www.ZeitSpurenSuche.de


Industrie in Elberfeld und Barmen im Jahr 1867

Dr. Nicolaus Hocker veröffentlichte 1867 einen Bericht über "Die Großindustrie Rheinlands und Westfalens" mit der Zielsetzung, "... die materielle Production unserer herrlichen Provinzen weiter zu fördern und entwickeln zu helfen." In seinem relativ kurzen Kapitel über Elberfeld und Barmen dokumentiert er sehr positiv klingende Erkenntnisse über die dortigen Verhältnissen in der zweiten Hälfte des 19. Jh. Der Bericht ist hier mit Ausnahme einiger statistischer Angaben im Wortlaut zitiert. Interessant erscheint die Auflistung der in Barmen und Elberfeld hergestellten Erzeugnisse.


Elberfeld um 1850
Elberfeld von Westen gesehen, Mitte 19. Jh.

Auszüge aus:
Die Großindustrie Rheinlands und Westfalens,
ihre Geographie, Geschichte, Production und Statistik. Leipzig 1867

von Nicolaus Hocker

Land und Leute mit Bezug auf die Industrie
Elberfeld und Barmen

Die beiden Fabrikstädte Elberfeld und Barmen gehören ... dem Bahngebiete der Bergisch-Märkischen Eisenbahn an, deren Direction sich in Elberfeld befindet. Diese Stadt (62,008 Einw.) liegt an der Wupper, in malerischer Gegend, vom Hardtberge mit herrlicher Aussicht auf die schöne Landschaft überragt. Dem Fremden, der zuerst ins Wupperthal kommt, wird die eigenthümliche Bauart der Häuser auffallen, deren Seiten mit Schiefer bekleidet sind, während grün angestrichene Fensterladen vorherrschen. Elberfeld und Barmen (58,544 Einw.) bilden zwei Schwesterstädte oder vielmehr einen 2 Stunden langen Häusercomplex, in dem zahllose industrielle Etablissements den Fleiß der Bevölkerung bekunden.

Barmen besteht aus Gemarke, Wupperfeld, Rittershausen, Heckinghausen, Wichlinghausen und Unterbarmen nebst einer großen Zahl kleiner Orte und Höfe, die in der Nachbarschaft zerstreut sind. Es ist überhaupt der Gegend von Solingen und Elberfeld eigen, daß die Wohnungen häufig isolirt dastehen, wie solches in Westfalen sowie im Wallonenlande üblich ist. Es verräth diese Eigenthümlichkeit eine strichweise stattgefundene Einwanderung, die vielleicht mit der Uebersiedlung wallonischer Bergleute und Eisenschmiede im Zusammenhang steht.

Zum Kreise Elberfeld gehören nur die beiden Städte, nachdem eine Abzweigung des jetzigen Kreises Mettmann stattgefunden hat. Es werden dort hauptsächlich Manufacturwaaren fabrizirt, diese aber in solcher Ausdehnung, Mannichfaltigkeit und Güte, daß ihnen kaum eine andere Stadt Deutschlands zur Seite gestellt werden kann. Der ausgedehnten Production steht ein großartiger Handel zur Seite. Zeuge dessen sind die prächtigen Fabrikgebäude sowie die stattlichen Wohnungen der Kaufherren, die alle Märkte der Welt mit ihren Fabrikaten versorgen, und jede technische Erfindung mit der ihnen eigenen Intelligenz, Energie und Gründlichkeit zu verwerthen suchen.

In Elberfeld existiren nachstehende Zweige der Fabrik- und Handelsthätigkeit: Fabriken von Band, Litzen, Kordeln, Riemen, Schnüren aus den verschiedensten Stoffen, Hutbändern und Hutgarnituren, Stoffen aus Wolle und Halbwolle, Baumwolle und Halbbaumwolle, Seide und Halbseide, Leinen und Halbleinen, Kattun, Knöpfen aus Geweben und Metallen, Lasting [= ein Gewebe], Möbelstoffen, Teppichen, Orleans [= ein Gewebe], Shawls, Velour d'Utrecht, Wagengarnituren, Westenstoffen, Halstüchern, Cravatten, Türkischrothgarnfärbereien- und Handlungen, Twisthandlungen, Fabriken von Kappen, Regen- und Sonnenschirmen, Roßhaarstoffen, Rouleaux [= aufrollbarer Vorhang], mechanische Webereien, Fabriken von Watten, Lampendochten, Militär-Equipirungsgegenständen, Wollengarn, Tuch, Stramin, Bleiweiß, Britanniametallwaaren, Decimalwagen, Drahtwebereien- und Spinnereien, Drahtstiften, Eisenguß- und Maschinenfabriken, Eisen- und Stahlwaaren, Gaslampen, Messern, Oefen, Pferdegeschirren, Garnituren, Plättirten Messing- und Neusilberwaaren, Waffen, Wagen, Wagenlaternen, Liqueur, Chemikalien, Clavieren, Farbstoffen, Lackirwaaren, Möbeln und Tapeten, Parfumerien, Seifen, Senf, Tabak und Cigarren u.s.w.

