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Langerfeld   (Wuppertal)   2



Langerfeld um 1900 bis zum Ersten Weltkrieg

Wie sah es damals in dieser aufstrebenden Zeit "im Dorf" aus? Günther Voigt beschreibt in seinem Buch "Langerfeld. Aus der Geschichte eines Stadtteils in Wuppertal" die lebhafte Straßenszenerie und die Lebensverhältnisse im Ort zu einer Zeit, als die täglichen Bedürfnisse noch nicht immer und überall sogleich befriedigt werden konnten:

Das Straßenbild um 1900

"Im Abstand von einer halben Stunde brachte die Elektrische Bahn die Langerfelder für einen Groschen nach Schwelm oder Barmen. Pferd und Wagen, Flachkarren, Handwagen oder Schubkarren, vereinzelt Fahrräder, beherrschten das Straßenbild.

[...] Frühmorgens trieb der Bauer sein Vieh auf die Weide, auch über die Chaussee zu den Wiesen in der Fleute. Arbeiter eilten zu ihren Arbeitsstätten, das Mittagessen im Henkelmann (Blechgeschirr) unter dem Arm. Bäckerjungen verteilten die Brötchen. Wenig später erschien der Milchbauer mit Pferd und Wagen und eilte dann mit seiner Kanne von Tür zu Tür. Schwere, von zwei oder mehr Pferden gezogene Planwagen brachten Waren zu den Großhändlern oder zu den Geschäften. Leichte, nur von einem Pferd gezogene Wagen der Bäcker und Metzger kamen im Trab daher.

  Pferdealltag: Lieferwagen und Transportkarren

Männer und Frauen schleppten Wasser in großen Eimern von den Fontänen zu ihren Wasserbänken im Haus, Kinder waren auf dem Weg zur Schule.

Viele Geschäfte spielten sich früher auf der Straße ab. In jeder Woche kam zweimal der Gemüsewagen, mittwochs der Müllwagen. Donnerstags ließ Spellmanns Fritzken seine Lieder zum Orgelskasten erklingen.

Jeden Monat zog Weinreichs Kaalken mit seiner Eselskarre durchs Dorf, um Lumpen zu sammeln. In größeren Abständen erschienen Wagen, die mit Haushaltswaren aus Blech oder Emaille, mit Porzellan-, Ton- oder Glasgeschirr beladen waren. Der Korbmacher pries seine Waren an, und der Sandmann bot scheffelweise weißen Sand an, den die Hausfrauen auf den frisch geschrubbten, rohen Fußboden streuten, damit der Straßenschmutz nicht so tief in die Fußbodenbretter getreten werde. Bei seinem Erscheinen sangen die Kinder: »Der Sandmann ist da, er hat so schönen weißen Sand...».

Im Winter kamen Männer vom Schwelmer Ehrenberg mit Reisigbesen in allen Größen, aus der Eifel Händler mit Schazen (Schlafdecken) und Strickgarn, aus Düsseldorf im Frühjahr Frauen mit Körben voll Gemüse- und Blumenpflanzen, vom Rhein Männer mit Salben und Heilkräutern. Einmal im Jahr kamen auch die 'Mausefallenkääls', Männer aus der Slowakei, die Ratten- und Mausefallen und Kuchenformen verkauften. Im Sommer stand der Scherenschleifer mit seiner Ziehkarre an der Ecke und schärfte Scheren und Messer.

An den Sommerabenden saßen die Hausbewohner auf ihren Bänken vor der Tür und tauschten die letzten Tagesnachrichten aus. Wenn es dann dämmerig wurde, zog der Laternenanzünder Nieland mit einer langen Stange durch die Straßen und zündete die Laternen an. Dann wurde die Straße leer und still, und der Nachtwächter begann seine Runden."


Gewerbeleben vor dem Weltkrieg

Die Elektrifizierung schritt in Riesenschritten voran, und für meinen Großvater, einen versierten Elektrotechniker, gab es ungeheuer viel zu tun. Die Elektrifizierung führte - wie im Solinger Industriebezirk bei den Schleifern - in Langerfeld bei vielen Bandwirkern dazu, dass sie die Fabriken mit ihren Dampfmaschinen verließen und wieder Heimarbeiter in der eigenen Werkstatt wurden.


