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Privat-Töchterschulen und Höhere Töchterschulen

Auf das Mädchenbildungswesen wurde in der ersten Hälfte des 19. Jh. seitens der staatlichen Schulpolitik noch wenig Gewicht gelegt. Außerhalb der Volksschule war es ganz und gar kirchlicher und privater Initiative überlassen. In Solingen erscheint die früheste Information über eine private Töchterschule im Jahr 1838:



Adresse unbekannt



 
Privat-Töchterschule Prediger
01.07.1838   In Solingen wird eine höhere Töchterschule errichtet.

09.11.1838   Der Lehrerin Emma Prediger wird die Errichtung einer Töchterschule von der Regierung genehmigt.

01.07.1841   Beginn des Unterrichts

1844   Genehmigung des Statuts für diese Anstalt. Die Musikdirektorin Dietrich wird als Vorsteherin genannt.

Nachfolgerinnen in der Schulleitung waren vermutlich die Geschwister C. und E. Seeger.




Adresse unbekannt



 
Privat-Töchterschule Seeger
04.10.1852   Emilie Seeger aus Duisburg eröffnet in Solingen eine höhere Töchterschule.

1862   wird die Schule der Geschwister C. und E. Seeger von 39 Schülerinnen besucht.

An der Seegerschen Schule ist Frau Auguste Cremer geb. Wolters tätig.

September 1863   Die Seegersche Privat-Töchterschule wird geschlossen. Die Geschwister Seeger ziehen nach Köln.




Friedrichstraße



 
Höhere Privat-Töchterschule Cremer
15.02.1862   Auguste Cremer erhält die Erlaubnis zur Errichtung einer eigenen Privattöchterschule.
Dort unterrichtet auch ihr Ehemann Wilhelm Cremer, ein Bruder des am 07.03.1862 in Wald gewählten Pastors Cremer aus Manow bei Köslin in Pommern.

01.10.1863   Feierliche Eröffnung der höheren Privat-Töchterschule Cremer

14.11.1863   Erteilung der Konzession an die höhere Privat-Töchterschule Cremer

14.11.1865   Endgültige Konzessionserteilung auf den Namen des Lehrers Cremer, "da derselbe die erste Lehrerstelle einnnimmt und die Anstalt mit rühmenswertem Erfolge geleitet hat"

Die 2-klassige Cremersche Schule ist in der Privatwohnung des Ehepaars Cremer untergebracht.
"In bescheidenen Räumen eines Hauses an der Friedrichstraße entstand sie, nicht zu verwechseln mit der Bürgerschule in der gleichen Gegend." [ST 03.11.1944]

  Die genaue Anschrift war im Adressbuch von 1869/70 nicht zu ermitteln.

Von Okt. 1863 bis 1867   besuchen 131 Mädchen die Schule, 1866/67 sind es 55 Schülerinnen.

Die Cremersche Schule hatte sich offenbar gegen die Seegersche durchgesetzt. In der Bürgerschaft wurden allerdings Forderungen laut zur Fortführung des Seegerschen Instituts durch einen Lehrer der höheren Bürgerschule. Namentlich nicht bekannte einflussreiche Persönlichkeiten setzten sich jedoch für die Erhaltung nur einer evangelischen Töchterschule ein. Dafür kam nur die Neugründung des Ehepaars Cremer in Frage, zumal Frau Cremer erklärte, dass ihre Schule durch die Mitarbeit ihres Mannes allen Anforderungen gewachsen sei.

"Alljährlich fanden öffentliche Prüfungen im Beisein des Landrats, des Superintendenten (welcher die Stellung eines Schulpflegers bekleidete), des Bürgermeisters und der Pastoren statt. Die Schule bestand aus zwei Klassen, mit Englisch und Französisch als Fremdsprachen. In der zweiten Klasse unterschied man zwei Abteilungen, eine mit fünf und eine mit vier Stunden Französisch. Anfänglich wurden Naturkunde, Botanik und Gesang mit je einer Stunde erteilt, auf Forderung der Regierung jedoch ab 1865 mit je zwei Stunden." [Rosenthal 3 S. 219]


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Neustraße = Hauptstraße



"Töchterschule", um 1875.
Möglicherweise zeigt das Bild noch das Schulhaus Neustraße (= Hauptstraße), denn die Ähnlichkeit mit dem 1874/75 erbauten Schulhaus an der Max-Leven-Gasse ist doch sehr gering.