In Barmen finden sich folgende Fabrik- und Handelsgeschäfte: Bandmanufacturen, Fabriken von Kordeln und Litzen, von Baumwoll-, Seiden-, Halbseiden-, Halbwollen- und Sammetwaaren, Seidenzwirn, Lasting, Siamoisen [= Siamosen, Sammelbezeichnung für karierte und gestreifte Schürzenstoffe in Leinwandbindung], Spitzen, Wollenwaaren, Drahtband, Florband, Gummibändern, Gummihosenträgern und sonstigen Gummiwaaren, Gurten, Halsbinden, Sturmbändern, Knöpfen, Leinen und Gebild, Manufacturwaaren aller Art, Maschinenriemen und Leder, Möbelstoffen, Näh- und Strickgarnen, Näh- und Strickwollen, Posamentirwaaren [= textile Besatzartikel wie Schnur, Borte, Quaste], Regen- und Sonnenschirmen, Schnüren, Wagenborden, Watten, Zeichengarnen, Bleichereien, Türkischgarnfärbereien, Druckereien, Britanniametallwaaren, Chemikalien, Crinolinenreifen, Drahtstiften, Eisengießereien, Gold- und Silberplättirtem Kupferblech, Kesselschmieden, Maschinenfabriken, Leder- und Lackirfabriken, Metallknöpfen, Peitschen, Stöcken und Pfeifen, Leim, Papier, Tabak und Cigarren, Tapeten, Stearin, Zündhütchen, Essig, Kappen, Schnallen und Gürtelschlössern u.s.w. [...]

Elberfeld und Barmen tragen durchaus das Gepräge großer Fabrikstädte, in denen viele reiche Leute neben einer starken Arbeiterbevölkerung wohnen. Für das geistige und materielle Wohl der Letzteren wird nach Kräften gesorgt. Es befinden sich dort zwei Handwerkerfortbildungsschulen, Gesellschaften für Kunst und Gewerbe, ein Verein für Kunstfleiß zu Elberfeld, eine Webeschule daselbst, zwei Sparkassen für Handwerker und Fabrikarbeiter, sowie zwei Unterstützungskassen für Fabrikarbeiter, ohne die vielen Privat-, Kranken- und Unterstützungskassen, die kranken hülfsbedürftigen Arbeitern Unterstützung und Verpflegung gewähren.

[Hocker S. 111-113]




Industrie in Solingen im Jahr 1867

In seiner insgesamt als Zeitdokument interessanten Abhandlung geht Dr. Hocker explizit auf Solingen und auch auf die Solinger Klingenfabrikation ein. Aus seinen Ausführungen spricht höchste Anerkennung und Wertschätzung für die Ergebnisse dieser arbeitsteiligen handwerklichen Produktion. und es spielt keine Rolle, dass es sich dabei zum großen Teil um Tötungsinstrumente handelt.


Solingen um 1840
Solingen um 1840. Detail einer Zeichnung von O. Kühn, gestochen von H. Winkler

Land und Leute mit Bezug auf die Industrie
Das Land der Berge

Mit dem Kreise Solingen treten wir in den Regierungsbezirk Düsseldorf ein. Die Kreishauptsta[d]t (ca. 11,000 Einw.) liegt auf dem rechten Ufer der Wupper auf einer Anhöhe, um die sich, malerisch in den benachbarten Thälern zerstreut, einzelne Fabrik-Etablissements, Schleifmühlen u.s.w. gruppieren. Solingen, sowie das zum Kreise Lennep gehörende Remscheid repräsentiren in großartiger Weise die Metallwaaren-Industrie des bergischen Landes, die sich kühn mit den entsprechenden englischen Gewerbszweigen messen kann. [...]

