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Der Zweite Weltkrieg in Wuppertal



Kriegsausbruch 1939

Am 1. September 1939 brachte der Rundfunk die Meldung, dass der Krieg gegen Polen ausgebrochen sei. Jubel über diese Nachricht gab es nur bei den Parteigenossen, im Rundfunk und in den Zeitungen. Zu viele der Älteren erinnerten sich an den Krieg von 1914/18.


"Am 2. September gingen in der Stadt die Lichter aus. Die Verdunkelung wurde befohlen. Straßenbäume in der Langerfelder und Schwelmer Straße und Bürgersteigkanten an wichtigen Überwegen wie am Markt erhielten weiße Markierungen. Die Familien hingen Decken oder Packpapier vor die Fenster. Scheinwerfer an Fahrzeugen und die Fensterscheiben in Bahnwagen erhielten einen blauen Anstrich.

Viele Familien begannen, Keller zu Luftschutzräumen auszubauen und Sandsäcke vor die Kellerfenster zu stapeln. In allen Wohnungen hingen bald Bilder von Soldaten. [...] Neue Begriffe tauchten auf: Feldpost, Wehrmachtsbericht, Führerhauptquartier oder Blitzkrieg. Der Rundfunk brachte täglich Sondermeldungen von den Siegen an der Front. In den Zeitungen erschienen erste Todesanzeigen mit dem Eisernen Kreuz." [Voigt S. 199]






Kriegsalltag 1939 bis 1942

In der Nacht zum 5. September 1939 ertönten in Wuppertal die Luftschutzsirenen. Nun war es keine Übung mehr. Die Leute saßen ratlos und ängstlich in ihren Wohnungen oder im Luftschutzraum des Hauses. Die Entwarnung folgte bald, aber es folgten auch viele weitere Alarme. Das Hören ausländischer Sender wurde verboten. Ende November 1939 wurden Reichskleiderkarten verteilt. Die Kinder wurden ermahnt, pfleglich mit ihrer Garderobe umzugehen. Wohl dem, der eine Nähmaschine besaß und selbst nähen konnte.

In der Adventzeit des ersten Kriegsjahres wurden Päckchen für die Soldaten gepackt. Noch ging man davon aus, dass es nur eine Kriegsweihnacht geben würde.

"Anfang 1940 zogen die ersten polnischen Fremdarbeiter in die für die Autobahnarbeiter gebauten Baracken ein. Sie waren zur Arbeit bei der Firma J.P. Bemberg zwangsverpflichtet worden. Die Polen, ein leuchtendes P am Anzug, gingen ängstlich und schweigend über die Straßen." [Voigt S. 200]

Immer mehr Männer wurden zum Wehrdienst einberufen. Im Frühjahr nahmen ostpreußische Wehrmachts-Einheiten in Langerfeld Quartier. Auf den Höhen, bei Ehrenberg und Möddinghofe, bezogen Flak-Batterien Stellung. Die Presse berichtete ausführlich über die Besetzung Dänemarks und Norwegens im April 1940. Am 14. Juni 1940 marschierte die Wehrmacht in Paris ein.

In den Langerfelder Fabriken arbeiteten niederländische Fremdarbeiter. Immer mehr Männer und Frauen aus allen Teilen Europas wurden zur Arbeit zwangsverpflichtet. Französische Kriegsgefangene begannen mit dem Bau des Bunkers in der Schwelmer Straße.

  Diesen Hochbunker (26,70 m lang, 15 m breit, 14,5 m hoch, 1,10 m Wanddicke, Wände, Decken und Fundament aus Stahlbeton) gibt es noch. Wie der Presse zu entnehmen war, sollten dort bis Ende 2008 - ausgerechnet - Seniorenwohnungen entstehen. [WZ vom 09.01.2008] Ganz so schnell ging es nicht. Erst 2011 entstehen anscheinend tatsächlich hinter den ausgedünnten Mauern dieses Bunkers "12 alten- und rollstuhlgerechte Wohnungen".


Langerfeld
2008
Solche Hochbunker dienten auch nach 1945 noch eine Zeitlang als Wohnraum für ausgebombte und obdachlos gewordene Menschen.
 
