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Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die hier aufgeführten einstigen Ittertaler Idyllen gibt es so nicht mehr, wenn auch das Ittertal nach wie vor als reizvolles Naherholungsgebiet gelten kann. Vor 70, 80, 100 Jahren sah es hier noch ganz anders aus. Aber nach wie vor können Familien mit kleineren Kindern vergnügliche Stunden auf dem Gelände des einstigen "Volkspark" verbringen, und auch das Strandbad, das in der bisherigen Form nach 90 Jahren seiner Existenz schon in den letzten Zügen lag, wurde unter neuer Leitung (2009) schließlich doch weiter betrieben. Längst vergessen sind hingegen der einstige Vogelschutzpark und das Ittertaler Heimatmuseum.

  Nicht auszuschließen sind allerdings künftige Veränderungen, die den Bestand des Naherholungsgebietes gefährden und gleichzeitig den Lebensraum der hier heimischen Tiere und Pflanzen weiter beschneiden. Wie das Solinger Tageblatt am 18.08.2012 berichtete, will die Stadt Solingen im Zuge der neuen Regionalplanung vier neue Gewerbegebiete ausweisen, die am Rande des Ittertals liegen: bei Keusenhof, Fürkeltrath II, Piepersberg-West und Buschfeld.




Ittertaler Volksgarten


Ittertalstraße 50
 
1980
Ittertalstraße 50
Ehemals Restaurant des Volksgartens
und nach langem Leerstand 2008 wieder in Betrieb.

An der Ittertalstraße in Solingen-Wald befindet sich der Eingang zu einer Freizeit-Attraktion, die es an dieser Stelle - mit anderen Schwerpunkten zwar - bereits vor mehr als hundert Jahren gegeben hat. Damals hieß sie noch nicht "Familienparadies Ittertal", sondern "Ittertaler Volksgarten". Äußerlich hat sich das frühere Restaurant des Ittertaler Volksgartens in den letzten Jahrzehnten nur wenig verändert. Noch immer steht über der Tür "Märchenwald-Ittertal Friedr. Weck", auch wenn das längst nicht mehr stimmt.

Früher einmal mit Tanzfläche und Café ausgestattet, wurde das Gebäude auch weiterhin gastronomisch genutzt. Vor einigen Jahren konnten hier noch Grillspezialitäten in spanischem Ambiente genossen werden, dann wurden Küche und Pforten geschlossen. Nach siebenjährigem Leerstand und größeren Umbaumaßnahmen ist Ende August 2008 in Gestalt eines Restaurants für asiatische Spezialitäten wieder kulinarisches Leben in das hübsche alte Gebäude eingezogen.

"Einer alten Schleiferfamilie entstammt der Besitzer des Volksgartens [Friedrich Weck, 1901]. Um das Jahr 1690 zog die Familie Weck aus Burg an der Wupper nach Obenitter. Hier kaufte sie [...] das Bauerngut zu Obenitter und den Weckskotten (jetzt Kirschbaumskotten), der bis zum Jahre 1875 in dem Besitz der Familie blieb. Auf der Itter schliffen die Wecks fast zweihundert Jahre lang große Messer, während sie in Burg Schwerter geschliffen hatten."
[SKIB 11.05.1901]


Volksgarten
 
Itterthaler Volksgarten,
Besitzer Fr. Weck.
Oben-Itter, Wald, Rhld.
Nach einer Ansichtskarte,
um 1898

Dokumentarischen Wert hat das vorstehende hübsche Ittertaler Alpen-Panorama nur insofern, als es die Ende des 19. Jh. bei der Ansichtskarten-Gestaltung vom Graphiker gern genutzte - oder in Auftrag gegebene - künstlerische Freiheit demonstriert. Der ausgedehnte See dürfte mindestens das Gelände des späteren Strandbades mit umfassen und einen bis zwei Schleifkotten verschluckt haben. Hat er aber nicht.

Den etwas bescheideneren Realitäten - zumindest, was das Ausmaß des Sees bzw. Gondelteichs angeht - nähert sich die folgende photographische Aufnahme an, die aus derselben Zeit stammt und einen freien Blick bis hinüber zum Ort Wald zulässt.



