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Dahl

Geschichtliche Wanderungen
Das Richterhaus
Das Schöffenhaus
Das Peter-Knecht-Haus
Randnotiz: Ziegelei

   Dahler Hammer


Die Hofschaft Dahl liegt in Solingen-Merscheid, nicht weit vom Industriemuseum Gesenkschmiede Henrichs. Der Kyllmannweg südlich der Merscheider Straße führt geradewegs dort hin. Die in den 1970/1980er Jahren gebaute "Viehbachtalautobahn" ist zum Glück nicht - wie dereinst geplant - mitten durch die Ortschaft geführt worden, sondern an ihr vorbei. Es hätte auch anders kommen können: Nicht nur das seit 1985 unter Denkmalschutz stehende Richterhaus mit seiner über 400jährigen Vergangenheit wäre nicht mehr vorhanden, und von einer idyllischen Hofschaft könnte keine Rede mehr sein.


Dahl
 
1981
Zum Glück nur eine Fotomontage!
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

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Geschichtliche Wanderungen

In seinem 1922 erschienenen kleinen Buch "Geschichtliche Wanderungen durch Solingen" hat Max Schmidt die Hofschaft Dahl und ihre Geschichte beschrieben:


Geschichtliche Wanderungen durch Solingen
Stadt und Land

Von  Max Schmidt (1922)

"In der Abhandlung über Wald *) erwähnten wir bereits die Ortschaft Dahl im Hammertal und bemerkten, daß zu Dahl in vergangenen Jahrhunderten die Gerichtsstätte gewesen ist.

*) Da in der Zeit von etwa 1670 bis ins 18. Jahrhundert mehrere Richter des Amtes Solingen aus der Familie Kylmann in den Hofstätten 'im Dahl' und zu Gönrath wohnten, wurde dort zeitweise Gericht gehalten, wovon der Volksmund heutzutage noch erzählt.

Das auf dem Hofe stehende große Gebäude Nr. 10 und 12 ist das alte Gerichtsgebäude, das jedes Kind der Hofstätte unter dem Namen 'Gerichtshaus' kennt."

  Stimmt auch heute noch - so ungefähr. Bei meinem ersten Besuch in Dahl kam mir ein kleiner Junge mit Fahrrad entgegen, der angesichts der kamerabewaffneten "Touristin" sofort anhielt und ungefragt mit dem Finger auf das große Fachwerkgebäude zeigte: "DAS ist das Richterhaus!"

"Hier dürften mehrere Mitglieder der Familie Kylmann als Richter gewirkt haben. [...] Das Gebäude macht schon äußerlich den Eindruck, daß es besonderen Zwecken gedient haben muß. Es ist sehr geräumig. Im Innern ist die ehemalige Richterbank jetzt noch teilweise erhalten. Geheime Fächer, sogenannte 'Verbörgs', die für die Akten und Wertgegenstände ein sicherer Aufbewahrungsraum waren, sind ebenfalls noch vorhanden.

Erwähnenswert ist weiter noch ein Zimmer, dessen Fenster heute noch mit alten, schweren Eisengittern versehen sind. In seiner Gesamtlage erinnert das Zimmer daran, daß in ihm ehemals die Gefangenen des Richters harren mußten."

  Das vergitterte Fenster dieses Wartezimmers sucht man heute vergeblich.

"Einige Schritte von dem Gerichtsgebäude sieht man, wenn man von der Merscheider Straße kommt, links das Haus Nr. 14, das jedem auffällt, der zum erstenmal den Hof betritt. Es ist zum größten Teil mit hübscher Schindelbekleidung versehen. Am Haustüreingange befindet sich in zierlicher Schnitzerei folgende Inschrift: 'Förchte Gott und halte seine Gebotte, denn das gehört allen Menschen. 1747.'

Der Inschrift nach ist das Gebäude mit dem benachbarten Gerichtsgebäude in Verbindung zu bringen. Wahrscheinlich wurde es im Jahre 1747 von dem Scheffen Heinrich Mertes erbaut."

  Die Hausnummern haben sich verändert. Gemeint ist das heute so genannte Schöffenhaus, Nr. 9, das vielleicht doch einen anderen Bauherrn hatte: Peter Herder.

"Etwa 50 Meter in östlicher Richtung vom Gerichtsgebäude entfernt ist eine kleine Anhöhe, die bis zum Jahre 1864 mit Gestrüpp und einigen Bäumen bewachsen war und in älteren Aktenstücken wie heute noch im Volksmunde 'der Galgenbusch' genannt wird. Nach alter Überlieferung soll hier ehemals ein Galgen gestanden haben.