Langerfeld
2008   Ehemaliger Bunker an der Schwelmer Straße

Langerfeld
2011   66 Jahre nach Kriegsende wird der Bunker zu "echten" Wohnungen umgebaut.

"Das Schuljahr 1940/41 wurde verlängert und der Schuljahrsbeginn auf den Herbst verlegt. Ab Mai 1941 wurde die deutsche Schrift als Verkehrsschrift abgelöst" [Voigt S. 201] bzw. durch die lateinische Schrift ersetzt. Als Propagandaminster Joseph Goebbels am 17. November 1941 in der Elberfelder Stadthalle verkündete: "Der Endsieg ist für uns nur eine Frage der Zeit", glaubten ihm immer noch viele Wuppertaler - oder wollten ihm gerne glauben.


"Im Alltagsleben nahmen die Luftwarnungen zu. Im Juli und August warfen britische Flugzeuge viermal Bomben auf die Stadt. Einige trafen das Waldgebiet der Anlagen. Im Februar 1941 waren Truppen in Afrika gelandet, im April hatte die Wehrmacht Jugoslawien und Griechenland besetzt. Am 22. Juni 1941 marschierten deutsche Truppen in Rußland ein. Seit Ende 1941 befand sich das Reich im Kriegszustand mit den USA. Im darauffolgenden Jahr landeten alliierte Truppen in Afrika.

Im Winter 1942, in dem sich für viele Familien die Lebensmittel- und Wohnraumversorgung verschlechterte, ertönten nachts mehrfach die Sirenen. Bis 1942 aber war, wie es offiziell hieß, »die Moral an der Heimatfront ungebrochen«." [Voigt S. 201]




1942 bis 1944


"Im Frühjahr 1942 nahmen die Luftalarme zu. Am 15. April 1942 fielen die ersten Brandbomben auf bewohntes Gebiet in Langerfeld. Auf dem Ehrenberg wurden vier Bauernhöfe und eine Bandfabrik getroffen. Sie brannten völlig aus. Der Krieg rückte auf einmal ganz nahe. [...]

Die Alliierten hatten bis 1942 Störangriffe auf deutsche Städte geflogen. Danach begannen sie, durch Großangriffe mit Brandbomben die Moral der Zivilbevölkerung zu brechen. Im Sommer 1942 griffen die Amerikaner in den Luftkampf ein. Während die Briten vorwiegend nachts angriffen, flogen amerikanische Bomberverbände Tagesangriffe auf deutsche Städte. Dabei erlitten sie hohe Verluste, da die deutsche Abwehr in jenem Jahr noch sehr stark war.

Die Überlegenheit der Alliierten im Luftkrieg wurde der Bevölkerung immer bewußter. Neue Schutzräume wurden gebaut, wichtige Papiere für den Ernstfall stets bereitgehalten. Nachts standen die Menschen nach der Entwarnung auf der Straße und betrachteten stumm den rotgefärbten Himmel über dem Rhein oder der Ruhr. [...]

Im Januar 1943 mußte die 8. Armee [Druckfehler] 6. Armee bei Stalingrad kapitulieren. Im Februar verkündete Goebbels in Berlin den Totalen Krieg.

"Unsere Stadt liegt unter Nebel versteckt" oder "Hier wohnt der Vater von Pastor Niemöller" hießen die Gerüchte und Parolen, die manche Wuppertaler in Sicherheit wiegten, wenn sie sich fragten, warum die Stadt noch nicht angegriffen worden war.

Aber dann kam das Schreckliche auch über unsere Stadt. Am 30. Mai 1943 flogen nachts 650 britische Bomber in fünf Wellen in einem 10 km breiten Strom Barmen und Ronsdorf an und vernichteten die alten Stadtteile mit 920 Tonnen Spreng- und 1014 Tonnen Brandbomben. Für viele Bürger gab es im Feuersturm kein Entrinnen. Das Grauen ist kaum zu beschreiben. Fast 4 000 zerstörte Häuser und 3 380 Tote, eine furchtbare Bilanz!

