Pferde-Alltag in alter Zeit
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Inhaltsübersicht Über die Straßen- und Verkehrsverhältnisse
im Bergischen Land (17.-19. Jh.)


Max Schmidt: Heimatliche Straßenbilder alter Zeit



Die bergische Wirtschaft war in besonderem Maße auf Rohstoffzufuhr und Fernhandelsverbindungen angewiesen, und so hing sehr viel von guten Verkehrsverhältnissen ab. Den bergischen Kaufleuten konnte die Aktivität der Franzosen im Straßenbau - wenn sie wohl auch aus strategischen Gründen erfolgten - nur recht sein, denn in diesem Bereich lagen die Dinge im Bergischen Land vor der sog. Franzosenzeit (Ende 18./Anfang 19. Jh.) noch sehr im Argen.

Zwar floss der Rhein, die damals wichtigste Verkehrsader Deutschlands, nur eine halbe Tagesreise entfernt, doch waren die Straßen von den bergischen Gewerbestädten zum Rhein ebenso wie zwischen den Städten entweder nicht genügend ausgebaut oder in einem dermaßen schlechten Zustand, "daß der Reisende wegen der darin ausgefahrnen Löcher und großen Steine jeden Augenblick den Wagen zu zerbrechen risquiret", wie der Reisende Christian Friedrich Meyer 1793 über die Strecke Düsseldorf-Elberfeld berichtet. [Huck / Reulecke S. 17 ff]

Von der Beschreibung eines Reisenden, der 1793 durch Langenfeld / Rheinland kam, berichtet auch Rolf Müller:

"Ferner war der Weg von Langenfeld nach Elberfeld »so abscheulich und gefährlich, daß es in der Tat für jemanden, der ihn nicht kennt, unmöglich ist, sich davon einen wahren Begriff zu machen, ausgefahrene Felsen, Procipissen (steile Abhänge), ungeheure Berge, und zwar immer bei Nacht zu passieren...« Kein Pferd halte diese Strapazen länger als ein Jahr aus, »weil in den tiefen und schmalen in die Felsen eingreifenden Geleise besonders bei dem nächtlichen Ritt in gar kurzer Zeit der Huf des Pferdes zugrunde geht...« Die Klagen blieben im ganzen ohne Wirkung."
[Müller S. 493]


Kunststraßen, d.h. befestigte Chausseen, gab es im Bergischen Land fast gar nicht, anders als in der damals schon besser ausgestatteten preußischen Mark, statt dessen vorwiegend unbefestigte Polizeystraßen. Trotz eines ausgeklügelten Wegewartungssystems bedeutete das Sand, Lehm und Staub im Sommer und im Winter tiefe morastige Löcher, dicke Steine, Wurzeln und Geröll. Unfälle mit umgestürzten oder zerbrochenen Kutschen und Wagen kamen ebenso vor wie Verkehrsunfälle heute, und auch damals konnten die Folgen tödlich sein. Da die Wirte und die einheimischen Handwerker möglichst viel an den Durchreisenden verdienen wollten, hatten sie kaum Interesse an besseren Wegen und mussten immer wieder von den Behörden an ihre Pflicht erinnert werden. [Huck/Reulecke S. 18 ff]

"Die Verkehrstechnik im 17. und 18. Jahrhundert befand sich ganz und gar noch auf mittelalterlichem Niveau. Sicher fehlten weithin auch die Geldmittel, mit denen man die Straßen in einen guten Zustand hätte bringen könne. Entscheidend aber dürfte die Einstellung der Menschen im Mittelalter zum Straßenverkehr überhaupt gewesen sein.

Solange es so etwas Sonderbares wie die 'Grundruhr' gab, nach der der Grundherr Anspruch auf umgestürztes Warengut hatte, solange Menschen es für richtig hielten, die Reisenden nicht zu schnell fortkommen zu lassen, um an Vorspann und Wagenreparaturen, Hufbeschlag und Übernachtungen verdienen zu können, solange man glaubte, gute Straßen zögen fremde Truppen und ungebetene Gäste ins Land, solange man es noch um die Mitte des 17. Jahrhunderts für richtig hielt, das Reisen im Wagen zu bekämpfen, weil es dem Volkswohl abträglich sei, solange mußte der Zustand der Straßen im argen bleiben.