Für diese Überlieferung spricht die Überlegung, daß in nicht allzuweiter Entfernung die Ortschaft Dingshaus liegt. Der Name dieser Ortschaft kann mit dem Richter, der in ganz alter Zeit der 'Dinger' genannt wurde, in Verbindung gebracht werden. -"

  Dazu fällt mir die Schwertschmiedefamilie Dinger ein, oder die Wortbedeutung von "Gedinge". Wahrscheinlicher ist, dass die Ortsbezeichnung auf den Namen des Hauseigentümers Dings zurückgeht.

"Doch nun zurück zur Ortschaft Dahl! Als Richtersitz hatte die Hofstätte ein bedeutendes Ansehen. In der Walder Kirche hatten die Besitzer von Dahl lange, lange Zeit besondere Plätze, den sogenannten 'Dahler Stuhl'; sogar die Angestellten des Hofes hatten in der Walder Kirche eigene Sitze auf dem 'Söller' (Empore) der Kirche. Diese Vorrechte behielt Dahl bis weit ins vorige Jahrhundert.

Das ehemals zu einem großen Teil mit mächtigen Eichen und Buchen bewachsene Gut ist im Laufe der Jahre in seinen Grenzen immer mehr eingeengt worden. Ihren altertümlichen Charakter aber hat die Hofstätte Dahl bis in unsere Zeit erhalten. Es gibt wohl kaum eine schönere Hofstätte in der ganzen Umgegend.

Von besonderem Interesse ist ein aus dem Jahre 1776 stammender Teilungsbrief über das Dahler Gut, das damals Eigentum der Eheleute Matthias Wolferts und Anna Sophie geb. Weyersberg war. Der Brief enthält u.a. folgenden Satz: »Das Herl, so in diesem Hause hänget, solle dabey verbleiben, auch die Mantelknöpfe.«"

  Wolferts und Weyersberg sind Namen alter Solinger Schwertschmiedefamilien.

"Schon aus der erwähnten Kurmut ergab sich, daß das Herrenkleid, 'Herl' genannt, einen bedeutenden Wert darstellte; der obige Satz des Teilungsbriefes gibt eine weitere Bestätigung dafür, indem er bestimmt, daß das 'Herl' im Hause verbleiben muß, da es zum Hofbesitz gehört und seine Anschaffung dem neuen Besitze bedeutende Auslagen verursachen würde.

Ebenso war es mit den Mantelknöpfen, die meist aus Silber gefertigte wertvolle Stücke waren. Beides war für einen Hofbesitzer der damaligen Zeit unentbehrlich, denn das Herrenkleid und die Mantelknöpfe zu tragen, war nur ihm gestattet; sie gaben allenthalben Zeugnis von seiner Wohlhabenheit. [...]"

[Schmidt S. 61 f]


Dahl
 
Um 1900
Dahl
Links das Schöffenhaus,
rechts hinten das Richterhaus
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen


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Das Richterhaus

"Das 'Richterhaus' in der Hofschaft Dahl (Solingen-Merscheid) ist erstmals urkundlich nachweisbar in einem Auszug aus dem laufenden Heberegister (für Grundsteuern) für die Honnschaft Limminghofen vom Jahre 1654 unter der Bezeichnung: 'Richter Vischer Hof'. Der Name weist auf den Richter und Rentmeister Rütger Vischer, der von 1636-1646, also während des Dreißigjährigen Krieges amtierte.

Das heute noch vorhandene Gebäude des 'Richterhauses', das aus Haupthaus und Querhaus besteht, fällt aus den im Solinger Raum üblichen Fachwerkhäusern heraus: Wände von bis zu 70 cm Stärke aus Natursteinen, die z.T. an den Hausecken behauen sind, bilden das Erdgeschoß; darauf ist im 1. Stockwerk Fachwerk gesetzt, ebenso im Dachgeschoß (2. Stockwerk und Dachboden). Diesen Haustyp kann man nur vom Fachwerk her 'bergisch' nennen; in Aufbau und Gliederung ähnelt er mehr dem fränkischen Bürgerhaus an Rhein und Mosel. Typ, Größe und Ausstattung deuten auf einen betuchten Bauherrn und herrschaftlichen Eigentümer hin."