Von den 280 000 abgeworfenen Brandbomben ging ein Teil auch über Langerfelds Süden nieder. Die meisten Brände konnten gelöscht werden. Einige Häuser wie in der Ehrenberger Straße brannten durch Phosphor völlig aus. Nach den Erfahrungen beim Barmer Angriff wurden im Ort neue Schutzräume geschaffen, alte Wasserstollen geöffnet und ausgebaut, Mauerdurchbrüche zwischen den Häusern geschaffen und Gartenzäune und Trennmauern stellenweise beseitigt [...] An allen Häusern der Hauptstraße wurde der Eingang zu Schutzräumen gekennzeichnet.

Und dann geschah das seit langem Befürchtete. Am 25. Juni 1943, ab 1:00 Uhr, griffen 630 britische Bomber Elberfeld an. Der Flächenbrand erreichte ein Ausmaß von 12 qkm. Bei diesem Angriff wurden auch Teile von Cronenberg zerstört. In den beiden Nächten des 30. Mai und 25. Juni 1943 verloren die Menschen alles, was ihr Herz umschloß, ihre Angehörigen, ihre Häuser, ihre Wohnungen mit all ihrer Habe.

Nach den verheerenden Luftangriffen im Mai und Juni 1943 wurden die überlebenden und obdachlosen Familien in Schulen, Heimen oder in Einzelzimmern am Stadtrand untergebracht. Auch Langerfeld erhielt Obdachlose zugewiesen, die zunächst vom Hilfszug Bayern mit Essen versorgt wurden. Ganze Schulklassen mußten zu Hause Abschied nehmen und fuhren mit ihren Lehrern in Kleinstädte Thüringens und Sachsens in vorbereitete Lager. Ältere Schüler nahmen den Platz von Erwachsenen ein. Sie wurden Schaffner oder Luftwaffenhelfer bei den Luftabwehrkanonen. Ganze Familien und Verwandtschaften lebten getrennt.

Der Rückzug der deutschen Truppen aus den besetzten Gebieten hielt an. [...] Am 11. September 1944 überschritten amerikanische Truppen die deutsche Grenze. Als letztes Aufgebot wurden alle Männer zwischen 16 und 60 Jahren zum 'Volkssturm' einberufen."

[Voigt S. 202-204]


Lebensmittelkarte
 
"Reichsbrotkarte",
gültig vom 24. Juli bis 20. August 1944.
Die Lebensmittel waren rationiert,
die Bevölkerung hungerte in der
Wuppertaler Trümmerlandschaft.



Der Angriff auf Barmen vom 30. Mai 1943


"Einer der Piloten schilderte den Angriff folgendermaßen: »Alles, was wir abwarfen, schien an den Berghängen herab ins Tal zu rollen. Brandbomben wurden in fürchterlicher Anzahl abgeworfen, und lange vor Angriffsende war das ganze Zielgebiet von Feuer bedeckt.« [...]

Für die Bevölkerung kam der Angriff völlig überraschend. Sie war an diesem Samstag sorglos wie immer. Der Alarm um 0.14 Uhr schreckte nur wenige auf. Erich Leber gab als Grund an, daß bisher nichts passiert war und daß man sich deswegen nicht mehr luftschutzmäßig verhielt. Erich Mittelsten Scheid schrieb damals: »Um 0.14 Uhr kam Alarm, aber es geschah lange nichts, so daß wir wie wohl viele schon wieder eingeschlafen waren, nachdem wie an so zahllosen Abenden nur in der Ferne leichtes Rummeln der Flak zu hören war.«

Otto Walther Erbslöh wurde »aus tiefem Schlaf durch die Sirene von Bemberg geweckt. Meine Frau wurde nicht ganz wach. Ich blieb zunächst liegen, weil bisher aus diesen Alarmen keine Angriffe erfolgt sind. Hörte dann aber bald das interne Signal von Bemberg und kurz darauf Fliegergeräusch. Ich sprang sofort aus dem Bett, weckte meine Frau und die anderen Hausgenossen.« Die Drahtfunkwarnung »Starke Feindverbände überfliegen Köln in Richtung Wuppertal! Achtung für Wuppertal!« war nur von wenigen Leuten gehört worden.