Darüber hinaus muß man an den nahe liegenden Rhein erinnern, der mit seiner Segel- und Treidelschiffahrt den damaligen Fernstraßen weit überlegen war und den Gedanken, Landwege auszubauen, oft gar nicht aufkommen ließ."

[Müller S. 482]


Ein typisches Beispiel für die schleppende Straßenentwicklung ist die Straßenverbindung von Elberfeld über Cronenberg, die Kohlfurther Brücke nach Solingen und weiter nach Hitdorf an den Rhein, wo man die teuren Kölner Stapel- und Umladerechte umgehen konnte.

  Stapelrecht: Im Mittelalter das einzelnen Städten verliehene Recht, Durchzugswaren einige Tage anzuhalten und zum Verkauf anbieten zu lassen. [Beckmann]   - Bis zur Neuzeit bestehendes Recht der Städte, die freie Durchfuhr v. Handelswaren (ohne Feilhaltung) zu verbieten. [Knaur]

In seinem Reisebericht aus dem Jahr 1792 wundert sich Meyer darüber, dass dieser Weg für Wagen völlig unpassierbar sei, weshalb Elberfelder Güter nach Köln und Frankfurt immer erst den erheblichen Umweg über Düsseldorf machen mussten.

1796 wurde die Wegstrecke von Solingen zur Kohlfurther Brücke fertiggestellt, der Rest blieb weiterhin unbefahrbar. Unter solchen Reisebedingungen war im Bergischen Land um 1800 meist der Pferderitt die einzige Möglichkeit, wenn man etwas schneller von Ort zu Ort kommen wollte.

Erst unter dem Druck französischer Beamter und schließlich dann in preußischer Zeit besserten sich die Straßenverhältnisse zunehmend. Neben die schwerfälligen und unbequemen Personenpostwagen traten jetzt die besser eingerichteten Diligencen, d.h. die Eilwagen; die Bespannung wurde verbessert, und man achtete auf genauere Anschlüsse an den Poststationen. [Huck/Reulecke S. 20]

  Über das Reisen mit der Postkutsche




Einiges ist auch aus den Briefen eines französischen Emigranten im Wuppertal der Jahre 1792/93 zu erfahren: "Die Landstraße von Düsseldorf nach Metmann ist mit Wirtshäusern im Ueberfluß versehen, wovon wenigstens ein Drittel erst seit sechs bis zehn Jahren neu angelegt ist. [...] Dagegen sind aber die meisten zu Herbergen für Fuhrleute sehr bequem eingerichtet und mit guten Ställen versehen." [Huck / Reulecke S. 51] Über Mettmann schreibt er:

"Die Straßen sind größtentheils schlecht, schmal, uneben, und deswegen eben so unbequem zum Gehen, als zum Reiten und Fahren. Der Magistrat dieses Orts hat aber im vorigen Jahre, in einigen Strassen, auf welchen alles durchpassiren muß, was von Düsseldorf nach Elberfeld, oder zurückkommt, einen sehr guten Steinweg anlegen lassen, und dadurch den ehmaligen Klagen der Reisenden Einhalt gethan. Den halben Stüber, welcher dafür von einem Pferde als Weggeld am Thore bezahlt werden muß, achtet gewiß Niemand.

Ueberhaupt lässt man es sich seit einigen Jahren in diesem Herzogthume vorzüglich angelegen seyn, gute und feste Wege anzulegen. Wegebesserung und richtige Ausmessung der Landstraßen gehören auch hauptsächlich mit zur Erhebung des Handels und Gewerbes eines Landes. Der Kaufmann gewinnt dadurch an Fracht, und der Fuhrmann schont sein Vieh. Auch der Landmann befindet sich sehr wohl dabei, wenn er nicht blos bei Verführung seines Getraides, Holzes etc. zur Stadt, sondern auch zuweilen bei Frachtfuhren seine Pferde nebst dem Geschirre nicht durch böse Wege zu Grunde richten darf.