[Stohlmann]



 
Um 1920 (?)
Das Gerichtshaus (oder Richterhaus)
im Dahl
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Der Aufsatz von Dr. Jürgen Stohlmann, aus dem diese Passage stammt, erschien 1983. Damals war das Richterhaus noch unrestauriert, stand schon über sechs Jahre lang leer und wies erhebliche Schäden auf. Man nahm an, dass das vorhandene Gebäude in der Zeit des Richters Rütger Vischer errichtet wurde. Zur Überprüfung dieser Vermutung wurde 1982 zur Altersbestimmung der zum Hausbau verwendeten Holzbalken eine dendro-chronologische Untersuchung durchgeführt und aus dem Ergebnis folgendes Fazit gezogen:

"Das vorhandene Gebäude des 'Richterhauses' wurde spätestens um 1615 errichtet, das Fachwerkhaus des Querhauses frühestens 1692 erneuert (nach einem Brand?). Das Haus ist demnach älter als sein erster bekannter Eigentümer, der Richter Vischer, mit rund 370 Jahren eines der ältesten Häuser in Solingen und damit ein Kultur- und Baudenkmal, das erhalten werden muß." [Stohlmann]



 
2008
In den 1980er Jahren wurde
das Richterhaus in Privatinitiative
aufwändig restauriert.

1976 hatte die Stadt Solingen das baufällige Gebäude aus Privatbesitz erworben. Es sollte abgerissen werden, denn es stand der geplanten Verbindungsstraße zwischen Solingen-Wald, Solingen-Merscheid und der bereits gebauten vierspurigen Viehbachtalstraße im Wege. Die Anbindung der beiden Straßen war in einem großen Verkehrskreuz nahe der Ortschaft Dahl vorgesehen.

Aber die Abriss-Pläne stießen bei der Merscheider Bevölkerung auf Widerstand, obwohl das Haus in seinem damaligen Zustand auch als Schandfleck empfunden wurde. Nach etlichen Diskussionen, Anträgen, Bedenken und Gutachten beschlossen Rat und Verwaltung der Stadt Solingen schließlich im März 1982, das Denkmal "Richterhaus" zu erhalten und restaurieren zu lassen; die Verkehrsplaner änderten ihre Pläne.

Ein privater Interessent kaufte das marode Haus im Juli 1982 und machte sich an die Arbeit. Im Juni 1986 konnte die gelungene Wiederherstellung gefeiert werden.

Kurz darauf, 1987, erschien übrigens eine lesenswerte bebilderte Dokumentation über die aufwändige Restaurierung und ihre problematische Vorgeschichte, zusammengestellt von Thomas Herriger (dem Bauherrn) und Heribert Kremer, einzusehen im Solinger Stadtarchiv.



 
2012
Inschrift am Richterhaus:


ERBAUT UM 1558
WOHNSITZ UND GERICHTSSTÄTTE
DES RICHTERS
RÜTGER VISCHER 1635-1646
1982-1986 INSTANDSETZUNG

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Das Schöffenhaus

Das sogenannte Schöffenhaus stellt, wie Paul Herder 1979 bemerkte, eine Rarität der bergischen Fachwerkbauweise dar: "Bei ihm tritt anstelle des Schieferbeschlages die in unserer Gegend äußerst seltene Holzschindelverkleidung auf. Der bergische Heimatforscher F.W. Ohligschläger schreibt in einem Bericht über eine Wanderung durch den Bereich von Merscheid, vor rund hundert Jahren: »Die westliche Seite des in der Nähe gelegenen Herderschen Hauses zeigt einen dicken Schuppenpanzer von Deckspänen.«" [Herder S. 185]

Der pittoreske hölzerne Schuppenpanzer ist durch einen neuen, akkurateren ersetzt worden. - Eine Besonderheit des Hauses ist auch die zweiteilige, mit Nägeln beschlagene Haustür; davon gibt es in Dahl allerdings noch mehr. Über der Haustür befindet sich die schon zitierte Inschrift:

FÖRCHTE GOTT UND HALTE
SEINE GEBOTTE DENN DAS
GEHÖRET ALLEN MENSCHEN
ZU. PREDIGER SALOMO 12
1   7   4   7


Dahl
Haustür des Schöffenhauses
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen
 
Dahl
2004   Haustür des Schöffenhauses
 

"Da entgegen sonstiger Gewohnheit die Initialen oder Anfangsbuchstaben der Namen des Ehepaares, das den Bau errichtete, nicht angebracht sind, ergeben sich Zweifel hinsichtlich des Erbauers. Des nahen ehemaligen Gerichtshauses wegen, wo mehrere Mitglieder der Familie Kylmann als Richter wirkten, und wegen des nahen Galgenbusches nennt man dieses Haus das 'Schöffenhaus'. Die Bezeichnung wird mit dem Schöffen Heinrich Mertes in Verbindung gebracht.