"Im Jahre 1905, nach dem Bau der Ennepe-Talsperre, stellte das Wasserwerk der Gemeinde seine eigene Wasserförderung ein und bezog seinen Wasserbedarf aus dem Kreiswasserwerk. Zwei Jahre später war das Elektrizitätswerk für den Kreis Schwelm betriebsfähig. Viele Betriebe schlossen sich an das Stromnetz an, und allmählich erfolgte eine Umstellung von Dampfkraft auf Kraftstrom.

In der Bandwirkerei war eine interessante rückläufige Bewegung zu beobachten. Heimbandwirker mit Grundeigentum verließen die Kraftstellen und bauten an ihre Häuser kleine Sheds. Auch andere Gewerbezweige fanden Anschluß an das Stromnetz. Es entstanden im Ort viele neue Fabriken. An Bandfabriken wurden gegründet: Rühl & Klitsch (1901), Berker & Petzold (1903), eine Filiale von Lukas & Vorsteher auf der Pülsöhde (1903), Carl Sandweg & Sohn (1906), David Beckmannshagen (1906), und eine Filiale von P.C. Dicke (1909).

Die Spitzenfabrikation erlebte einen großen Aufschwung. Neben A. & E. Henkels stellten die Firmen Robert Münz (1900), Fr. W. Pass (1906) und Peter Römer jr. (1906) Spitzen her. In der Schnürriemenproduktion erlangte die Firma Weith & Co. (1908) eine Bedeutung. Neue Riemendrehereien werden genannt: Gustav Enke, A. Hölken, W. Autem, Gebr. Porbeck, R. Düster.

In dem Maße, wie die Textilindustrie anwuchs, entstanden auch neue Hilfsindustrien. Die letzte Rasenbleiche von Eng. Weskott stellte 1911 ihren Betrieb ein.

Die Eisen- und Metallindustrie hatte im Ort Eingang gefunden. Neben der Firma Wilh. Hedtmann, Spitzenmaschinen- und Riemengangbau, befanden sich hier vor 1914: Alfred Gruschwitz, Maschinenbau; Rud. Ischebeck, Muttern und Fassonteile; Rubens & Co., Schlösser; Köllmann & Sohn, Drehbänke; Köllmann GmbH, Maschinen und Werkzeuge; Spelleken Nachf., Ventilatoren; Wesenfeld & Dicke, Wolfram-Metall und Messingrotguß.

Führend blieb in Langerfeld die Textilindustrie.

Nach der Jahrhundertwende wurden auch die Zukunftsaussichten für das alte Handwerk wieder besser. Der Handel spielte eine größere Rolle. Sechs Handlungen in Bändern, Litzen, Spitzen, Gummiband waren neu entstanden, dazu eine Baumaterialhandlung, vier Chemikalien- und Farbwarenhandlungen, fünf Drogenhandlungen, sieben Eisenwarenhandlungen und eine Anzahl Großhandlungen in Lebensmittel.

Mit dem Bau weiterer Firmen wurden neue Wohnhäuser entlang der Schwelmer und Barmer Straße mit größeren Räumen und besseren hygienischen Einrichtungen erbaut. Im Jahre 1911 stellte die Gemeinde einen Bebauungsplan für die Straßen zwischen der Hauptstraße und der Dahler und Jesinghauser Straße auf. Weitere Wohnungen entstanden in den Häusern der Reichsbahn für die annähernd 800 Beschäftigten im Güterbahnhof und den Bahnwerkstätten. Erste größere Siedlungen wurden erbaut wie Wulfeshohl, Oberdahl oder Tripolis.

Die Einwohnerzahl betrug 1910 nach der Volkszählung 14.832."


Wuppertal
 
2009
Langerfeld,
"Neues Viertel"
mit Kreuzkirche


Die soziale Lage der Arbeiter

Über Arbeitszeiten und Verdienste in den einzelnen Branchen sowie die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung schreibt Voigt:


"In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg hatte sich die Lage der Arbeiterfamilien etwas gebessert, doch reichte der wöchentliche Verdienst gerade für Miete, Wasser und Gas, Kleidung, Winterbevorratung und Lebensunterhalt. Zwar war die große Sorge vor Krankenhaus- oder Arztkosten und der Altersversorgung durch die gesetzlichen Kranken- und die Rentenversicherungen genommen, doch blieben weiterhin die geringsten Wünsche oft unerfüllbar.

Der Riemendreher bei Henkels brachte am Freitag einen Lohn von 24 Mark nach Hause. Bandwirkergesellen verdienten etwa 25 Mark, Färber 30 Mark. Der Verdienst der Spulerinnen und Haspelerinnen lag bei durchschnittlich 15 Mark. Die Arbeitszeit betrug 48 Stunden und mehr in der Woche. Bei den Heimgewerbetreibenden war bei guter Auftragslage die Verdienstspanne bei gleicher Arbeitszeit höher.