Die Chaussee von Mettmann bis Elberfeld scheint mir bei schlechtem Herbstwetter, lange nicht so gut zu fahren zu seyn, als der im Sande angelegte Steinweg von Gerresheim bis Düsseldorf. Hierzu tragen nun wohl die vielen, oft sehr steilen Berge, das Meiste dazu bei, weil bei starken und anhaltenden Regengüssen, besonders im Frühling und Herbst, das Wasser von den Bergen stark zusammenlauft, die klein geschlagenen oder gefahrnen Steine mit sich fortreißt, und hier und da Löcher zurückläßt.

Dann scheint aber auch ein großer Theil der Schuld auf die Fuhrleute selbst zu fallen, welche so schwer von dem alten Schlendrian, ein und dasselbe Geleise zu fahren, abzubringen sind. Wie groß der daraus entstehende Nachtheil sey, kann man vorzüglich an dem sehr schönen Wege zwischen Elberfeld und Gemark sehen, wo oft in einigen Tagen die Geleisen so tief gefahren sind, daß man es kaum begreiffen kann, wie es möglich ist. Vier Männer haben hier auf einer Strecke von einer halben Stunde, täglich ihre volle Arbeit, sie wieder mit andern Steinen auszufüllen. [...]

Ferner werden viele von den hiesigen Landstraßen, zum Theil von den Einwohnern jedes Amts unterhalten. Diese ziehen auch das Weggeld und sorgen für die Wegebesserung. Ein großer Theil der Fuhrleute selbst wohnt vielleicht in diesen Gegenden, gehört folglich mit zu dem Amte, welches einen bestimmten Theil des Weges im Stande halten muß. [...]

Endlich werden auch diejenigen Wege, auf welchen blos Karren und nur selten Wagen fahren, auch viel geschwinder verdorben, als diejenigen, wo beide Arten von Fuhren sich das Gleichgewicht halten. Das Erste ist hier der Fall."

[Huck / Reulecke S. 53]


Sonja und Anja  
1987   Feldweg bei Mettmann.

Über solche Straßen hätte sich
ein Fuhrmann früher sicherlich gefreut.



Aus dem Jahr 1810 berichtet Graf Jaques-Claude Beugnot, kaiserlicher Kommissar im Großherzogtum Berg, von einer Reise zu den Fabriken von Elberfeld, Barmen, Solingen, Remscheid etc., nicht ohne kritische Anmerkungen:

"Am 28. Mai [gemeint ist das Jahr 1810, d. Hg.] in Düsseldorf aufgebrochen, um die Fabriken in Elberfeld, Barmen Ronsdorf, Lennep, Remscheid, Solingen, etc. etc. im einzelnen zu besichtigen.

Auf der Straße von Düsseldorf nach Elberfeld nichts Bemerkenswertes. Man durchfährt den Marktflecken Mettmann, der vormals von starken Mauern und Türmen flankiert war. Davon ist nur noch ein Stadttor geblieben, das man niederlegen sollte, denn es hindert den öffentlichen Verkehr und ist heute ein weder nützliches noch gefälliges Bauwerk.

Die Straße ist gut und solide; sie ist so breit wie die französischen Straßen zweiter Ordnung angelegt, und obwohl sie keinen Unterbau hat, hält sie doch dem Druck der Wagen stand, oder besser: ihrem Einschnitt; denn alle Wagen, die mir begegneten, waren mit drei oder vier Pferden hintereinander bespannt und ruhten auf zwei Rädern mit sehr schmalen Felgen.

