Pferde-Alltag in alter Zeit
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Inhaltsübersicht Gütertransport Kohlentreiber, Saumpferde, Fuhrwerke


Kohlenstraßen
Kohlentreiber
Wirtshäuser und andere Randerscheinungen
Ortsbezeichnung "Perdsfierowend" (Solingen)



Für die Stahlverarbeitung im Bergischen Land wurde Steinkohle aus dem Ruhrgebiet benötigt. Bis Anfang des 19. Jh. die ersten "Kohlenstraßen" entstanden, mühten sich die Kohlenkarren auf alten, ausgefahrenen, ungepflasterten Wegen von den Gruben im Ruhrgebiet zu ihren bergischen Abnehmern.

Wo im Bergischen Land die schlechten Wegeverhältnisse ein Durchkommen der Fuhrwerke unmöglich machten, kamen die Saumpferde und -Esel zum Einsatz. Was ein Pferd im Karren ziehen konnte, wurde in Säcken auf fünf Pferderücken verteilt. Dass man die empfindlichen Pferderücken gegen ihre scharfkantige Last durch Polster schützte, ist nicht überliefert, wohl aber, dass die Kohlentreiber wie auch die Kohlenfuhrleute keine besondere Rücksicht walten ließen.

Schon im 17. Jh. wird z.B. die Verwendung von Steinkohle in Hammerwerken des Remscheider Morsbachtals erwähnt. Der Kohlenweg, den die Kohlentreiber damals zu benutzen hatten, führte durch das Saalscheid, ein Waldgebiet zwischen Gelpe und Saalbach.

  Solinger Schleifkotten und Hämmer
  Der Bergbau und die Ruhrschiffahrt
  Über den frühen Bergbau an der Ruhr


Eselspfad
 
2003
Über diesen alten "Eselspfad" bei Steffenshammer (Wuppertal-Cronenberg), der früher wahrscheinlich nicht so ordentlich ausgesehen hat, brachten die Kohlentreiber im 18. und 19. Jh. die Kohle aus dem Ruhrgebiet auf dem Rücken von Eseln oder Saumpferden zu den Hammerwerken.
 


Ein Andenken an die Zeit der Kohlenpferde ist die (trockene) historische Pferdetränke in Wuppertal-Heckinghausen an der Ecke Josef-Haydn-Straße / Lönsstraße (die bis 1936 Kohlenstraße hieß), ein zweigeteilter Steintrog, von einer schlichten Säule mit zwei Pferdeköpfen überragt. Sie soll an die alte Kohlenstraße erinnern, die dereinst die Zechen an der Ruhr über Langerfeld und Heckinghausen mit den Hämmern und Kotten im Bergischen Land verbunden hat. Gestiftet wurde der Brunnen von Johann Caspar Engels (1753-1821), Großvater des revolutionären Gesellschaftstheoretikers Friedrich Engels. Auf dem Brunnenrand ist zu lesen: "Seid gut zu den Tieren!"


 
Wuppertal
 
Wuppertal
 
2008
Historische Pferdetränke in Wuppertal-Heckinghausen



Kohlenstraßen

1811-1816 wurde die sog. Werdensche Kohlenstraße angelegt, die wichtigste Straße zwischen (Essen-)Werden an der Ruhr und Solingen. Sie verlief über Velbert - Tönisheide - (Wülfrath-)Aprath - (Wuppertal-)Vohwinkel - Kluse - (Solingen-)Gräfrath - Central - nach Solingen.

Der "Kohlendriewerschweg" führte von Vohwinkel auf die Roßkamper Höhe hinauf und weiter über die heutige Gräfrather Lützowstraße. "Bei Rauenhaus bog dieser Weg ab und führte über Schafenhaus und Altenfeld nach Kohlfurth." [Rosenthal S. 136, S 288]

Etliche der steilen Strecken, so auch die zwischen Vohwinkel und Gräfrath, waren nicht ohne Vorspannpferde zu bewältigen, so dass das Fuhrmannsgewerbe in Gräfrath zunahm und damit auch der Pferdebestand.