Kaum waren die Markierungsbomben gefallen, da setzte auch sogleich ein heftiges Bombardement ein. Der Werkluftschutzleiter der Firma Vorwerk u. Sohn, von der Heyden, berichtete: »Schlagartig setzte gleichzeitig ein ungeheurer Bombenregen ein, so daß ich Mühe hatte, überhaupt noch die 150 Meter von der Wohnung zum Betrieb zurückzulegen.«

 
Angriff auf Barmen
 
"Christbäume" am Himmel zeigen
den anfliegenden Verbänden das Ziel;
drohende Zeichen für die Bewohner.
 

Herminghausen von der Flak bestätigte diese Beobachtung: »Schon wenige Sekunden nach der Zielmarkierungsbombe krachten die ersten Sprengbomben in die Gegend zwischen Toelleturm und Wupper. Die nächsten gingen bei der Ruhmeshalle und unserer Vorwerk-Fabrik nieder.« [...]

Bei den ersten Detonationen hastete die Bevölkerung in die Keller. Angela Hüttemann schilderte am 9. Juni ihren Verwandten die Schreckensnacht: »Ich sehe plötzlich ein Aufblitzen, rufe ,Vati, aufstehen!', wecke die Kinder, ziehe alle an, unterdessen rauscht schon der erste Flieger über uns, der zweite kommt. Hans (mein Mann) schnappt die Koffer, stürzt mit Franz Werner (ältester Sohn) in den Keller, die beiden Kleinen fassen sich an den Händen, ich hinterdrein. Halbwegs Treppenhaus fallen die ersten Bomben, die Kinder schreien fürchterlich. Glücklich in unserer Gasschleuse versammelt, fallen die Bomben Schlag auf Schlag.«

Studienrat Arensmeier hatte im ersten Weltkrieg manches Trommelfeuer erlebt; der Luftangriff auf Barmen war seiner Meinung nach wesentlich schlimmer, »denn hier fielen schwere Brocken vom Himmel, und nichts konnte ihnen standhalten.«

In anderen Berichten werden ebenfalls die Schreckensszenen geschildert. A.K. schrieb am 15. Juni: »Ich weiß nicht, wie ich mein Kleid und die Jacke noch angezogen habe, ein Griff nach der Tasche, Licht aus und in den Keller. Kaum war ich unten, bekam unser Haus den zweiten Treffer. Durch ein Kellerloch konnten wir sehen, daß es brannte, aber wir konnten erst nach einer ganzen Zeit nach oben und nachsehen. Da war die obere Etage weggebrannt, und das will bei einem so massiv gebauten Haus schon etwas heißen. Dann kamen überall Einschläge, neben uns, gegenüber, hinter uns und in der Ferne.«

In einem anderen Keller wartete Erich Leber. »Eine aufkommende Katastrophenstimmung konnte ich beseitigen, doch ein Angstgefühl bei mir selbst bannte ich nur mit Mühe und schäme mich dessen angesichts des über uns hereingebrochenen Infernos nicht. Eng aneinandergedrückt hockten wir geduckt auf Stühlen und Luftschutzbetten, meine Frau hatte unsere Ursula auf dem Schoß und ich unsere Älteste, Eva, im Arm, und so erwarteten wir jeden Augenblick unser Ende.

Schon mit den ersten Schlägen erlosch das elektrische Licht, und die Finsternis verdeckte gnädig die schreckensbleichen Gesichter rundherum. Das Stöhnen und Aufseufzen bewies zur Genüge, was jeder ausstand, und die Zungen klebten am Gaumen. Es brüllte, rauschte, orgelte, zerbarst um uns herum, Fensterscheiben zerklirrten, Menschen schrien und Hunde heulten, als ob das jüngste Gericht hereingebrochen sei, und dazwischen ohne Aufhören das Heulen der Motoren zum Angriff und Abwurf ansetzender Bomber, die von keiner einzigen Flakgranate in ihrem Wahnwitz gestört wurden.