"Gruss aus Wald.   Ein Blick in's Itterthal: "Volksgarten" des Herrn Fr. Weck.
Ausschnitt aus einer Ansichtskarte, um 1899.   Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen


Das Dach vorn links im Bild muss zu dem Gebäude gehören, aus dem später das "Schwarzwaldhaus" wurde. Undeutlich ist daneben - zumindest in der Vergrößerung - am linken Bildrand der Neuenkotten zu erkennen.

1899 ist der Restaurant-Anbau noch nicht vorhanden. Aber es gibt, wie man sieht, schon ausgedehnte Parkanlagen und einen Teich zum Kahnfahren. Woher bezieht er sein Wasser? Nur ein kurzes Stück itteraufwärts wird für den Neuenkotten die Itter gestaut, und ein kurzes Stück bachabwärts für den Kirschbaumskotten. Beide Schleifkotten sind 1899 noch voll in Betrieb.


Ittertaler Volksgarten
 
Um 1910
Ittertaler Volksgarten
Ausschnitt aus einer Postkarte.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Um 1910 verfügte das Haus über einen recht großen Gastronomie-Anbau. Das Abbild der fotogenen Anlage wurde in vielen Varianten als schwarz-weißes oder coloriertes Postkartenmotiv verschickt. Alles wirkte idyllisch und romantisch und hatte sicher viele verschwiegene Winkel. So bunt und kindgerecht wie heute trieb man es noch lange nicht, aber ein Wasserkarussell drehte schon damals seine Runden.

Auf der folgenden Aufnahme von 1907 ist es zu sehen, - vielleicht wurde es gerade eingeweiht. Anscheinend posiert das Personal (in adretter weißer Schürze) mit für dieses Foto. Die bunten Tierfiguren erhhielt das Wasserkarussell erst später.



 
"Gruß aus dem Ittertaler Volksgarten: Das Wasserkarussell".
Ausschnitt aus einer Postkarte.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Das Baujahr des Wasserkarussels wird auf einem Plakat vor Ort und in Presseveröffentlichungen mit 1912 angegeben. Aber wie die alte Ansichtskarte von 1907 zeigt, ist zumindest die Grundausstattung noch älter. Damit ist es vielleicht das älteste noch aktive Kinderkarussell Deutschlands.

Man ließ sich etwas einfallen, um Gäste anzulocken. 1928 warb man nicht nur mit prachtvollen Tanzsälen (die Pracht war eindrucksvoll, wie alte Fotos im Solinger Stadtarchiv belegen), sondern auch mit einem neuen Gondelteich:



 
Ittertaler Volksgarten, das "Tanzlokal ersten Ranges", mit neuem Gondelteich.
Werbeanzeige, Bergische Heimat Nr. 8/1928, 2. Jg.

Der bisherige Teich war also zu dieser Zeit erweitert worden. Warum gerade jetzt? Der Kirschbaumskotten hatte inzwischen den Betrieb eingestellt, und der dazugehörige Stauteich wurde nicht mehr benötigt. Er konnte in die Anlage des Volksgartens integriert werden und statt der Arbeit fortan dem Vergnügen dienen.



 
1959 drehte sich das Wasserkarussell
mit den exotischen Tierfiguren.
Hier das Walross mit seiner Besatzung.

Nach 1945 bzw. in den folgenden Jahrzehnten sind Konzept und Gestaltung dieses Vergnügungsparks verändert und an die jeweiligen Freizeitbedürfnisse angepasst worden. Auch die Gastronomie passte sich an und versuchte durch unterschiedliche Angebote von Bockwurst mit Senf auf Pappe bis Tafelspitz auf Porzellan in jeweils passender Umgebung allen Gästen und jedem Portemonnaie gerecht zu werden.

Veränderungen und Anpassungen an den kindlichen Kundengeschmack gab es auch wieder im Oktober 2002, als Park und Märchenwald nach vorübergehendem Dornröschenschlaf als kunterbuntes "Familien-Paradies Ittertal" neu eröffnet wurden.