Der Schwerpunkt der industriellen Thätigkeit Solingens bilden seine Schwerter-, Messer-, Scheeren- und sonstige Eisen- oder Stahlwaarenfabriken, die uralt sind und die hauptsächlichsten Märkte der Welt mit ihren Erzeugnissen versorgen. Aus dem Jahresberichte der Handelskammer pro 1864 ersehen wir, daß Beziehungen stattfanden zwischen Brasilien, den Laplata-Staaten [Argentinien, Uruguay, Paraguay], Westindien, Mexiko, Ostindien, der Westküste Afrikas, der Levante [= Mittelmeerländer östlich von Italien], Spanien, Portugal, Italien, der Türkei und den Donaufürstenthümern, Polen und Rußland, Dänemark, Schweden und Norwegen, dem Zollvereine [Zollunion, Zusammenschluss selbstständiger Staaten zu einheitlichem Zollgebiet, z.B. Deutscher Zollverein (1834-71)] u.s.w. [...]

Solingen besitzt außerdem noch eine Papierfabrik, mehrere Eisengießereien, Seifen- und Lichterfabriken. In Höhscheid, einer an Solingen grenzenden aus einer Anzahl zerstreut liegender Höfe bestehenden Gemeinde, befinden sich ebenfalls mächtige Eisen, Messing- und Stahlwaarenfabriken und Handlungen, namentlich Messer- und Scheerenfabriken, ferner ein Eisenhammer, Schleifmühlen u.s.w. In Neu-Cronenberg bei Opladen ist eine Fabrik von Holzschrauben, Schneidewaaren u.s.w.

Bedeutende Eisen- und Stahlwaarenfabriken befinden sich auch in Dorp, einer Stadt an der Wupper, in Dültgensthal, Wald, Merscheid und Gräfrath. [...] In Gräfrath sind noch Eisengießereien, Messerfabriken, eine Fabrik von Bruchbandfedern u.A. zu nennen. [...]

Durch die im Bau begriffene Eisenbahn von Haan nach Deutz mit einer Zweigbahn nach Solingen werden Production und Absatz des Kreises eine beträchtliche Förderung erhalten. [...] Wie sehr die Eisenbahn auf den Preis der Solinger Fabrikate durch die dann eintretenden Frachtermäßigungen einwirken wird, liegt zu sehr auf der Hand, um hier näher ausgeführt zu werden.

[Hocker S. 100 f]


Zur Industrie-Geschichte

Die wichtigsten Klingenfabriken besitzt Solingen, dessen Namen man mit der Sonne in Verbindung bringen will. Wann die ersten Fabriken begründet wurden, ist unbekannt. Vermuthungen sind es, wenn behauptet wird, die ersten Solinger Schmiede seien aus Steyermark oder Elsaß eingewandert. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß Adolph VII., Graf von Berg, der für Eduard III., König von England gegen König Philipp von Frankreich ins Feld zog, aus England einige Eisen- und Stahlschmiede nach seinem schönen Lande der Berge verpflanzt hat. Die hanseatischen Kaufleute Kölns werden die Entwickelung des neuen Industriezweiges eifrig gefördert haben, da der Artikel überall guten Absatz fand.

Herzog Wilhelm II. ertheilte 1401 dem Härder- und Schleiferhandwerk zu Solingen das erste Privilegium, das sein Nachfolger Wilhelm III. auch auf die Schwertfeger und Schwertschmiede ausdehnte. Die Messerfabrikanten erhielten 1571 von Wilhelm IV. ihre ersten Statuten.

[Hocker S. 175 f]


Die Hütten-Industrie und die Metallwaarenfabrikation
C. Die Production von Stabeisen, Blech, Draht und Stahl

[...] Die Stahlfabrikation muß in Gegenden mit uralten Waffenfabriken schon seit Jahrhunderten in Betrieb stehen. Es ist unbekannt, aus welchen Fabriken die Solinger Klingenfabriken ihren Stahl bezogen, indessen kann man annehmen, daß derselbe im Lande selbst verfertigt worden sei. Es spricht dafür die Sage, daß englische Arbeiter Leuten des Grafen Adolph VII. von Berg die Kunst, den Stahl zu bearbeiten und zu härten, gelehrt hätten.