Versucht man einmal den ungefähren Verlauf der früheren "Werdenschen Kohlenstraße", soweit es annähernd möglich ist, mit dem PKW nachzuvollziehen, kann man über die gewaltige Leistung der Pferde und Fuhrleute nur staunen. Die Gespanne sollen von Kettwig bis Remscheid zwei volle Tage unterwegs gewesen sein. Allein auf dem Teilstück Wülfrath-Aprath - Wiedener Straße - Vohwinkel (Bahnstraße, Brucher Straße, Ehrenhainstraße) - Gräfrath (Rosskamper Höhe, Ketzberg) sind erhebliche Steigungen und Gefällstrecken zu bewältigen. Wie mögen die Straßen damals ausgesehen haben?

Auch durch Langerfeld (Wuppertal) führte so ein Weg. Die Kohlentreiber mit ihren aneinandergekoppelten Saumpferden kamen über die Kohlenstraße. Um 1780 sollen an manchen Tagen über 50 Kohlentreiber mit je vier oder fünf Pferden durch Langerfeld gezogen sein. Jedes Pferd trug etwa drei Zentner. Wie eine alte Aufnahme belegt, waren Kohlentreiber mit ihren Traglastpferden sogar Ende des 19. Jh. noch im Einsatz.

Aus der Grafschaft Mark bis nach Remscheid waren die Pferde 5 bis 6 Stunden auf schlechtesten Wegen unterwegs; bis nach Solingen dauerte der Marsch 7 Stunden.

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Kohlentreiber

"Kohlpreußen" nannte man die Pferdetreiber aus der westfälischen Grafschaft Mark, die seit 1614 zu Preußen gehörte. "Es waren rauhe, trinkfreudige Gesellen, ihre Tiere dagegen mager und verschüchtert." [Viebahn S. 35] Voigt beschreibt die Kohlentreiber als rauhe, aber gutmütige und lustige Gesellen. Langerfeld soll ihnen eine Reihe von Flurnamen verdanken wie Hippenkopp, Lurhasen oder am stiewen Köttel, eine Wegbezeichnung am Steilhang vom Kaiserplatz zur Buschenburg. [Voigt]

  Wie man sich die Kohlentreiber vorzustellen hat, ist auf einem nachgestellten Foto von der Hohenlimburger 700-Jahr-Feier aus dem Jahr 1930 zu sehen (Kohlentreiber auf der Lennestrasse um 1780).

Anderenorts waren die Kohlentreiber eher berüchtigt und gefürchtet.

Otto Schell hat im Jahr 1931 in der Zeitschrift "Die Heimat" einen kleinen Artikel über die Kohlentreiber veröffentlicht, in dem ihr derber Umgang mit den bedauernswerten, halbverhungerten Tieren wie üblich nur am Rande erwähnt ist. Wenn einem solchen Schlitzohr einmal ein kleiner Denkzettel verpasst wird - wie hier in einer Anekdote erzählt - könnte womöglich ein bisschen Schadenfreude aufkommen.


Die Heimat 1931 S. 63
Der Kohlentreiber.
Von Otto Schell.

[...] Die Kohlentreiber sind viel geschmäht worden, haben aber auch kräftige Verteidiger gefunden unter ihren Zeitgenossen. Wir haben heute einen genügenden Abstand von ihrem Zeitalter gewonnen, um ihnen einigermaßen gerecht zu werden.