Nichts stünde dem Gebrauch von Rädern mit breiter Felge entgegen, doch müßten sie durch übereinstimmende Verordnungen in allen Rheinbundstaaten vorgeschrieben werden; die in jeder anderen Hinsicht belächelnswerte Macht, die der Fürst von ... als Herr über die vier Quadratmeilen seiner Staaten und der Prinz von der Lippe als Suverän über einen Marktflecken und den vierten Teil einer Vorstadt ausüben, stellt jedoch bislang der Einführung breiter Felgen ebenso unüberwindliche Hindernisse entgegen wie der eines vernünftigen Zoll-, Post- und Fuhrwesens und überhaupt jeder systematischen Verbesserung für den Großteil des Rheinbundes.

Der Fahrdamm der Straße wird durch Schranken versperrt, so daß man nur die Bankette befahren kann. Ich fragte nach dem Grund dafür. Man gab mir zur Anwort, die Bankette würden hierzulande 'Sommerweg' genannt; in der warmen Jahreszeit und solange er befahrbar sei, zwinge man die Wagenführer, soweit eben möglich, nur diesen Weg zu benutzen. Infolgedessen wird das Material, aus dem der Fahrdamm aufgeschüttet ist, für die Regenzeit geschont. Dann können die Bankette eingeebnet werden, und es liegt auf der Hand, daß die Ausgaben für diese Arbeit weit niedriger sind als die Ersparnis, die man bei den Straßenbaumaterialien erzielt. Das ist eine kluge Maßnahme.

Die Wegstrecke wird durch Meilensteine und noch einmal weiter bis auf die Minute herab unterteilt.

Überall sonst wäre eine so feine Aufteilung ein Luxus, hier aber handelt es sich, wie man mir erklärte, um eine Notwendigkeit. Die Unterhaltung und selbst der Bau von Straßen erfolgt hier nicht durch Unternehmer, sondern durch Ökonomie. Die Regierung kümmert sich nämlich darum; sie unterteilt die Straße in zahlreiche kleine Stücke, die jeweils durch eine Person zu warten sind. Bei einem derartigen System ist eine so weitgehende Untergliederung nun allerdings zweckmäßig; einmal festgelegt, können sich Regierung wie Privatleute auf sie berufen."

[Huck / Reulecke S. 168]


King und Wumm  
1987, Haan / Rhld., Bahnhofstraße

Inzwischen haben sich die
Straßenverhältnisse weiter verbessert:
Auch im Bergischen Land gibt es
befestigte "Kunststraßen".

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Einen runden Überblick über Verkehrserfordernisse, Verkehrswege und Verkehrsmittel im Bergischen Land im 17.-19. Jh. - zugleich über die Unverzichtbarkeit der Pferdestärken für Mobiität und Fortschritt - gibt der Solinger Autor Max Schmidt in seinem 1927 erschienenen Aufsatz:


Die Heimat Nr. 9 vom 20. Mai 1927

Heimatliche Straßenbilder alter Zeit

von Max Schmidt

Was muß das ein buntes Bild gewesen sein auf den alten Land- und Kohlenstraßen! Auf den holprigen und verhältnismäßig schmalen Verkehrswegen gingen einher die Wanderer, daneben kamen die zahlreichen Reiter und dann die Treiber mit ihren Pferden, die am Ende des 17. Jahrhunderts den Kohlentransport aufnahmen; als größerer Troß, soweit dieser nicht vom Kriegsvolk überboten wurde, Karren und Wagen, mit denen Handelsgüter aller Art transportiert wurden, und dazwischen wieder die Wagen mit den eigentlichen Reisenden, die die großen Touren machten.

Das Reitpferd war vorherrschend, denn ein jeder, der es konnte und der oft auf Tour war, hielt sich selbst ein Pferd. Nicht vereinzelt waren auch Frauen anzutreffen, die sich des Reitpferdes bedienten. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein hatten in Solingen einige Pfarrer ihr Pferd, und ohne dieses konnte man sich kaum einen Arzt vorstellen, der Landpraxis ausübte. Die großen Handelshäuser hielten zuweilen deren mehrere, und ihre Vertreter machten damit ihre ausgedehnten Reisen bis in die fernsten Länder.