Besser sah es in der Eisenindustrie aus. Ein Schlosser hatte einen Wochenverdienst zwischen 31 und 34 Mark. Der Stundenlohn eines Anstreichers betrug 58 Pfennig.

Die Lebenshaltungskosten lagen damals viel niedriger als heute. Ein Brot kostete 25 Pfennig, ein Pfund Butter 1,05 Mark, ein Liter Öl 98 Pfennig, ein Pfund Mehl 15 Pfennig. Für Damenschuhe mußte man 8 bis 16 Mark zahlen, und Zigarren gab es ab 4 Pfennig das Stück.

Die wohl größte Last bei der Versorgung der Familien trugen die Hausfrauen. Sie mußten nicht nur in einer viel größeren Familie als heute für die täglichen Lebensbedürfnisse sorgen, ihre Arbeit war auch körperlich schwerer im Haushalt, im Garten, beim Einkauf, bei der Wäsche oder als Hilfe ihres Mannes in seinem Beruf. Täglich brachte sie ihm das Essen in die Firma. Eine kleine Pause bedeutete der Einkauf, wenn sie im Laden warten mußte und dabei Informationen bezog. Doch ihre Abwesenheit aus der Wohnung war immer zeitlich vom Beachten des Feuers bestimmt. Das durfte im Herd nicht ausgehen, der damals als Koch- und HeizsteIle diente.

Für eine Dreizimmerwohnung mit Spülstein und Toilette auf der halben Treppe zahlte die Familie 18 bis 20 Mark, öfter mehr. Das war oft ein Viertel des Monatsverdienstes.

Feierabend und Freizeit waren oftmals ausgefüllt mit Nähen, Stopfen oder Flicken der Kleidung, während der Mann die benagelten Schuhe auf einem Dreibein (Pinfaut) reparierte. Doch besaß der Feierabend damals eine viel stärkere Bedeutung als heute. Die Erwachsenen hatten Zeit füreinander und für die Kinder, nicht nur zu einem Gespräch, auch zu Spiel oder zu Gesang.

Erholung fanden die Erwachsenen und die Kinder in einem der 80 Vereine, die es damals in der Gemeinde gab. Am Sonntag führte sie ein Spaziergang nach dem Gottesdienst oder Kindergottesdienst durch die Langerfelder Anlagen oder in die weitere Umgebung zu einem der vielen Ausflugslokale. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß viele Familien den Gottesdienst oder die Ausflugslokale nie besuchten, weil sie die 'Sonntags-Garderobe' nicht besaßen. Sie begnügten sich mit einem Aufenthalt im Garten oder besuchten Verwandte und Bekannte in der näheren und weiteren Umgebung."


Behörden und Verwaltung


"Das Amt Langerfeld bestand aus den Gemeinden Langerfeld und Nächstebreck. Es gehörte seit 1887 zum Kreis Schwelm im Regierungsbezirk Arnsberg. An der Spitze der Verwaltung stand der Amtmann. Amtmannn war im Jahre 1912 Günther Ernst. Mit ihm waren insgesamt 38 Verwaltungsbeamte, Angestellte und Arbeiter für das Amt tätig.

Die Geschäftsräume waren in fünf Gebäuden untergebracht. Die Ämter befanden sich im Amtshaus, Schwelmer Straße 15, die Amts- und Gemeindekasse sowie die Amtssparkasse im Hause Schwelmer Straße 13, das Polizeibüro im Hause Kohlenstraße 4. Das Büro der Wasser-, Gas- und Lichtwerke war in der Kohlenstraße 67 und das Kanalbüro in der Schule an der Wiesenstraße (Spitzenstraße) 20. Die Amtsverwaltung umfaßte das Standesamt, die Schulverwaltung, das Steueramt, das Gewerbegericht und das Gesundheitsund Veterinärwesen. Der Amtmann, zwei Beigeordnete, die Gemeindevorsteher von Langerfeld und Nächstebreck und drei Bürger saßen in der Amtsvertretung.

An der Spitze der Gemeinde Langerfeld stand der Gemeindevorsteher. Dieser, ein Stellvertreter und neun Bürger bildeten die Gemeindeverordnetenversammlung, die ihre Mitglieder für verschiedene Kommissionen benannte: die Schuldeputation, die Steuerkommission, die Kommissionen für Bauwesen, Wegebau, Wasser, Gas und Licht, Armenpflege, Einquartierung und für den Waisenrat. Der letzte Gemeindevorsteher war Karl Dabringhausen.