Der Kohlentreiber ist namentlich hervorgetreten in den Gegenden des Bergischen und Sauerlandes mit ihren Bergen und engen Talschluchten. Er lieferte den Bewohnern der einsamen Weiler den benötigten Brennstoff, um in bitterer Winterkälte durchhalten zu können, da der Wald diesen Zweck nicht mehr ganz zu erfüllen vermochte. Dazu gab es in den schier unzähligen Bachtälern dieser Gegenden eine große Anzahl kleiner industrieller Anlagen, Hammerwerke und Schleifkotten, die sich teilweise bis zur Gegenwart erhalten haben. Diesen kleinen, malerischen Anlagen der Eisenindustrie führten die Kohlentreiber den Brennstoff in Form der schwarzen Diamanten, wie man die Steinkohlen treffend benannt hat, namentlich aus den südlichen Randgegenden des Ruhrgebietes zu.

Auf andere Weise waren diese einsam in den engen Tälern gelegenen Industrieanlagen nicht zu erreichen, denn nur schmale Pfade, die oft mehr Wasser-Rinnsalen als Wegen glichen, führten zu ihnen von den langgezogenen Höhen hinab, kaum ausreichend für die mageren Gäule der Kohlentreiber, die mit schmalen Kohlensäcken beladen wurden. So dienten diese Menschen der vielseitigen Industrie unserer Gegenden und damit der steigenden Kultur. Karl Theodor schuf dann zu den alten Eisenstraßen unseres Landes mit großen Kosten neue Kohlenstraßen, die sich heute noch vielfach nachweisen lassen.

  Carl Theodor von Pfalz-Sulzbach (1724-1799),
Herzog von Jülich-Berg, Kurfürst von der Pfalz (1742-1799).


[...] Auf diesen geradezu unglaublich schlechten Wegen vorwärts zu kommen zu den Absatzstellen der Kohlen war eine schwierige Sache, zumal mit den abgetriebenen Gäulen der Kohlentreiber, die wenig Hafer zu fressen bekamen. Das Antreiben der Tiere mit Stock, Peitsche und lästerlich klingenden Flüchen war eine unausbleibliche Folge der angedeuteten Uebelstände.

[...] Der Weg war weit und wurde mit Mühe und Not zurückgelegt. Dadurch waren die Kohlentreiber gezwungen, oft einzukehren in den zahlreichen kleinen Wirtshäusern, die an ihren Wegen mit kluger Berechnung angelegt waren und die sich an einigen Stellen noch heute nachweisen lassen. Dazu hatte der Kohlentreiber gute Einnahmen, da er oft die Kohlen selbst aus der Erde buddelte, wo sie frei zutage traten.

Die Tracht des Kohlentreibers war seinem Beruf ganz angemessen. Derbe Schuhe ermöglichten das Durchkommen auf den hundsmiserablen Wegen. Leinen-Gamaschen bedeckten die Beine bis zu den Knien. Der allgemein am Niederrhein und in Westfalen beliebte blaue Kittel war bei den vielen Niederschlägen ein vorzügliches Kleidungsstück. Ein alter Cylinder oder ein weicher Filzhut, zerknittert, verbeult, schier dreißig Jahre alt, schützte das Haupt.

So wurde der Kohlentreiber eine typische Figur der Straße der früheren Zeit mit allen ihren Mängeln, ein Mann, der meist einen kleinen Kotten [= Hütte] auf einer Waldblöße sein Eigen nannte, der mit seinen Genossen in kleineren oder größeren Karawanenzügen die Gegend durchzog. Ein Zug groben Humors machte sich ganz von selbst in dieser eigenartigen Gesellschaft geltend, der sich in manchen Ortsbezeichnungen ausprägte, z.B. Schnapsstüber, alte Schockel, an der Bratwurst usw.