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Strandbad Ittertal


Ittertaler Strandbad
 
Strandbad Ittertal -
Bes. C. Fr. Ern,
Restaurateur Fr. Weck - Wald (Rhld.).
Feldpostkarte 01.07.1918.
Slg. Michael Tettinger

Das Ittertaler Strandbad, das man vom absteigenden Waldweg aus leuchtend blau durch die Bäume schimmern sieht, wurde 1913-1916 von Carl Friedrich Ern errichtet, dem Begründer der gleichnamigen Walder Rasiermesser-Firma. Ern baute das Strandbad aus eigenen Mitteln. Es war seine letzte private Leistung für die Öffentlichkeit. [Rosenthal]


Ittertaler Strandbadbau
Die Bassinanlage im Bau. Vorne links ist
der Kirschbaumskotten mit aufs Bild gekommen. Quelle: Werbeprospekt Ittertaler Strandbad S. 22
 
Ittertaler Strandbadbau
Das große Wehr und das Eingangsgebäude im Bau. Quelle: Werbeprospekt Ittertaler Strandbad, S. 23

"Die Beton-, Eisenbeton- u. Maurerarbeiten mußten in der kurzen Zeit von April bis Juni, also in ca. 4 Monaten hergestellt und das Material unter den schwierigsten Wegeverhältnissen (unbefestigte Straßen) herangeschafft werden. Zur Herstellung der vorbenannten Arbeiten sind allein 925 Doppelwagen Material verbraucht. Dieses ganze Baumaterial mußte von der neu angelegten Straße nach der tief gelegenen Baustelle heruntergeschafft werden und wurde von dort mittels Feldbahn nach den teilweise sehr weit entferntgelegenen Verwendungsstellen transportiert."

Julius Didszies Zementbau-Gesellschaft m.b.H., Barmen.

"Sämtl. Beton-, Eisenbeton- u. Maurerarbeiten des Strandbades Ittertal sind von unserer Firma ausgeführt worden."

[Prospekt zum Ittertaler Strandbad, S. 22 f]


Im ersten Jahrzehnt seines Bestehens bezog das Strandbad sein Wasser aus zwei Brunnen und den daran angeschlossenen Stollen, die je 70 Meter tief in die beiderseitigen Berge getrieben waren.

"Das hier aufgefangene Grundwasser wird durch zwei große Pumpen zu den auf der Höhe des Walder Talrandes liegenden Ernschen Werken emporgedrückt, wo es durch den Abdampf einer 600pferdigen Dampfmaschine auf etwa 30° erwärmt wird. Nachdem es von allen überflüssigen Stoffen gereinigt worden, wird es wieder zu Tal gelassen, von wo aus es dann den verschiedenen Bassins zugeführt wird." [Lomberg]

Es gab ein Herren-, ein Damen- und ein großes Familienbad, durch Holzwände voneinander getrennt.



Lageplan des neuen Ittertaler Strandbades
(1920er Jahre).
Für eine vergrößerte Abbildung
hier klicken.

Der Prospekt zum neuen Strandbad hält für dem geneigten Strandbadbesucher auch Beschreibungen der Anfahrtsweg bereit. So soll er z.B. von Ohligs aus "die elektrische Straßenbahn [benutzen] und fährt bis Wald-Kirche, von wo aus er in wenigen Minuten zum Ittertal gelangt..." Geplant war eigentlich eine noch bequemere Anreisemöglichkeit:

"Die eigentliche Strandbadbahn, die von der Höhe der Stadt Wald quer durch das Ittertal zur Höhe der Stadt Haan und so ganz dicht am Strandbad vorüber führen soll, war in ihren Vorarbeiten schon soweit gefördert, daß sie im Jahre 1915 dem Verkehr übergeben werden sollte. Der Krieg hat die Fertigstellung dieser Bahn gestört. Nach Friedensschluß bietet diese Bahnstrecke die bequemste und unmittelbarste Verbindung zum Strandbad hin, dessen Haupteingang nur 2 Minuten von dieser Bahnstrecke entfernt liegt." Dazu ist es nicht mehr gekommen. Stattdessen wurde 1924 eine Autobuslinie Solingen-Wald-Haan eingerichtet.