Das schnelle Anwachsen der Bevölkerung stellte die Amtsvertretung, die Amtsverwaltung und die Gemeindeverordnetenversammlung vor mancherlei Probleme. In den Jahren zwischen 1900 und dem Ausbruch des Weltkrieges wurde allein auf dem Gebiet des Schulwesens Bedeutendes geleistet. Neue Schulbezirke wurden gebildet und neue Schulgebäude errichtet: die Ev. Schule im Oberdorf (an der Dieckerhoffstraße) 1901, die Schule Pülsöhde (heute Fritz-Harkort-Schule) 1906 und Wulfeshohl 1913. Die Schule am Steinhauser Berg wurde 1913 aufgehoben. Im Schulgebäude Spitzenstraße 20 wurde eine Fortbildungsschule eingerichtet."


Von vaterländischen Festen

Vor dem ersten verlorenen Krieg war es auch in Deutschland noch keineswegs anrüchig vaterländische Feste zu feiern, vergangener Siege zu gedenken und den Kaiser zu ehren.


"Das erste vaterländische Fest im neuen Jahr war Kaisers Geburtstag am 27. Januar. Besonders wichtig: Die Kinder hatten schulfrei. Die jüngeren sangen: "Der Kaiser ist ein lieber Mann und wohnet in Berlin, und wär es nicht so weit von hier, so führ ich heut' noch hin!" Die größeren Schüler versammelten sich wie die Erwachsenen zu einer kurzen Gedenkstunde, die jeweils mit dem Kaiserhoch und der Nationalhymne endete: "Heil Dir, im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands, Heil, Kaiser, Dir ... !"

Ähnlich verlief das zweite große vaterländische Fest, an dem auch Schulkinder teilnahmen, der Sedanstag. Zur Erinnerung an die Schlacht bei Sedan am 2. September 1870 zogen Schulkinder durch den Ort, von ihren Lehrern begleitet, mit schwarz-weißen und schwarz-weiß-roten Schärpen geschmückt, und sangen bei Fackelschein die Sedanlieder: "Bei Sedan, wohl auf den Höhen..." und "Bei Sedan sind viele gefallen...".

  Zu Sedan wohl auf der Höhe... (Text und Melodie)

Ähnlich verliefen die Veranstaltungen bei den Erwachsenen. Unter den preußischen Fahnen schwarz-weiß und den Reichsflaggen schwarz-weiß-rot erschollen die gleichen Lieder, hielt der Amtmann die Gedenkrede, die mit Kaiserhoch und Nationalhymne schloß. Das erste Sedansfest wurde in Langerfeld 1875 gefeiert. Emil Rittershaus, der Dichter des Westfalenliedes, schrieb eigens für das Amt ein Gedicht. Das letzte offizielle Sedansfest fand 1913 statt."


Spitzen
2009   Grabmal Emil Rittershaus (1834-1897) und Gattin Hedwig auf dem Heckinghauser ev. Friedhof
  Spitzen
2009   Denkmal für Emil Rittershaus in den Barmer Anlagen, geschaffen von Fritz Schaper
 

"Alle Vereine Langerfelds hatten sich 1913 zusammengeschlossen, um die Jahrhundertfeier zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig 1813 feierlich zu begehen. Es bestand zur Feier ein weiterer Grund: Der Kaiser und König beging zur gleichen Zeit sein 25jähriges Regierungsjubiläum. Unter der Leitung des Kriegervereins von 1854 wurde das Fest vom 21.-23. Juni gefeiert. Im Dorf war große Kirmes. In einem Festzeit auf Holzmanns Wiese (zwischen Timpen und Gibichostraße) fanden Aufführungen, Festveranstaltungen, Feierstunden und Bälle statt. Ein großes Aufgebot an bekannten Militärkapellen begleitete den Festzug, der durch die Hauptstraßen des Ortes führte.

Wenn dann beim Ausklang des Festes Wilhelm Hedtmann, der Wasserkönig, im Festzeit erschien, dann intonierte die Kapelle den Düppeler Schanzenmarsch, Langerfelds heimliche Nationalhymne. Und alle Anwesenden sangen begeistert mit: "O Hedtmann, Hedtmann, Hedtmann häß mi Water drin gedohn, eck häwwe di met dä Ülle an däm Pütt sei'n stohn- ...". Und Hedtmann gab dann die beliebte Zeltrunde.