[Hocker S. 363]


F. Die Klingenfabrikation

Wir wenden uns nunmehr zu der Fabrikation von Klingen, also von Degen, Säbeln, Dolchen, Rasirmessern, Taschenmessern aller Art, Küchen- und Schlachtmessern, Plantagemessern, von Scheeren, Gabeln u.s.w. Solingen ist der wichtigste Sitz dieses Industriezweiges. Wir haben bereits in der Industriegeschichte einige historische Angaben über das Alter derselben gegeben. Die Kriege des 19. Jahrhunderts haben ihn stetig weiter entwickelt, während die Weltausstellungen der letzten Jahre ungemein zur Steigerung der meisten Solinger Fabrikate beigetragen haben.

Von besonderem Einflusse ist darauf der vortreffliche Stahl, namentlich der Gußstahl, der immer größere Verwendung in der Klingen- sowie in der Messer- und Scheerenfabrikation findet. Wie vortrefflich die Solinger Klingen sind, geht aus der Thatsache hervor, daß englische Fabrikanten sie vielfach beziehen, und als eigenes Fabrikat ausgeben.

Dem vortrefflichen Rohmaterial gesellt sich die außerordentliche Uebung der Arbeiter in Behandlung der blanken Waffen, die Solingen das Uebergewicht über die englischen und französischen sichern. Es ist schon bei Gelegenheit der ersten Londoner Ausstellung im Jahre 1851 hervorgehoben worden, daß Birmingham in keiner Hinsicht mit Solingen in die Schranken treten könne. [...]

Merkwürdig [i. S. von bemerkenswert] ist die Theilung der Arbeit bei der Klingenfabrikation. Schwertschmied und Vorschläger geben dem rohen Stahl die erste Form. Dann geht die Klinge zum Härter, der ihr die Federkraft giebt, hierauf zum Schleifer, der sie blank macht. Je nach dem Grade der Feinheit, welche die Klingen besitzen, werden sie ein- oder mehrere male mit Schmirgel und Oel auf einer Holzscheibe 'gepließt'; dann wandern sie zum Monteur [= Reider], der sie mit Griffen versieht, an denen wieder mehrere Arbeiter ihre Kunst versucht haben. Die Scheiden, Ringe u.s.w. erfordern abermals vielfache Arbeitskräfte.

So wandert ein Schwert, ehe es ins Lager des Kaufmanns übergeht, durch viele Hände, und jede übt daran ihre Geschicklichkeit, die uns erstaunlich erscheint, wenn man die Prachtgefäße und Prachtklingen neben den schlichten Infanterie-Säbeln stehen sieht. Noch heute soll es im Kaukasus Solinger Säbel geben, die von Generation auf Generation vererbt worden sind, und als wahre Kleinode geschätzt werden.

Leider ist der Jahresbericht der Handelskammer in Solingen sehr dürftig, und so fehlen uns Angaben über die Zahl der Waffen u.s.w., welche alljährlich fabricirt werden, sowie über den Geldwerth, welchen die Solinger Fabrikate repräsentiren. Freiherr v. Hauer giebt in seiner vortrefflichen 'Statistischen Darstellung des Kreises Solingen' (1832) das jährliche Erzeugniß der Waffenfabrikation in montirten und unmontirten Klingen, einschließlich der Rapiere, Fleurets, Lanzenspitzen u.s.w. auf 100,000 Stück und ihren Durchschnitts-Geldwerth auf 300,000 Thlr. an.

Heute werden diese Zahlen kaum mehr als Maßstab der Solinger Klingenfabrikation gelten können. Indessen dürfte diese in der Neuzeit an ihrem Umfange etwas eingebüßt haben. Es bemerkt die Handelskammer: "Das neu eingeführte Verfahren einzelner Regierungen, so auch der unserigen, Lieferungen durch öffentliche Blätter auszuschreiben und an den Mindestfordernden zu vergeben, hat diesen, der ganzen Welt rühmlich bekannten Industriezweig Solingens so weit heruntergebracht, daß die intelligente Arbeitskraft sich nicht dabei betheiligen kann, der Lohn der Arbeit auf ein Minimum reducirt und der Verdienst des Unternehmers (denn Fabrikanten darf man sie nicht mehr nennen) nach einzelnen Pfennigen berechnet wird."

Die Solinger Fabriken verarbeiten ganz bedeutende Mengen Stahl, Eisen, Messing, u.s.w., und ist daher die Vollendung der Eisenbahn nach diesem Fabrikorte als die Lösung einer wahren Lebensaufgabe zu betrachten. Die Messer- und Scheerenfabrikation soll alljährlich 2 Mill. Pfund Stahl verbrauchen. Auch dieser Industriezweig ist sehr bedeutend, und beschäftigt Hunderte fleißiger Menschen.

