conrad Holthausen am Hassel bey Petern vom Endt eine Kuh gekauft vor 34 1/2 rthlr mit Versprechen, daß sie 12 oder 14 Tag im May melk werden solle; bemelte Kuh hat Joh. Conrad Holthausen mit seinem Sohn und seiner Kuhmagd Anna Sophia Bierbaum am Hassel bey Petern vom Endt den 21ten Mertz abgehohlet und bezahlt.

Folgens demnach 30 Mertz, welches Ankäufer annotiret hat, ist bemelte Kuh rollend worden und hat nach dem Ochsen gedacht. Welches ich, Anna Sophia Bierbaum, bey Joh. Conrad Holthausen als Kuhmagd wohne, nicht allein ich, sondern die gantze Haußfamilien gesehen haben und bezeugen können.

Ferner attestire ich, Anna Sophia Bierbaum, daß obengemelte Kuh über einige Tage darnach krank worden und gestorben ist.

So hat Joh. Conrad Holthausen selbiger Kuh durch den Schinder nicht allein die Haut abziehen sondern dieselbe auch öfnen lassen, mit Zuziehung zwey benachbahrte Männer; nahmentlich Adolf Oberländer und Adolf Thunes welche gestehen, daß der Schinder die Kuh geöfnet, und kein Kalb bey der Kuh gewesen, der Schinder auch den Jungen Sack in die Hand genohmen und gesagt, die Kuh hätte auch kein Kalb bey sich gehabt, dann der Junge Sack wäre gantz beyeinander geschrümpt, welches wir gesiehen haben und bey nöthigem Fall aydlich bestrecken können,
so geschehen den 22 ? 1772

X
Weilen Anna Sopheia Bierbaum Schreibens unerfahren ist hat sie obiges Creutz gemacht und mich ersucht vor sie zu unterschreiben
Adolf Thaunes

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weillen Adolf Oberländer schreibens unerfahren, hat er obiges Creutz gemacht und mich ersucht vor ihn zu unterschreiben
Joh. Petter Lökenhoff
Adolf Thaunes

 
 



12. Ein Beleidigungsprozess (1802)

In der mittleren Honschaft Haan wurde 1802 ein Beleidigungsprozess geführt. Die Namen der handelnden Personen - die hier verschwiegen werden - sind auch heute noch in Haan gut bekannt. Der Text der Klage:

 

"An die Hänsche [= Haaner] Fiscal Behörde:

Ich weiß mich nicht zu besinnen, den ggen [= genannten Gegnern] je das mindeste Leid zugefügt zu haben und doch werde ich schon seit Jahr und Tag von denselben auf alle weise verfolgt.

In öffentlichen Wirtshäusern und Gesellschaften werden die schimpflichsten Reden von den Gegentheilen [= Gegenseite] über mich geführt.

Schup-, Lump- und Saufhund sind die gelindesten Schmähworte, welche sie über mich ausstoßen, und ohne Scheu und ohne alle Rücksicht werde ich ein Hurenprängel über den anderen gelästert.

Die Ehre meiner Ehefrau wird in Rücksicht daß Unschuld und Sittsamkeit die Hauptzierden weiblicher Tugend sind, noch schlimmer verläumdet, ...

Diese ehrenrührige Reden habe ich in Rücksicht meines unbescholtenen Rufes, der seiner Festigkeit halber so leicht nicht wanket, bis hiehin übertragen [= ertragen], und die Gegentheile durch Geduldt zu gewinnen gesucht; allein je leidentlicher ich mich verhalte, desto größer wird die abseitige Verläumdungswuth, welche nunmehro noch mit den nachdenklichsten Drohungen, daß es mir schlecht gehen sollte, wenn man mich gelegentlich antreffen würde.

Ich kann dahero so wohl wegen den groben Verläumdungen, die dann doch wenigstens wie ein Wurm an meiner Zufriedenheit nagen, als den böse Folgen haben könnenden Drohungen nicht länger gleichgültig bleiben, sondern zeige die ganze Geschichte pro Interesse Tusu. reservato propio hiemit geziemend an und mit Vorbehalt deren im Abläugungsfalle zu benennden Zeugen.

Bitte gehorsamst die Beklagten über die denuncirte Injurien in brevi bene viso Termino persönlich zu constituiren zum öffentlichen Widerrufe coram protocollo zu vermögen, Liquidato Tracto Fiscalisch zu bestrafen und mir diesem nach zur Anheb- und Vollfühung meiner Gnugthuungsklage das abgehaltene Protocollum gegen die Gebühr mitzutheilen.

Darüber der Hänschen Fiscal Behörde gehorsamster ..."

 

In einer weiteren Klageschrift werden die Tatbestände wiederholt und vier Zeugen benannt.

Zu den angesetzten Gerichtsterminen erschien der Beklagte nicht. Letztlich kam es durch Vermittlung seines Schwagers zu einer Vergleichsverhandlung. Dabei gestand der Beklagte, dass er die Verleumdungen aus Hass und Neid begangen habe und dass er die Äußerungen für sich und seine Frau widerrufe. Er erklärte sich bereit, die angefallenen Kosten und Strafgelder zu zahlen, insgesamt 5 Reichsthaler 46 Stüber.

Aus weiteren noch vorhandenen Notizen geht hervor, dass der Beklagte den Zahlungsverpflichtungen wohl nicht nachgekommen ist, denn der Landbote [und Gerichtsvollzieher] stellte bei ihm eine Kaffekanne, eine manfester Bucks [gemeint ist wohl eine Manchesterhose] und weitere Gegenstände sicher. Dieser Verwaltungsakt war natürlich mit weiteren Kosten verbunden.

Was mag er sich wohl gedacht haben?



Quellen:
  • Stöcker, Friedhelm: Bericht vom Gerichtswesen im alten Haan und Umgebung sowie Auszüge aus interessanten Gerichtsakten vor 200-600 Jahren. Haan 1992
  • Niederbergische Beiträge Nr. 4
  • Schasiepen: Familiengeschichte. Haan 1967 [Unveröffentlicht, Archiv Stöcker]
  • Schneider (1900)
  • Scotti (1821-22) Ausg. Cleve Nr. 538 und 756
  • Rosenthal: Solingen 1. Bd. (1973) S. 126

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