Die Jahrhundertfeier 1913 sollte das letzte große Fest im Amte Langerfeld überhaupt sein."


  Der Maschinenfabrikant Wilhelm Hedtmann (1841-1914) erfand 1877 die Spitzen-Klöppel-Maschine und versorgte Langerfeld ab 1886 mit neuen Wasserleitungen.

Der Sonntagnachmittag


"Die einzige Freizeit, in der die Familie beisammen sein konnte, war der Sonntagnachmittag. Im Frühjahr, Sommer und Herbst ging es dann im 'Sonntagszeug' hinaus ins Grüne. Rings um Langerfeld lag eine Anzahl von Ausflugslokalen, die oftmals den Namen Schlößchen führten. Es gab Schloß Eckstein an der Wittener Straße, das Lokal Starenschloß im Hebbecketal oder das Bergschlößchen auf Wulfeshohl. Die meisten Lokale hatten eine Attraktion zu bieten. Beim Lokal Grünenbaum gab es einen kleinen Zoo, am Starenschloß einen Gondelteich, am Bergschlößchen Füchse und Dachse zu sehen, und das Lokal Gut Röttgen führte einen Biergarten mit Grotten und Türmen.

Alle Sommerlokale boten Spielgeräte für Kinder, deren Benutzung von den Eltern im Hinblick auf die Garderobe nicht immer gern gesehen wurde.

Oftmals führte der Sonntagsspaziergang auch in die weitere Umgebung. An der Schnupftabaksmühle in der Blücherstraße in Schwelm gab es für Kinder ein Karussel, das die halbe Strecke über Land, die andere über einen Teich führte. Die Waldlust auf dem Schwelmer Ehrenberg betrieb für Kinder eine Sommer-Rodelbahn, die sehr beliebt war. An der Gaststätte Mählersbeck befand sich ein Teich, in dem man schwimmen durfte.

Nicht immer langte das Geld, in eines der Lokale einzukehren. Dann begnügten sich die Familien mit einem kurzen Aufenthalt an einem der vielen kleinen Büdchen, die an der Straße von Schwelm nach Barmen standen.

Im Winter oder zu besonderen Anlässen gingen die Familien zu Besuch bei Bekannten oder Verwandten. An manchen Nachmittagen aber blieb die Familie einfach daheim. Großmutter, Mutter und die älteren Geschwister tranken dann Kiels Kaffee, von dem ein Viertelpfund 30 Pfennig kostete. Die Kinder bekamen eine grüne oder rote Brause oder eine Flasche Hedtmanns Jungbornquelle. Für den Vater und Großvater wurde aus der naheliegenden Wirtschaft ein Siphon Bier am Röttgen (Schalter im Hausflur) geholt. Bei Geschichten, Liedern und Spielen gab es dann immer viel Spaß."


Langerfeld  
2009
Das denkmalgeschützte "Gut Röttgen"
an der Schwelmer Straße 200;
Anfang des 19.  Jh. erbaut; nach einer Erweiterung im Jahr 1890 Ausflugslokal und Gaststätte


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Genealogisches

Gemessen an der langen Geschichte des Ortes Langerfeld beginnt meine Langerfelder Familiengeschichte erst relativ spät: Ende des 19. Jh. kam mein beruflich weitgereister Großvater Otto Frensel aus der Großstadt Magdeburg zu seinem neuen Arbeitgeber nach Barmen. Dort wohnte er bei Familie Lehna in der Oberdörner Straße, bis er mit seiner Frau 1903 kurz nach der Heirat nach Langerfeld zog. Kurz darauf folgte ihm sein Schwager und 1918 auch die verwitwete Schwiegermutter aus Goslar.

Damals war im Zuge der Industrialisierung gerade das Neue Viertel an der Bahnlinie entstanden, und dort fand das Paar in der Bahnstraße 18 (heute Badische Straße) auch eine gemeinsame Wohnung, wohnte dann für einige Jahre in der Südstraße 17 (heute Oldenburgstraße), bis die inzwischen fünfköpfige Familie 1912 ins eigene Haus am neu erschlossenen Höhenweg 37 (heute Weddigenstraße) umziehen konnte.