Auf solchen Reisen war man im allgemeinen sehr bescheiden. Wenn nicht Mundvorrat mitgenommen wurde, lebte man draußen sehr sparsam. Nebenbei mag hier bemerkt sein, daß am Ende des 17. Jahrhunderts ein Reitpferd mit 10-11 Thlr. cölnisch bewertet wurde. Was aber eine Reise kostete, geht aus einer Aufstellung aus dem Jahre 1686 von dem damals in Solingen amtierenden reformierten Pfarrer Johann Sprenger (in Solingen 1677-1689) hervor, die lautet:

Specification der Kösten,
angewendet auf der Reise nach Duisburg zum Synode-General etc.
von dannen zurück nach Solingen.

Anno 1686 den 14. July bin morgens frühe aus Solingen geritten,
in Mittag gegenüber Kayserswerda [Kaiserswerth?]
in einer Herberg auf der Luft genannt
ich und ein Pferd verzehrt ......................................... 20 Alb.

Selbst dito nachmittags um 2 Uhr nahe bei Duisburg angekommen,
daselbst in einer Herberg Landskron benannt, vor abends
Zehrung und Schlafstelle verzehrt ............................... 14 Alb. 2 H.

An Heu und Haber vors Pferd selbig dito
umb den Abend zu Mettmann in einer Herberg im König von Schweden
für mich und Pferd .................................................... 16 Alb.

Summa ..............................................................2 Rht. - Alb. 2 H.

Solingen, 17. July 1686       Johann Sprenger, Pastor.

Das außerordentlich interessante Kulturdokument besagt uns neben anderem, daß die zweitätige Reise für Mann und Pferd also nur etwa zwei Taler erforderte; nach unseren heutigen Begriffen ein geradezu kleiner Betrag; nach damaligen Verhältnissen aber eine erhebliche Summe.

Mit der Entwicklung des gewerblichen Lebens in und um Solingen ging selbstverständlich ein größeres Reisebedürfnis einher. Es kam hinzu, daß die Wälder unserer Gegend im 17. Jahrhundert den Schmieden nicht mehr genug Holz liefern konnten. Die Kohle wurde mehr benutzt. Es entwickelte sich der Stand der Kohlentreiber, die gegen Lohn die Kohle aus dem Ruhrgebiet hier nach den Kohlenbergen holten. Mit meist alten, abgetriebenen Pferden, die übergeschnallt die Körbe mit den Kohlen trugen, nahmen sie den Transport vor. Bessergestellte Handwerker oder Kaufleute, die zugleich Gutsbesitzer waren, gingen dazu über, ihre Gutspächter zum Holz- und Kohlenfahren in ihren Verträgen zu verpflichten.

Die Kohlenstraßen, darunter insbesondere die alte Donau, die von Solingen über Stockdum auf Gräfrath-Vohwinkel zu führte, wurden die meist benutzten Verkehrswege. Zum Rhein führte die Hauptstraße auf Hitdorf zu, das mit seinem alten und von Natur bevorzugten Hafen überwiegend für die Waren in Betracht kam, die auf dem Wasserwege an einen fernen Bestimmungsort gesandt wurden. Hitdorf kam aber auch für ankommende Güter, die weiter nach Solingen und sein Hinterland gingen, in Betracht. Alle Schleifsteine, die aus Belgien, aus der Eifel oder aus England kamen, brachten die Schiffer nach Hitdorf, wo sie in das Bergische verladen wurden. Auch Wein und Getreide gelangten auf demselben Wege nach hier, und später auch die Kohle, als sie in größeren Mengen benutzt wurde.

Bereits im 16. Jahrhundert finden wir allenthalben den Stand der Fuhrwerksbesitzer fast ähnlich wie in unserer Zeit die Spediteure, nur mit dem Unterschiede, daß man mehr Pferde oder ganze Fuhrwerke verlieh. Nach und nach richteten diese einen Wagenverkehr auf größeren Strecken ein. Sie werden als die Schrittmacher der Personenposten, die, bis die Eisenbahnen rollten, den Personentransport für sich in Anspruch nahmen, zu gelten haben.