Ein fürchterliches Gefühl ist es, ohne die Möglichkeit handelnden Eingreifens oder der Abwehr abwarten zu müssen. Waren es Minuten, waren es Stunden, wir wußten es kaum, als das Getöse etwas nachließ und wir uns schnell umsehen konnten, ob das Haus etwas abbekommen hatte.«

Diese Schilderung zeigt, warum nur wenige Menschen - besonnen oder verwegen - den Kampf mit den ersten Bränden aufnahmen. Nach der Stromversorgung fielen sogleich Wasser, Gas und Telephon aus. Die Sammelwasserleitung erhielt gleich zu Anfang etwa 30 Treffer; so blieb für die Feuerbekämpfung nur noch die unabhängige Löschwasserversorgung übrig. Überall flackerten Brände auf. Otto Walther Erbslöh sah »bald überall Brände auflodern. Zunächst auf dem Norrenberg, in der Öhde, Merklinghaus Haus, überall über die Stadt zerstreut.«

Auf dem Dach der Firma Vorwerk u. Co. beobachtete Oberleutnant Herminghausen den Angriff. »Die Luft war dauernd von dem Sausen und Krachen der Spreng- und Minenbomben erfüllt. Die schwersten Kaliber wurden mit abgeworfen. Es waren Tausende von diesen Dingern, die auf einen ganz engen Raum abgeworfen wurden. Und daneben regnete es Hunderttausende von Brandbomben und darunter auch große Flüssigkeitsbrandbomben und Brandkanister. Schon nach wenigen Minuten waren wir derartig in Rauch gehüllt, daß wir kaum noch etwas sehen konnten. Das Knistern und Knattern des Feuers sowie das Krachen der einstürzenden Dächer, Decken und Wände verstärkten dann noch den Höllenlärm.

Rings um uns herum lohten die Brände. Und immer wieder das Aufblitzen neuer Sprengbomben dazwischen. Eine Minenbombe riß das nächste Haus nordwestlich der Fabrik weg. An der Südwestecke fingen die Verwaltungsgebäude Feuer. Mit rasender Geschwindigkeit brannten diese weg. Es waren die schönen Häuser an der Mühlenstraße. Eine andere Bombe riß den Bahnhof Heubruch weg, der unserer Firma gerade gegenüber liegt, nur durch eine Straße getrennt. Davon steht nicht mehr ein Stein auf dem anderen. Bald darauf haute eine Sprengbombe in das letzte Haus des Mühlenweges an dem Ostende ein und vernichtete mit einem Schlag die Apotheke. Am verheerendsten aber war die Wirkung der Brandbomben.« [...]

Viele kleine Brände schlossen sich zu Großfeuern zusammen. Starker Wind fachte sie an. Erich Leber erwähnt besonders den »sturmartigen Wind, der sich mit einem merkwürdigen Sausen und Zischen verband, das die Luft weithin erfüllte. Es waren die Töne des riesenhaften, unsere ganze Vaterstadt Barmen überlagernden Flammenmeeres« [...]

Was konnte die Bevölkerung gegen Brandbomben und Feuer unternehmen? Zehntausende resignierten, warteten in den Kellern. Vergessen waren Vorschriften und Ratschläge. Diejenigen, die sich nach draußen wagten, fanden oft keine Löschmöglichkeiten. So blieb für viele nur die Flucht. In Ronsdorf, das zufällig getroffen wurde, brannten ganze Reihen von Fachwerkhäusern in 20 bis 30 Minuten nieder. [...]

»Tief unter uns lag die Wupper mit dem gespenstisch über ihr aufragenden Schwebebahngerüst. Am andern Ufer standen Wohnhäuser, Fabriken und Lagerschuppen in Flammen, doch alles überragten dazwischen die riesenhaften Fackeln der beiden Türme unserer alten Unterbarmer Kirche, der Hauptkirche, in der ich getauft und auch konfirmiert wurde. Rechts und links dahinter brannte es ebenfalls lichterloh, doch alles andere verschluckte der Rauch, der in dicken Schwaden über unserer Stadt schwelte. [...] Der Bezirk Loh, in dem sich meine Erlebnisse zutrugen und in dem sich fast ausschließlich Wohnhäuser befinden, wurde zum großen Teil ein Raub der Flammen.« [...]

Dichte Bauweise, Fachwerkbauten, enge Straßen waren beste Voraussetzungen dafür, dass sich die zahllosen Einzelbrände zu einem Flächenbrand zusammenschlossen. Der Polizeipräsident wies in seinem Abschlußbericht vom 23. August besonders darauf hin, um die hohen Verluste zu erklären. Der Flächenbrand in Barmen bildete sich schnell, wurde durch immer stärker werdenden Wind angefacht, steigerte sich aber nicht zum Feuersturm. Auch der Führer des Feuerlöschdienstes betonte, »daß in kurzer Zeit die Talsohle von Barmen ein einziges Flammenmeer war.« [...]