Wuppertal
 
2009
Die Badische Straße im Neuen Viertel, die vor der Städtevereinigung Bahnstraße hieß.


Wuppertal
 
2009
Die ehemalige Südstraße, aus der die Oldenburgstraße geworden ist.


  • (III.6) Otto Frensel siedelte Ende des 19. Jh. aus beruflichen Gründen aus seiner Heimatstadt Magdeburg nach Barmen über. Nach seiner Heirat mit (III.7) Emilie Lübbecke aus Goslar im Jahr 1903 zog er nach Langerfeld, zunächst in die Bahnstraße 18 (heute Badische Straße), dann für einige Jahre in der Südstraße 17 (heute Oldenburgstraße). 1912-1945 wohnte Familie Frensel in der Langerfelder Weddigenstraße 37 (früher Höhenweg).

    Otto Frensel arbeitete als Elektrotechniker u.a. für die Spitzenfabrik A. & E. Henkels.

  • (IV.15) Wilhelmine Lübbecke geb. Weykopf aus Goslar, Ottos Schwiegermutter, lebte 1918-1922 in der Bachstraße 6 (heute Thielestraße 1) in dem 1880 von Wilhelm Hedtmann erbauten Schieferhaus.

  • Wilhelm Lübbecke, ihr Sohn, wohnte ab 1907 ebenfalls in der damaligen Bahnstraße 18. Bis zum Ersten Weltkrieg war er kaufmännischer Angestellter bei Henkels. Er fiel 1918 in Sedan.



1912   Das neu erbaute Haus Höhenweg (später Weddigenstraße) 37
 

1918   Blick vom Höhenweg auf Langerfeld und Buschens Wiese: Frensels Kinder und Gänse

Mein Großvater Otto Frensel erbaute das Haus in der Weddigenstraße 37, die damals noch Höhenweg hieß, um 1910/12. Die vier Frensel-Kinder verbrachten hier eine paradiesische Kindheit und Jugend.

Als das Haus - wie die Nachbarhäuser Nr. 35 und 39 - kurz vor Kriegsende beim Luftangriff am 13. März 1945 völlig zerstört wurde, lebten dort noch meine betagten Großeltern und meine Mutter. Die Familie wurde obdachlos und verlor ihr Hab und Gut. Die wenigen aus den Trümmern geretteten Gegenstände sind ungeachtet der Strafandrohung für Plünderer teilweise gestohlen worden. Die auf diese Weise abhanden gekommene unverwechselbare Nähmaschine, mit der meine Mutter den Lebensunterhalt für die Familie verdient hatte, tauchte nach Kriegsende in einem Barmer Schaufenster wieder auf.

Meine Großeltern wurden von Verwandten im Sauerland für die letzten Lebensjahre in deren kleine Wohnung aufgenommen. Meine Mutter kehrte bald nach Wuppertal zurück und fand eine Bleibe in einem notdürftig abgetrennten Zimmerchen über einem Laden in der Elberfelder Charlottenstraße. Damit endet die Verbindung nach Langerfeld. Niemand aus der Frensel-Familie kehrte je wieder in die Weddigenstraße zurück.




Höhenweg / Weddigenstraße

Die Straße scheint 1911 Neubaugebiet gewesen zu sein. Zumindest die Häuser Nr. 35, 37 und 39 wurden um diese Zeit mit dem Bauverein Langerfeld e.G.m.b.H. errichtet. Gegenüber standen alte Fachwerkhäuser, die 2009 noch vorhanden sind.

Zur Weddigenstraße notiert Wolfgang Stock in seinem Buch über die Wuppertaler Straßennamen:
"Bezirk: Langerfeld - Beyenburg
Verlauf / Lage: Südöstlich parallel zur Straße Buschenburg
Benennungsdatum: 1935 - Früherer Name: 19.12.1911: Höhenweg".

Namensgeber der Straße soll Otto Weddigen gewesen sein (1882-1915, gefallen), Kapitänleutnant, der mit seinem U-Boot (U9) 1914 drei englische Panzerkreuzer versenkte. "Der Straßenname wird aber auch mit dem Fabrikanten Hermann Weddigen (gest. 1908) in Verbindung gebracht, der sich als langjähriger Gemeindevorsteher und in verschiedenen Ehrenämtern um Langerfeld verdient gemacht hat. Die Benennung nach dem erfolgreichen Kriegshelden entsprach jedoch dem damaligen Zeitgeist; außerdem konnten die Langerfelder nach der Eingemeindung nach Barmen 1922 immer weniger Einfluss auf die Benennung von Straßen in ihrem Stadtteil ausüben." [Stock]



Quellen:
  • Stock (2002)
  • Voigt (o.J.)

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