Auch die Anekdote bemächtigte sich unseres Kohlentreibers. Ein Glied dieser Zunft lieferte, wie erzählt wird, an einem Wintertage einem Apotheker in einem kleinen Ort des Bergischen einige Säcke Kohlen, die aber mit Eisstücken stark durchsetzt waren. Der Medizinmann merkte bald den Betrug und beschloß, sich zu rächen. Als der Kohlentreiber das nächste Mal seine Kohlen abgeladen hatte, nötigte ihn der Apotheker zu einem Schnaps; dem ersten folgte ein zweiter und bald ein dritter. Als der Kohlentreiber sein Geld eingestrichen und sich einige Minuten entfernt hatte, fühlte er entsetzliche Schmerzen in seinen Eingeweiden, so daß er die Lust am Leben verlor. Einige Tage litt der Biedermann an den Folgen des Apothekerschnapses. Von dieser Zeit an bekam der Apotheker sein richtiges Maß Kohlen; auf den Schnaps verzichtete er fortab. [...]

Später, als die Wege einigermaßen besser wurden, luden die Kohlentreiber ihre Kohlensäcke auf lange, schmale Karren, die noch in der Erinnerung unserer Zeitgenossen leben.


Die Anekdote über diesen "Knallendriwer" findet sich als Gedicht in der Mundart von "Möllenkotten bei Schwelm" in der Sagen-Sammlung "Germaniens Völkerstimmen", 1843 herausgegeben von Johannes Matthias Firmenich.

Auch in der Festschrift zur Jahrhundertfeier der 1908 wird an die Kohlentreiber und ihre arg strapazierten Pferde erinnert:

"Der Holzvorrat der Wälder genügte bei der großen Zunahme der Bevölkerung für den Hausbedarf schon lange nicht mehr, geschweige denn für die Industrie. Das Brennmaterial mußte deshalb aus dem nahen Kohlengebiet herbeigeschafft werden. Da die Wege in das Gebiet aber schlecht und nicht ausgebaut waren, so konnten die Karren nur wenig laden, ja ein großer Teil der Kohlen wurde von den sogenannten Kohlentreibern in Säcken auf dem Rücken der Pferde ins Tal gefördert.

Auf dem vorderen Pferde saß der Kohlentreiber so, daß seine Beine nach einer Seite des Pferdes herabhingen, während das Pferd mit Stößen des Stockes, den er über den Rücken gelegt, zwischen den Armen hielt, antrieb und lenkte. Hinter diesem Pferde folgten bis 12 mit Kohlensäcken beladenen Pferde, von denen der Zügel des einen an dem Schweif des andern befestigt war und die mit ihren langen mageren Hälsen und den einem Buckel gleichenden Kohlensäcken fast den Anblick einer Karawane von Kamelen boten.

Mit der Verbesserung der Wege traten auch für die Kohlenbeförderung andere Verhältnisse ein und diese erfuhren namentlich eine Veränderung, als die Eisenbahnen den Transport übernahm." [Werth 1908]

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Wirtshäuser und andere Randerscheinungen

Weitere Überlieferungen aus der hier nicht näher definierten Zeit der Kohlenstraße und die beiden für die Fuhrleute so wichtigen Gewerbezweige, die am Rande dieser Straße ihr einträgliches Auskommen fanden, hat Oswald Rowek zusammengestellt.


Bergische Blätter Nr. 7, Juli 1983, S. 14

Chronik der alten Kohlenstraße von Kettwig nach Solingen.

Von Oswald Rowek.

"[...] Mit Pferd und Wagen brauchte man damals volle zwei Tage von Kettwig bis Remscheid. [...] Am Schloß Aprath waren schon lange Stallungen für die Postkutschen und Pferde vorhanden. Man wurde sich einig, hier auch für die Kohlenpferde eine Übernachtungs- und Austauschmöglichkeit zu schaffen.

So konnte es am frühen Morgen ausgeruht weiter bis zu den Wiesen, dem heutigen Wieden, gehen. Hier kreuzten sich damals schon Straßen nach Elberfeld und Vosswinkel. In den Wieden wurden die Pferde ausgespannt und geweidet. Auch der Fuhrmann mußte futtern.