Nach dem Ersten Weltkrieg bereitete die Wasserverschmutzung duch Industrie und Wohnsiedlungen große Probleme. Ein großer Stausee sollte Abhilfe schaffen. Da die Kosten in Höhe von 200 000 Mark die private Leistungsfähigkeit überstiegen, sprangen der Kreis und die Städte Wald, Ohligs, Gräfrath und Haan ein und bauten in den Jahren 1927/28 oberhalb des Strandbades eine Talsperre, die aus dem Holzer Bach gespeist wurde. Die Stadt Haan beteiligte sich mit einem Zuschuß von 10 000 Mark an den Baukosten. [Lomberg]



 
1927
Dem Bau des Staubeckens
fiel der Linderskotten zum Opfer.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

1936 übernahm die Stadt Solingen das Strandbad.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Anlage und seine Umgebung stark in Mitleidenschaft gezogen, so auch das in unmittelbarer Nähe befindliche Heimatmuseum.



 
Um 1960
Das Strandbad mit Restauration
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Aus dem städtischen Strandbad wurde am 1. Oktober 1987 - im Verbundbetrieb mit einer Eislaufanlage - das als gemeinnützige GmbH geführte "Sport- und Kulturzentrum Ittertal".



 
2004
Der Stausee

Drohendes Ende nach 90 Jahren - und Neustart

Im Frühjahr 2006 berichtete die Presse, dass der Erhalt dieses Freibades wie auch anderer Solinger Bäder aus Kostengründen in Frage gestellt sei.

  ST 20.10.2007 (kc): "Das Freibad im Ittertal wird bereits nächsten Sommer geschlossen haben. [...] Um das Freibad weiterführen zu können, müsste Ittertal höhere Zuschüsse als die jetzigen 136 770 Euro von der Stadt erhalten. »Das ist bei der Haushaltslage undenkbar«, sagt SPD-Parteichef Dr. Hans-Joachim Müller-Stöver.
»Die Eisbahn wollen wir weiter betreiben. Und im Sommer wollen wir uns auf Sport- und Spielmöglichkeiten konzentrieren«, betont er. Das Nichtschwimmerbecken werde zum Plantschen weiter genutzt. [...] Neben den Beach-Volleyball-Feldern werden im kommenden Sommer Soccer-Felder eingerichtet. [...] Und auch Kunst und Kultur würden im Ittertal gepflegt. [...] Das Hauptgeschäft der Ittertal gGmbH ist aber, Menschen zu fördern und denen Beschäftigung zu geben, die schon lange arbeitslos sind. Dafür seien sinnvolle Betätigungsfelder wichtig. Das Unternehmen beschäftigt 24 Stammkräfte und über 60 Menschen in den unterschiedlichsten Projekten."

  ST 09.11.2007 (kra): "Für die Ittertal gGmbH erklärte Dr. Hans-Joachim Müller-Stöver, dass der Eislaufbetrieb, das Beschäftigungsprogramm und Plantschmöglichkeiten für Kinder gesichert werden sollen."

  ST 14.11.2007 (kra): "Die Betreibergesellschaft im Ittertal hat bereits angekündigt, ihr Bad nicht mehr öffnen zu wollen. Das Angebot ist nicht mehr finanzierbar."

  ST 02.09.2008 (ab): "Ittertal: FDP und Grüne fordern Naturbad"

  ST 04.04.2009: "Ittertal: Zurück zum Freibad"
"Nach einem Jahr Pause öffnet in diesem Sommer [2009] voraussichtlich wieder das Freibad Ittertal."

Im Dezember 2008 konstituierte sich der Förderverein Ittertal e.V. Seit Mai 2009 steht die Anlage unter neuer Leitung. Die neu gegründete gemeinnützige Gesellschaft "Neue Arbeit Ittertal" kümmert sich um Beschäftigungsmaßnahmen für Langzeitarbeitlose sowie deren Beratung und Unterstützung (Stand 2010).

  Ittertal - Strandbad



Quellen:
  • Lomberg (1928) S. 252 f
  • Rosenthal 1967) S. 68
  • Rosenthal: Solingen 3. Bd. (1975) S. 44
  • Solinger Kreis-Intelligenzblatt v. 11.05.1901 [SKIB]
  • Solinger Tageblatt [ST]
  • Website: "http://www.solinger-tageblatt.de/Home/Solingen/Buerger-organisieren-sich-gegen-Gewerbegebiete-74f0da31-6a02-45b7-9451-70c43fbdedbf-ds" am 18.08.2012
  • Strandbad Ittertal Wald - Rhld. (Prospekt) o.J. (um 1919)
  • Westdeutsche Rundschau vom 09.07.1949

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