Adressbuch 1869/71: Höhere Privat-Töchterschule, Neustraße 899a
 
Höhere Töchterschule
15.04.1869   Die von W. Flucht (Bauherr) erbaute höhere Töchterschule Cremer wird eingeweiht. Mit ihr ist eine Vorschule verbunden.

1869/71   Adressbuch: Höhere Privat-Töchterschule, Neustr. 899 a.

  Neustraße hieß vor der Eingemeindung von Dorp nach Solingen der obere Teil der späteren Kaiserstraße und heutigen Hauptstraße in Höhe Klosterwall. Die heutige Neustraße gehörte zu Dorp und ist hier nicht gemeint.

1873   Schließung der höheren Privat-Töchterschule Cremer



13.(15.)08.1873   Fräulein Helene Thau erhält die Konzession zur Leitung der früheren Cremerschen höheren Privat-Töchterschule in der Neustraße.

Dies gilt als Gründungsdatum der heutigen August-Dicke-Schule in der Schützenstraße.

15.09.1873   Auch die Schreibersche Privatschule wird geschlossen. Der Lehrkörper (bzw. Privatlehrer Schreiber) wird von der städtischen höheren Mädchenschule übernommen.

Das Schulgebäude Neustraße existiert spätestens seit November 1944 nicht mehr.


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Hohe Gasse 6  =  Max-Leven-Gasse



Adressbuch 1884: Höhere Privat-Töchterschule, Hohe Gasse 6



2010   Das ehemalige Schulhaus an der Max-Leven-Gasse, früher Hohe Gasse 6



2010   Gleich nebenan erinnert ein 1939/49 errichteter Hochbunker an den Zweiten Weltkrieg.
 
Höhere Töchterschule
Juli 1874   Beginn der Bauarbeiten für das neue Schulhaus der höheren Töchterschule in der Hohen Gasse

31.05.1875   Die neuerbaute höhere Töchterschule in der Hohen Gasse wird eingeweiht und von Fräulein Helene Thau übernommen.

Januar 1883   Rektor Franz Dörr erhält die Erlaubnis zur Fortführung und Leitung der höheren Privat-Töchterschule in der Hohen Gasse.

1884   Adressbuch: Höhere Privat-Töchterschule, Hohe Gasse 6

07.06.1888   Die Stadtverordneten-Versammlung zu Solingen beschließt die Übernahme der höheren Privat-Töchterschule durch die Stadt.

01.10.1888   Die Schule ist städtisch.

Ostern 1898   Umzug in das bisherige Schulgebäude der höheren Bürgerschule an der Friedrichstraße.



2010   Das ehemalige Schulgebäude in der Max-Leven-Gasse ist als Wohnhaus noch vorhanden.

  1882   Aus dem Bericht über die Frauenbildung:

"Unser Ziel ist eine einfache harmonische Entwicklung durch Unterricht und Erziehung, welche das Mädchen befähige, später in Haus und Familie mit offenen frischen Sinnen und klarem Blick frohen Mutes tätig zu sein, ein gutes Buch mit Verständnis zu lesen, das Schöne in Natur und Kunst recht zu schauen und zu würdigen und sich, gleich Goethes Prinzessin, zu freuen, wenn kluge Männer reden, daß sie verstehen kann, wie sie es meinen, eine Hüterin rechter Sitte, eine deutsche Hausfrau, eine gute Mutter zu werden."

Der Abschluss der höheren Töchterschule eröffnete den Mädchen weder eine Berufsberechtigung noch den Zugang zur Universität.



  15. August 1908   Preußen erlässt neue Bestimmungen über die Regelung des höheren Mädchenschulwesens. Den Mädchen stehen jetzt mehrere Schultypen offen; sie können einen der Reifeprüfung der Jungen vergleichbaren Ausbildungsgang wählen.

"Es ist zu verhüten, daß die ästhetische und die Gefühlsbildung zu sehr überwiegen, daß hauptsächlich die Phantasie angeregt und das Gedächtnis in Anspruch genommen wird, während die Verstandesbildung sowie die Erziehung zu selbsttätiger und selbständiger Beurteilung der Wirklichkeit zurücktreten."