F.W. Ohligschläger spricht, wie bereits erwähnt, vom 'Herderschen Haus'. Die Zweifel lassen sich lösen.

Der am 15. September 1708 geborene Peter Herder von Demmeltrath heiratete um 1730 die Anna Maria Neef. Das Ehepaar wurde zu Dahl ansässig, und hier wurden ihre Kinder in den Jahren 1732 bis 1747 geboren. Peter Herder starb am 13. Dezember 1778 als Messerfabrikant im Dahl; seine Frau war ihm bereits am 8. Januar 1775 vorausgegangen.

Aus der Inschrift ergibt sich, daß das Haus im Jahre 1747 erbaut wurde, zu einer Zeit, da Peter Herder mit seiner Familie dort wohnte. Zu vermerken ist, daß die Tochter Catharina Herder (1745 geboren) im Elternhaus wohnen blieb, als sie um 1765 ihre Ehe mit Heinrich Weck einging. Alle Kinder dieses Ehepaares sind ebenfalls zu Dahl geboren."

[Herder S. 185]

Anders als von Max Schmidt vermutet wäre es also gut möglich, dass Peter Herder und seine Frau die Erbauer des sog. "Schöffenhauses" in Dahl gewesen sind. Allerdings müssen Jahreszahlen an einem Gebäude nicht zwangsläufig das Baujahr angeben; es kann auch ein Eigentümerwechsel oder eine umfassende Instandsetzung stattgefunden haben.



 
Um 1900 (?)
Das Schöffenhaus
mit holzschindelverkleideter Giebelseite
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

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Das Peter-Knecht-Haus

Schräg gegenüber dem Richterhaus steht ein weiteres repräsentatives Fachwerk-Gebäude (Nr. 39) mit zwei schön verzierten Eingangstüren: das Geburtshaus des Solinger Kaufmanns Peter Knecht und zugleich das Haus des 1. Bürgermeisters der Mairie Dorp, die von der napoleonischen Verwaltung nach 1808 eingerichtet wurde.

Das Haus ist mit "Fassade, äußerer Treppe und Dach" seit 1993 in der Solinger Denkmalliste eingetragen. Wer es nicht weiß, wird kaum auf den Gedanken kommen, dass es nicht schon immer hier gestanden hat. Hat es aber nicht: Es wurde an seinem alten Standort in Schlicken (Höhscheid) abgetragen und in Dahl Balken für Balken wieder aufgebaut. Eine Bodenplatte vor dem Haus verrät es:


Peter Knecht
 
Peter Knecht
* 3.3.1798 in Schlicken,
† 21.11.1852 in Solingen



 

Peter Knecht Haus
1798 P.K. "Immerwahr" 1852 †
"Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist." Victor Hugo

Erbaut 1793 Schlicken Transloziert 1993 Dahl

In der Nähe befindet sich auch ein sehr schlichter alter Stein der Familie August Schwarte, auf dem u.a. das Geburts- und Sterbedatum von Peter Knecht eingeritzt sind (* 3.3.1798 in Schlicken, † 21.11.1852 in Solingen) - und den man in Dahl eigentlich nicht vermutet hätte.

Peter Knecht (nach dem auch eine Solinger Straße benannt ist, an der ein anderes "Peter-Knecht-Haus" stand, damals Kölner Straße 67) entstammte einer alten Solinger Kaufmannsfamilie aus Schlicken "bei Solingen". Sein Onkel, der Kaufmann Gerhard Daniel Knecht zu Schlicken, war von 1808-1812 Bürgermeister in Dorp. Selbst Fabrikant, bekämpfte Peter Knecht mit Erfolg das sich seit den 1830er Jahren immer mehr ausbreitende Trucksystem (Entlohnung mit Waren statt Geld).

Im Elberfelder Kreisblatt prangerte er unter dem Pseudonym "Immerwahr" die durch das Warenzahlen hervorgerufenen Missstände an. Im öffentlichen Leben trat er hervor als Stadtrat, stellvertretender Abgeordneter der preußischen Nationalversammlung, Mitglied des Gewerbegerichtes, der Handelskammer und zahlreicher gemeinnütziger Gesellschaften.