Da die Kohle immer begehrter wurde und mehr und mehr Fuhrwerke in den Wieden anhielten, witterten gleich einige Bauern das Geschäft ihres Lebens. Sie errichteten eine sofort ins Auge fallende Schenke, das jetzige Wiedenerhäuschen. Das Geschäft im 'Wiedener Hüsken' florierte. Ohm Hartmann baute eine Hufschmiede, mit der er durch viel Fleiß schnell wohlhabend wurde.

Etwa hundert Meter von der Kreuzung in Richtung Dornap entfernt kam bald eine zweite 'Pferdeschuhwerkstatt' hinzu. An der jetzigen Ecke Werkstraße verkaufte Ohm Bäumer Nägel für Hufe, Pferdegeschirr und Eisenwaren. Die Fuhrmänner brachten Schneidwaren aus Solingen zum Tausch mit.

Fuhr man noch ein Stück den Berg in Richtung Elberfeld hinauf, bot sich die Möglichkeit, in Sandfeld in Ohm Römers Schenke einzukehren und nebenan in der Hufschmiede bei Ohm Valentin sein Pferd beschlagen zu lassen.

Noch heute sind an der Gaststätte Römer in der Nähe von Schloß Lüntenbeck die Eisenrohre zu sehen, an dem die Pferde angebunden wurden und oft stundenlang auf ihre zechfreudigen Herren warten mußten. In der Schenke steht noch die über hundertjährige Zapfsäule für Bier, im Flur eine Pumpe, mit der Schnaps aus einem Holzfäßchen gespritzt wird. An den Wänden hängen Achtelliter- und Litermaße aus Zinn. Die einstmals dicken Ahorntischplatten sind vom Scheuern mit Sand allmählich hauchdünn geworden. Von außen kann kein Neugieriger durch die mit Blechgardinen verhangenen Fenster den Zecher sehen. In der Schenke bei Ohm Römer fühlt man sich, als wäre die Zeit vor 200 Jahren stehengeblieben."

  Das war der Stand der Dinge im Jahr 1983.

"Die Fuhrmänner, die damals hier Halt machten, waren schon ein wenig vom Weg abgekommen. Der eigentliche Kohlenweg ging ja nach Solingen, über Natrath, durch den Vosswinkeler Bruch (heute Vohwinkel-Brucherstraße), vorbei am heutigen evangelischen Friedhof. Hier hatte sich durch den lehmigen Boden ein fast zwei Meter tiefer Hohlweg gebildet, den man vor wenigen Jahren noch einige hundert Meter sehen konnte.

Auf der Rosskamper Höhe war man schon fast am Ziel, aber Pferd und Fuhrleute brauchten für den Rest des Weges noch einmal eine Stärkung. Die Fahrer kehrten in der kleinen Schenke mitten in Rosskamp ein und ließen dort ihre Pferde über Nacht weiden. Am anderen Morgen spannten sie frische Pferde ein. Durch seine Funktion als Pferdetauschstation erhielt Rosskamp erst seinen Namen.

Wanderfreude sollten einmal von der Rosskamperhöhe in Richtung Ketzberg - Solingen gehen. Links vom Gehweg sehen sie einen Abhang. Hier wurde die Erde abgetragen, um den damaligen Graben bis Ketzberg befahrbar zu machen. [...]"

[Offensichtliche Druckfehler korrigiert.]


 
2013
Zumindest das Gebäude der Fuhrmannsschenke und -Herberge von "Ohm Römer" vom Sandfeld gibt es noch, aber es steht seit 1997 - transloziert - im Bergischen Freilichtmuseum in Lindlar.