Im Auslande bereitet England den betreffenden Solinger Häusern noch schwere Concurrenz, indessen sind verschiedene Gattungen von Tischmessern und Gabeln ihrer Güte und Preiswürdigkeit wegen sehr begehrt. In Küchen- und Schlächtermessern kann ganz gut mit England concurrirt werden. Feder- und Taschenmesser sind stark gefragt, namentlich von Dänemark, Italien, Spanien, der Levante, Oesterreich u.s.w.

Die Scheerenfabrikation hat in der letzteren Zeit etwas abgenommen. Sie ist aber immer noch bedeutend zu nennen, wenn auch Nordamerika und Brasilien nicht mehr in dem Maaße, wie früher, Solinger Scheeren beziehen. Man veranschlagt die jährliche Scheerenfabrikation auf 12 Millionen Stück.

Außer in Solingen finden sich auch Fabriken in Dorp, Wald, Höhscheid und Gräfrath. Die Bevölkerung dieser industriellen Gegend steigt von Jahr zu Jahr, eine Folge der regen Thätigkeit, die dort herrscht.

In neuerer Zeit ist man zur Fabrikation von Revolvern übergegangen, die den Lütticher Fabrikaten schon Concurrenz machen. Um diesem neuen Industriezweige eine Zukunft zu sichern und den Consumenten Vertrauen einzuflößen, müßte nach der Meinung der Handelskammer in Solingen unter staatlicher Aufsicht eine Probiranstalt errichtet werden, in welcher sämmtliche producirte Schießwaffen in Betreff ihrer Solidität controlliert würden. Es müßte dann ein Gesetz erlassen werden, nach welchem bei hoher Strafe keine Schußwaffe versandt werden darf, welche nicht mit einem, die Solidität derselben documentirenden Stempel der Regierung versehen ist.

Die Fabrikation von Taschenmessern hat sich auch im Kreise Hagen eingebürgert, und erfreut sich dort eines schwunghaften Absatzes. Mehr und mehr wird zur Herstellung besserer Waare übergegangen und Solingen darin Concurrenz gemacht. Die Fabrikation von Plantagemessern, Zuckermessern, Sackhauern u. dgl. hat an letzterem Orte bedeutend abgenommen, weil andere märkische Etablissements sie billiger liefern können. Im Kreise Hagen werden auch ordinäre Säbelklingen und dolchartige Messer für den Export fabricirt. Westindien hat 1864 beträchtliche Quantitäten davon bezogen.

Solinger Häuser beziehen häufig diese ordinären Waffen für den Export. Sie werden hauptsächlich in Eilpe und Gevelsberg verfertigt. J.C. Post Söhne in Eilpe liefern gegossene Scheeren, Zangen, Küchen- und Plantagemesser, ordinäre Säbeklingen, ordinäre Säbel und Sicheln; Drevermann & Söhne in Gevelsberg fabriciren blanke Waffen, Küchenmesser und Sackhauer für den Export nach Nord- und Südamerika, Ost- und Westindien. Dieser Industriezweig ist noch großer Entwicklung fähig. Auf die Fabrikation von Eisen und Stahl gestützt, hat er eine naturwüchsige Grundlage.

Die den Bewohnern von Berg und Mark eigene Energie, Ausdauer, Umsicht und Fleiß sind die besten Factoren bei der thätigen Besiegung der Concurrenz Englands, die in manchen Artikeln fast auf Null reducirt ist, in anderen sich aber noch recht fühlbar macht. Allein wir vertrauen der Thatkraft unserer Fabrikanten und Kaufleute, daß sie vor keiner Schwierigkeit zurückschrecken, wünschen aber auch, daß die Staatsregierung bei ihrer Zollpolitik mehr den vorhandenen Bedürfnissen Rechnung trage, und namentlich dafür sorge, daß Metallwaaren im Verhältniß zu den Rohmetallen richtiger taxirt werden.

[Hocker S. 406-409]




Die Industrie im Wuppergebiet (1913)

Der Lenneper Architekt Albert Schmidt veröffentlichte 1913 eine Schrift über die damals hochgradig verschmutzte Wupper. Hier sein knapper Überblick über die Veränderungen ihrer Nutzung im Zuge der fortschreitenden Industriealisierung:


"An dem Flußlauf der Wupper und ihren Seitenzuflüssen haben sich von alters her durch die Benutzung der reichlich vorhandenen Wasserkräfte industrielle Werke niedergelassen. In der Nähe des Quellgebietes der Wupper und im Dhünntale waren es vorzugsweise Pulvermühlen, an der mittleren Wupper und den Seitenzuflüssen Hammerwerke der Eisenindustrie, an der unteren Wupper Schleifereien für dieselbe. Zwischendurch fanden sich, je nach den Bedürfnissen der Gegend verteilt, Mahlmühlen und Knochenstampfen und in der Nähe der Städte mit Tuchindustrie, wie Hückeswagen und Lennep, vereinzelt Walkmühlen.