 
Um 1935
Hofschaft Schlicken
mit Peter-Knecht-Haus (Mitte).
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen

Das geschichtsträchtige Haus an der Ritterstraße (Ecke Unnersberger Allee / Schlicker Weg) stand umfangreichen Straßenbaumaßnahmen im Weg. Zudem war es damals - nicht nur auf Grund baulicher Veränderungen (Verunstaltungen?) - keine Augenweide mehr. Heute, in Merscheid, ist es eine. Das Haus soll Ende der 1980er Jahre abgetragen worden sein.

Christiane und Thomas Herriger, die bereits mit der umfassenden Restaurierung des Richterhauses Erfahrungen gesammelt hatten, nahmen sich auch dieses Hauses an. Die Solinger Tagespresse berichtete ausführlich.


Solinger Tageblatt vom 21. August 1991

Peter-Knecht-Haus

Ein ehrwürdiges Altertümchen wird verrückt

(flm)   Das alte Haus war ein Schandfleck. Ein Ärgernis und eine Gefahrenquelle für die Anlieger. Jetzt ist es - im wörtlichen Sinne - auf dem besten Weg, um wieder zu seiner alten herrschaftlichen Größe zu finden: Das Peter-Knecht-Haus von der Ecke Ritterstraße / Schlicker Weg wird Balken für Balken demontiert und in direkter Nachbarschaft zum Dahler Richterhaus neu aufgebaut.

Die Leidensgeschichte des einstmals prunkvollen verschieferten Fachwerkhauses begann, als die Straße des 17. Juni geplant wurde. Das Peter-Knecht-Haus ragt in die Trasse hinein und wurde deshalb von der Stadt aufgekauft. 1985 bot die Verwaltung das zweigeschossige Gebäude in Anzeigen zur Versetzung an, 20 Interessenten meldeten sich. Doch den meisten fehlte ein geeignetes Baugrundstück, andere hatten sich bei den Kosten verschätzt. So verfiel das ab Mitte 1986 leerstehende Haus zusehends.

Auch die Freilichtmuseen Lindlar und Kommern, die von der Stadt angeschrieben worden waren, winkten ab. Selbst Solinger Zimmerleute, denen man die schweren Eichenbalken zur Wiederverwertung überlassen wollte, glaubten an ein Danaergeschenk und fanden nichts Rentierliches an der Offerte.

Doch jetzt hat das Peter-Knecht-Haus nicht nur eine wechselvolle Vergangenheit, sondern auch wieder eine glänzende Zukunft: Thomas Herriger, in Solingen bestens durch die Renovierung des Richterhauses und der Christians-Häuser bekannt, läßt die Balken nach Dahl bringen und rechnet schon im Oktober dieses Jahres mit dem Richtfest. Ende 1992 soll das imposante Gebäude als Zweifamilienhaus bezugsfertig sein.

Nur der Dachstuhl und einige Einzelteile müssen ersetzt werden. Das Gros der Eichenbalken ist für sein Alter in einem erstaunlich guten Zustand. Aber eigentlich weiß niemand genau, wie alt das Peter-Knecht-Haus ist. Eine dendrochronologische Untersuchung der Balken, bei der die Jahresringe mit denen anderer alter Hölzer verglichen werden, soll Aufschluß bringen.

Was jetzt schon über das auf rund 200 Jahre geschätzte Peter-Knecht-Haus bekannt ist: Die ursprünglich sehr großzügige Raumaufteilung, die beachtlichen Raumhöhen (auch im Obergeschoß noch über 3 Meter) und Details wie die sauber behauenen Quader des Sockels lassen auf einen recht wohlhabenden Erbauer schließen. Auch die ursprünglich halbrunde Freitreppe muss zum stattlichen Eindruck beigetragen haben. [...]


Ein Umzug mit Erfolg: "In Solingen nichts Vergleichbares"

Das Peter-Knecht-Haus ist das erste Gebäude in neuerer Zeit, "wo eine Versetzung innerhalb Solingens gelingen wird": Bei der Stadtverwaltung sieht man den Umzug des alten Fachwerkhauses mit Freude. Denn von den Stadtplanern bis zur Unteren Denkmalbehörde haben viele Ämter zusammengearbeitet, damit das Gebäude erhalten werden kann. [...]

"Es gibt in Solingen nichts Vergleichbares", urteilt Dieter Bertram von der Geschäftsstelle des Umlegungsausschusses beim Vermessungs- und Katasteramt. Denn das beim Ausbau der Schlagbaumer Kreuzung demontierte Fischerhaus wartet noch immer auf den Wiederaufbau.