Wochen dauerte die Bergung der Toten. Die meisten Verluste waren dadurch entstanden, daß die Bevölkerung völlig unerfahren zu lange im Keller geblieben war und nachher alle Fluchtwege versperrt gefunden hatte. Zwei Drittel der Verluste kann man auf das Feuer zurückführen, sei es, daß die Leute im Keller erstickten, oder daß sie im brennenden Asphalt ihr Leben verloren. [...]

Aus rund 3 900 total zerstörten Häusern wurden zunächst 2 732 Tote geborgen: 726 Männer, 1 544 Frauen, 434 Kinder und 28 Ausländer [!]. Die Zahl erhöhte sich später auf 3 380! Mit etwa 1 700 Spreng- und rund 280 000 Brandbomben hatte das Bomberkommando Barmen zerstört."

[Krüger 1979 S. 10 ff]


  RAF Bomber Command - Mai 1943
  - Juni 1943
  - März 1945

In der Literatur werden unterschiedliche Zahlen von Toten und Verletzten, zerstörten Häusern und Wohnungen genannt. Wer es genau wissen möchte, dem wird im Wuppertaler Stadtarchiv geholfen.




Warum wurde Wuppertal 1943 angegriffen?

Gute Gründe gibt es für alles. Wer wollte daran zweifeln? In dem 1983 vom Wuppertaler Stadtarchiv herausgegebenen Sonderheft über die Luftangriffe auf Barmen und Elberfeld gehen Norbert Krüger und Michael Metschies darauf ein.

Danach stehen die beiden Nachtangriffe auf Wuppertal im Zusammenhang mit der "Schlacht um die Ruhr", die am 5./6. März 1943 mit dem Angriff auf Essen begann. Ziel der angreifenden Engländer war es, Industrie und Infrastruktur des Ruhrgebiets zu zerstören. Dass auch Wuppertal auf der Zielliste der britischen Luftwaffe stand, ahnte noch niemand. [Krüger/Metschies S. 3]

Sir Arthur Harris, Chef des britischen Bomberkommandos, begründete am 16. Juni 1943, etwa zwei Wochen nach dem Angriff auf Barmen, die Auswahl der zu bombardierenden deutschen Städte, so: "Um den Feind zu zwingen, seine Verteidigungsmittel verstreut zu halten, hauen wir gelegentlich eine Stadt wie Wuppertal zusammen ('to bump off'). Ich zweifle nicht daran, daß das Ergebnis dieses Angriffs darin bestanden hat, Solingen, Remscheid, Hagen und ähnlich zweitklassige Ziele nach Schutz schreien zu lassen, denn bei Wuppertal gab es praktisch keine Verteidigung."

"Bisher hatte der englische Luftfahrtminister stets betont, daß nur militärische Ziele bombardiert würden und absichtliche Angriffe auf deutsche Wohn- oder Arbeitersiedlungen als absurd bezeichnet, obwohl "nahezu hunderttausend Flieger wußten und erkannten, daß ihre Maschinen Nacht für Nacht mit der festen Absicht losgeschickt wurden, Deutschlands Städte in Flammen aufgehen zu lassen" [Irving, zitiert bei Krüger/Metschies S. 11]

"Unglaublich? Haben nicht Politiker und Militärs seit jeher Gründe für die seltsamsten und unbegreiflichsten Maßnahmen nennen können?" [Krüger/Metschies (1983) S. 9-12 f] Ausführlichere Informationen können bei Krüger (1979) nachgelesen werden.

  Dass den britischen Bomberpiloten im Juni 2012 nun auch noch in London an prominenter Stelle ein Denkmal gesetzt wurde, macht einfach nur sehr, sehr traurig.
  Spiegel-online vom 28.06.2012




Das Ende 1945

"Im Januar 1945 gelang den sowjetischen Truppen der Durchbruch an der Weichsel. Im März 1945 wurden die Lebensmittelrationen noch einmal drastisch gekürzt. Feindliche Truppen standen in Dinslaken und Siegen. Die Menschen spürten, daß ihnen eine Einkesselung bevorstand. Die Tiefflieger beherrschten das Gebiet. Die Menschen kamen aus den Schutzräumen nicht mehr heraus. Einkaufen war nur noch in den frühen Morgenstunden vor 7 Uhr möglich. In der Zeit fanden auch wichtige Gänge oder Beerdigungen statt.