Dem neuen Ziel entsprach ein neuer Lehrplan: Mathematik wurde aufgenommen und der naturwissenschaftliche Unterricht verstärkt. [Hufschmidt]



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Schützenstraße 44



1930   August-Dicke-Schule, Schützenstraße 44
Abb. Bergische Zeitung vom 25.04.1930







2010   August-Dicke-Schule, Schützenstraße 44
 
August-Dicke-Schule
Volksschulen und Mädchenberufsschule
Als Vorläuferin gilt die 1873 gegründete frühere Cremersche höhere Töchterschule.

01.06.1927   Grundsteinlegung

01.04.1930 Einweihung der August-Dicke-Schule, Schützenstraße 44

Benennung nach August Dicke, Oberbürgermeister der Stadt Solingen in den Jahren 1896-1928

Baurat Schmidthäussler,
Stadtbaumeister Kirchhoff

Ursprünglich geplant als 16-klassige Doppelvolksschule zur Unterbringung eines weltlichen und eines konfessionellen Schulsystems von je 8 Klassen mit den dazugehörigen Nebenräumen, "während hier tatsächlich ein Bau geschaffen wurde, der bequem drei Systeme aufnehmen kann, für die aber in dem Schulbezirk kein Bedarf vorhanden ist." [Bergische Zeitung 1930]

"Die Schule steht auf dem früheren St. Sebastians-Schützengelände, ca. 100 m von der Schützenhalle entfernt, geschützt gegen allen Straßenlärm und von der Schützenstraße aus gut sichtbar und mit ihr durch einen breit ausgestalteten Zugang verbunden."

In dem langen, in der Mitte viergeschossigen Haupttrakt sind die beiden Schulsysteme mit besonderen Zugängen vollständig getrennt von einander untergebracht.

Anlässlich der Einweihung wird das Schulgebäude in der Presse als "schönste Schule Westdeutschlands" bezeichnet, aber auch als überdimensioniert und zu teuer empfunden. Die Architektur sei Ausdruck ihrer Zeit: massiv, viergeschossig im symmetrischen und gesteigerten Aufbau mit horizontaler und rhythmischer Gliederung; einfach, sachlich, funktional, mit imposanter Wirkung.

1931   Adressbuch: Volksschulen. Evang. Knabenschule, August-Dicke-Schule, Schützenstr. (9 Kl.). Rektor: Jaeger.

1931   Adressbuch: Volksschulen. Sammelschule Solingen, August-Dicke-Schule, Schützenstr. (7 Kl.). Rektor: Volmerg.



1931   Adressbuch: Städt. Mädchenberufsschule für Groß-Solingen, Solingen. Direktion, Geschäftsstelle u. Unterrichtsräume: August-Dicke-Schule.
2. Schulküche: Mittelstr. 8,
3. Schulküche: Florastr. 34

1931   Adressbuch: Städt. Haushaltungs- u. Kinderpflegerinnenschule. Geschäftszimmer u. Unterrichtsräume in der August-Dicke-Schule. Direktorin: G. Mattern



Oberlyzeum
01.07.1932   Die August-Dicke-Schule nimmt das verstaatlichte Oberlyzeum auf (bisher Friedrichstraße).

Die so für die beiden Volksschulen entstandene Raumnot kann dadurch einigermaßen behoben werden, dass die Volksschule das Schulgebäude Mittelstraße zurückerhält.

31.01.1933   Übereignung der August-Dicke-Schule an den Staat



1948-1952   Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gymnasium Schwertstraße belegt als Mieter das Gebäude der August-Dicke-Schule.

1956   August Dicke-Schule, neusprachliches Mädchen-Gymnasium mit Frauenoberschule mit 24 Klassen, 713 Schülerinnen und 40 Lehrkräften

1984   Das Schulgebäude wird unter Denkmalschutz gestellt.

2010   August-Dicke-Schule, Städt. Gymnasium für Jungen und Mädchen mit Sekundarstufen I und II, Schützenstraße 44



Quellen:
  • Adressbücher
  • Bauermann (1953)
  • Bergische Zeitung vom 25.04.1930
  • Festschrift 50 Jahre Elsa-Brandström-Schule Solingen 1907-1957
  • Hufschmidt, J.: Höhere Schulen und Volkshochschulen. In: Schmidthäussler 1922, S. 103-111
  • Rheinische Post vom 02.03.1950
  • Rosenthal Bd. 2 u. 3 (1972, 1975)
  • Solinger Tageblatt vom 03.11.1944
  • Stadt Solingen: Von Ruinen zu neuen Schulen (1956)
  • Stadtarchiv Solingen, Div.


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