  Das 1761 aus Fachwerk erbaute Fischer-Haus befand sich am heutigen Porsche-Standort am Schlagbaum. Es wurde in den 1970er Jahren wegen des Ausbaus der Kreuzung abgetragen und in 767 Teilen eingelagert. Zu dem erhofften privaten Wiederaufbau ist es nicht gekommen.

Leicht war aber auch die Versetzung nach Dahl nicht. Es war allerdings ein Glücksfall, daß die ganze Hofschaft als Denkmalbereich ausgewiesen ist, damit "heimatlose" Denkmäler hier Platz finden können (das Peter-Knecht-Haus wurde dann aber doch nicht in die Denkmalliste eingetragen). [...]

Das Haus an sich wurde kostenlos abgegeben, die Demontage- und Wiederaufbaukosten trägt aber der Solinger Unternehmer. Zuschüsse gibt es keine. An weitere Gebäudeversetzungen denkt Thomas Herriger nicht: "Die Hofschaft Dahl als Kommern ist nicht geplant und nicht gewollt."


1991 begann der Wiederaufbau in Dahl, und Ende 1992 war das Haus bezugsfertig. Nur ein Sechstel der alten Holzkonstruktion hatte ersetzt werden müssen. Auf die Schieferverkleidung wurde verzichtet; das schöne Fachwerk ist zu sehen. Am 27. Juni 1993 fand die Einweihung statt. [ST v. 22. und 28.06.1993]


Schlicken
Um 1975   Das Peter-Knecht-Haus in Schlicken mit stark veränderter Fassade und halb abgetragener Treppe. Repräsentativ wirkt es wirklich nicht mehr.
Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen
 
Dahl
2006   Das in Dahl wieder aufgebaute Haus

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Randnotiz: Ziegelei

Zwischen Kyllmannweg und Richterweg liegt ein kleines Waldstück mit naturnahen Sitzgelegenheiten, tiefen, teils mit Wasser gefüllten Lehmgruben und einer gewölbeartigen Ziegelwand, deren Sinn und Zweck sich dem Unkundigen heute nicht mehr erschließt. Die Mauerreste lassen aber noch die typische Architektur von Ringofenziegeleien erkennen.
  Ringofenziegelei, Abb. bei Wikipedia

In einem Ohligser Stadtplan von 1908 ist eine Ziegelei bei Dahl mit mehreren Gebäuden eingezeichnet. In den Adressbüchern des passenden Zeitraums war sie nicht zu finden. Auf Luftaufnahmen und Karten aus den 1920er Jahren ist eine Bebauung nicht zu erkennen; vermutlich existierte die Ziegelei nicht mehr. Battenfeld erwähnt eine 1892 stillgelegte Ziegelei Bruchhaus in Merscheid [S. 73].


Dahl
2012   Überreste der Ziegelei zwischen Richterweg und Kyllmannweg
 
Dahl
2012   Der hier abgebaute Lehm wurde gleich nebenan zu Ziegeln gebrannt.


Dahl
 
In einem Plan der Stadt Ohligs von 1908 ist die Ziegelei eingezeichnet.



Quellen:
  • Battenfeld, Beate: Die Ziegelindustrie im Bergischen Land. Ein wirtschaftshistorischer Beitrag zur Architekturgeschichte und Denkmalpflege. Bergischer Geschichtsverein, Abt. Solingen. Solingen 1998, S. 73
  • Domscheit, Wolfgang (E-Mail 2012)
  • Hendrichs (1933) S. 196 f
  • Herder, Paul: Das Schöffenhaus zu Dahl. In: Romerike Berge, Zeitschrift für Heimatpflege im Bergischen Land. 3/1979 Dezember 1979 S. 184 f
  • Herriger, Thomas und Kremer, Heribert: Richterhaus im Dahl. Eine kleine Dokumentation zur Restaurierung eines bemerkenswerten Denkmals. In: Geschäftsbericht 1986 der Stadtsparkasse Solingen, S. 33-54
  • Rosenthal Bd. 2 (1972) S. 274
  • Schmidt, Max (1922) S. 61 f
  • Solinger Tageblatt v. 21.08.1991, v. 22.06.1993 und v. 28.06.1993
  • Stohlmann, Jürgen: Das "Richterhaus" im Dahl - mindestens 370 Jahre alt! In: Romerike Berge. Zeitschrift für das Bergische Land. 33. Jg. 1983, Heft 4, Dezember 1983, S. 19 f

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