Durch den gewaltigen Aufschwung der ganzen Industrie und deren allmähliche Entwicklung zur Großindustrie im vergangenen Jahrhundert wurden auch die industriellen Werke an der Wupper sehr wesentlich beeinflußt, besonders in dem mittleren Wupperlauf.

Die Pulvermühlen der Quellgebiete haben sich fast gar nicht verändert, vereinzelt sind dort Spinnereien und Knochenölfabriken entstanden. Von Wipperfürth bis Elberfeld dagegen wurden durch die rapide Entwickelung der Textilindustrie in den Städten Wipperfürth, Hückeswagen, Lennep, Barmen und Elberfeld die früher vorhandenen Eisenhammerwerke fast vollständig verdrängt, nur sechs Hämmer fristen in Dörpe noch kärglich ihr Dasein.

An Stelle der Hämmer entstanden eine Reihe bedeutender Tuchfabriken und Spinnereien, sowie Band-, Litzen-, Seiden- und Sammetwebereien, Kattundruckereien, Bleichereien und Färbereien, die alle mehr oder weniger zu ihrer Existenz und Entwickelung auf die Benutzung des Wupperwassers angewiesen waren.

Die Hammerwerke wurden aus dem eigentlichen Wuppertal, weil dort größere Wasserkräfte zur Verfügung standen, die zur Entwickelung der Großindustrie besser Verwertung fanden, verdrängt. In den Seitentälern, besonders in der Umgebung von Remscheid, fanden sie jedoch noch immer Verwertung, wenn auch dort durch die immer billiger gewordenen Dampfkräfte die nur periodisch bei gutem Wasserstand arbeitenden Wasserhämmer allmählich verdrängt werden.

An der unteren Wupper dagegen, von Elberfeld bis Leichlingen, haben sich die uralten Schleifereien für die Solinger und Remscheider Industrie fast unverändert erhalten. Zwei Papierfabriken, eine Deckenwalkerei, neuerdings das Wasser- und Elektrizitätswerk Solingen und das Bergische Elektrizitätswerk bilden eine Ausnahme. Diese Schleifereien arbeiten noch immer, wie von jeher, mit sehr primitiven unterschlächtigen Wasserrädern von nur 30 Prozent Nutzeffekt.

Die Ursache dieses Stillstandes in der Entwickelung der dortigen Industrie ist wohl zu suchen einerseits in dem Mangel an Verkehrsstraßen - hat doch das ganze Wuppergebiet von Elberfeld bis Leichlingen keine ordentliche Straße den Werken entlang - andererseits aber auch an dem durch die Abwässer der großen Städte so furchtbar verunreinigten Wupperwasser.

Das Wupperwasser ist unterhalb von Elberfeld schwarzbraun und führt eine ungeheure Menge von Unrat der Städte und deren Fabriken. Turbinenanlagen sind nur dann anwendbar, wenn außerordentlich kostspielige Einrichtungen getroffen werden zur Reinigung des Wassers von mitgeschwemmten festen Stoffen und Fasern. Die vorhandenen Turbinenanlagen an den Papierfabriken und Elektrizitätswerken sind kaum zu benutzen und werden deshalb überall durch Dampfanlagen ersetzt. Dieser Zustand bildet eine große Schädigung der Wupperanwohner und ist auf die Dauer unhaltbar. Fische, überhaupt jedes lebende Wesen, ist im Wupperwasser unmöglich, und man hat bei Wehrbauten in der Wupper vergebens nach irgend welchen Spuren von organischen Lebewesen gesucht, nicht das kleinste Würmchen ist zu entdecken."

[Schmidt S. 82 f]

  Über die Wupperwehre



Quellen:
  • Hocker (1867) S. 111-113 und 406-409
  • Schmidt, Albert: Die Wupper (1913)

      nach oben     

www.zeitspurensuche.de
Copyright © 2003 Marina Alice Mutz. Alle Rechte vorbehalten.