  Restauration Fritz Römer


 
2013
Schankraum der Restauration Römer, Lindlar

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Ortsbezeichnung "Perdsfierowend"

Wie oben beschrieben, verlief der Weg der Kohlenfuhrwerke mit Ziel Solingen von Vohwinkel über die Rosskamper Höhe, je nach Ziel dann über Kluse und die Wuppertaler Straße. Die Ortsbezeichnung Kluse (Vohwinkel) finde ich in einer aktuellen Karte nicht, wohl aber in einem Stadtplan von Solingen aus dem Jahr 1939 - unmittelbar nordöstlich der Kreuzung Roßkamper / Gräfrather / Wuppertaler Straße. Ganz in der Nähe lag an der Wuppertaler Straße (Gräfrath) ein Rastplatz für Pferde und Fuhrleute. Dort, "Am Perdsfierowend", war erst einmal "Feierabend". Der folgende Artikel zum Thema erschien 1943.


Solinger Tageblatt vom 9. / 10. Februar 1943

-g- "Am Perdsfierowend" heißt im Volksmunde eine Stelle, an der auch ein nach dem gleichen Namen genanntes altes bergisches Haus steht. Sie befindet sich kurz vor der Kluse, nicht weit von der Grenze Wuppertal / Solingen an der Wuppertaler Straße. Alte Leute aus der Gräfrather Freiheit entsinnen sich noch gut der Bedeutung dieses eigenartigen Namens, der früher weit verbreitet war, jedoch heute seltener genannt wird.

In den Zeiten, als es keine Autos gab und die heutige Wuppertaler Straße einen noch bedeutend steileren Anstieg hatte (erst vor einem Jahrzehnt wurde sie in der jetzigen Verfassung ausgebaut), mußten ausschließlich Pferdefuhrwerke den Verkehr von Solingen nach Wuppertal und umgekehrt bewältigen. Schwerbeladene Wagen erhielten von den Fuhrunternehmern der Freiheit ihren Vorspann in Gestalt eines oder mehrerer Pferde.

In der damaligen Zeit gab es Geschäfte, die ausschließlich dieses Gewerbe betrieben und hiervon ein gutes Einkommen hatten. Eine bestimmte Taxe für diesen Vorspann war als "Tarif" festgelegt. Mehrspännig zogen die Pferde dann den Wagen zum Kluser Berg hinauf bis zum "Pfersfierowend", von wo aus nur noch ein kurzes Stückchen zurückzulegen war.

Selbstverständlich wurde dann in der Fuhrmannskneipe in Kluse eingekehrt, wo das "Geschäftliche" erledigt wurde und die Tiere nach der anstrengenden Arbeit einen Augenblick verschnaufen konnten.

Während der Wagen seinen Weg nach Vohwinkel fortsetzte, zog das Vorspann wieder den Berg hinab, um einem anderen Gefährt, das inzwischen in der Freiheit [= Gräfrath] wartete, weiter zu helfen.

So ging es Tag für Tag und Jahr für Jahr weiter, bis die Technik andere Transportmittel erfand und dem Pferdefuhrwerk einen großen Teil der Transporte abnahm. Geblieben ist aber bis auf den heutigen Tag der "Pferdsfierowend", die Stelle, von der die Rosse früher nur noch wenige Schritte bis zur Tränke zu machen und einen Augenblick "Fierowend" hatten.


Solingen
 
2008
Ein Fachwerkhaus (heute Restaurent) an der Ecke Dasnöckel / Ehrenhainstraße, Rosskamper Höhe, Wuppertal / Grenze Solingen. Hier sind die Kohlenfuhrwerke vorbeigekommen.


Quellen:
  • Huck / Reulecke (1978)
  • Rosenthal Bd. 2 (1972) S. 13, S. 136, S. 288
  • Rowek, Oswald: Chronik der alten Kohlenstraße von Kettwig nach Solingen. Bergische Blätter 7/1983
  • Schell, Otto, Der Kohlentreiber. Die Heimat 1931 S. 63
  • Viebahn (1983)
  • Voigt (1985) (o. J.) (1996)
  • Werth, Adolf: Geschichte der Stadt Barmen. Festschrift zur Jahrhundert-Feier 1908

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