Am 3.3.45 warfen Tiefflieger Bomben auf die Bahnanlagen und den Friedhof Kohlenstraße. Am Nachmittag griffen Bomberverbände Schwelm an. Nach 15 Minuten war die Innenstadt zerstört, darunter die drei Kirchen. Der Luftalarm dauerte an manchen Tagen von halb acht in der Frühe bis halb acht am Abend. Danach begann dann der nächtliche Alarm. Das Leben der Menschen spielte sich zeitweilig unter der Erde ab." [Voigt S. 204]

Am 13. März 1945, knapp vier Wochen vor der Besetzung durch amerikanische Truppen, flogen 344 Bomber zwischen 15:40 und 16:20 Uhr den Osten Wuppertals an. Ihr Ziel waren die Bahnanlagen. Über 3 600 Spreng- und 140 000 Brandbomben fielen auf Heckinghausen, Oberbarmen, Langerfeld und auf den Westen Schwelms. [Voigt S. 204] In den Wuppertaler Nachrichten erschien am nächsten Tag ein kurzer, nichtssagender Artikel über den "Terror-Angriff auf Wuppertal".

"Das Ausmaß der Zerstörungen war beträchtlich. Die Menschen kamen heil aus den öffentlichen Schutzräumen. Der Stollen Rauental war durch eine Bombe verschüttet. Hier waren etwa 350 Menschen eingeschlossen. Bis zum nächsten Tag wurden 270 geborgen. In den Kellern der Wohnhäuser kamen viele Menschen ums Leben." [Voigt S. 204 f]

Bei diesem Angriff am 13. März 1945 wurde das Haus meiner Großeltern in der Langerfelder Weddigenstraße 37 zerstört. Die Familie überlebte, weil man sich - ausnahmsweise, eher zufällig und nach Meinungsverschiedenheiten über den geeigneteren Schutzraum - in der Waschküche aufgehalten hatte und nicht in dem nebenan liegenden, als Luftschutzkeller hergerichteten Raum. Diesen Schutzraum gab es nach dem Treffer nicht mehr. Das Haus war praktisch dem Erdboden gleich. Hausrat lag verstreut im Garten, im Birnbaum hingen Kleider und Bettwäsche. Auch die beiden Nachbarhäuser Nr. 35 und 39 standen nicht mehr. Aus dem Keller des einen Nachbarhauses kamen noch lange leiser werdende Hilferufe, man grub verzweifelt mit den bloßen Händen, aber die Nachbarn konnten nicht mehr lebend aus den Trümmern geborgen werden.

Die Aufräumarbeiten waren wegen des Tieffliegerbeschusses sehr schwierig. Am 19. März um 17 Uhr griffen erneut amerikanische Verbände an. Wieder war das Ausmaß der Zerstörungen gewaltig. Wohnhäuser und Fabriken, Kirchen und Schulen lagen in Schutt und Asche. Straßen, Schienenwege und Brücken waren zerstört. 120 Menschen sollen bei den beiden Luftangriffen am 13. und 19. März den Tod gefunden haben.

Über diesen Angriff ist in den Wuppertaler Nachrichten des 20. März kein Wort zu finden, wohl aber ein Artikel "Der Führer sprach zu tapferen Hitler-Jungen", darunter ein Zwölfjähriger mit Kriegsauszeichnung (!). Unter anderem sprach der Führer: "Ich bin fest davon überzeugt, daß wir in diesem Kampf trotz aller Schwere der Zeit den Sieg erringen werden."




Quellen:
  • Krüger (1979) S. 10 ff
  • Krüger / Metschies (1983)
  • Voigt (o.J., ca. 1990/1991)
  • Wuppertaler Nachrichten vom 14. und 20.03.1945
  • WZ Westdeutsche Zeitung v. 27.12.2007 u. 09.01.2008

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