Neben den Postanstalten blieben sie als Verkehrsvermittler von Ort zu Ort noch weiter für lange Zeit maßgebend. Ende des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts hatten wir in Solingen mehrere solcher Fuhrwerksbesitzer oder Lohnkutscher, wie sie genannt wurden. Einer der bedeutendsten, wenigstens nach seinen Inseraten, die in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts [= 1820er Jahre] in den verschiedenen Blättern erschienen, war ein Abraham Peters in Solingen. Eine dieser mehrmals wiederkehrenden Anzeigen besagt: "Künftigen Samstag fährt ein Wagen über Münster, Osnabrück, Bremen nach Hamburg auch nach Begehren über Hannover. Wer willens ist, diese Gelegenheit zu benutzen, melde sich bei Abraham Peters".

1828 macht derselbe Peters bekannt: "Am 21. März (auf Verlangen auch ein paar Tage später oder früher) fährt ein leerer Wagen über Aachen, Lüttich und Brüssel nach Antwerpen. Wer von dieser Gelegenheit Gebrauch machen will, melde sich". Im Jahre 1822 besagt eine Anzeige, daß am 21. Januar eine Lohnkutsche von Berlin hier ankommt und dann gleich oder in wenigen Tagen über Frankfurt a.d. Oder oder Leipzig dorthin zurückgeht. Wer sich zu bedienen Willens ist, wolle dies bei Herrn A. Weber im Gasthaus zum Deutschen Hause anzeigen.

Fast zu gleicher Zeit künden verschiedene Boten ihre Dienste an. Nach Elberfeld gehen zwei Boten von Solingen. Sie besorgen Waren hin und zurück. Zu Besorgungen nach und von Köln empfiehlt sich der Bote Daniel Peters, der gewöhnlich wöchentlich zweimal nach Köln geht und alle Besorgungen "zur Zufriedenheit ausführt". Der Bote Zengs von Wermelskirchen hat hier sein Absteigequartier bei der Witwe Baus im Gäßchen.

Reges Leben herrschte auf den primitiven Straßen, das besonders vor den verschiedenen Messen, wenn die großen, zahlreichen Meßgüter transportiert werden mußten, außerordentlich anschwoll. Dann kam es nicht selten zu Karambolagen und sonstigen Unannehmlichkeiten auf den Fahrstraßen, Vorkommnissen, die sich das Räubergesindel damaliger Zeit nicht selten zunutze machte.

In wie schlechtem Zustande die Straßen im Bergischen in der Nähe Solingens waren, geht daraus hervor, daß, als im Jahre 1793 der Kölner Erzbischof über Solingen, Kohlfurt, Cronenberg nach Elberfeld wollte, er seinen Kutschwagen in Kohlfurt zurücklassen mußte und nur mit den Pferden weiterkommen konnte. Ähnlich lauten die Klagen über die schlechten Wege fast allenthalben im Bergischen.

Besser scheint es jedoch im unteren Kreise Solingen gewesen zu sein, und zwar bei jenen Wegen, die auf die Hafenplätze Köln und Hitdorf usw. zuführten. Hofkammerrat Friedr. Heinr. Jacobi sagt in seinen Städteberichten aus den Jahren 1773-74: "Eine Sache, welche nicht nur die Remscheider, sondern der ganzen Bergischen Handlung unabsehliche Vorteile verschaffen würde, wäre die Einrichtung eines Weges von der bergischen Gränze über Barmen, Elberfeld, Sohlingen nach Hitdorf. Der Weg von der Märkischen Gränze ist in sehr gutem und der von Solingen nach Hitdorf ebenfalls in sehr brauchbarem Stande. Es bliebe also nur die kleine Strecke von 3 Stündchen zwischen Elberfeld und Sohlingen, zu machen." Aehnliche Klagen und Ansichten findet man viele in damaliger Zeit.

Eine Besserung scheint in den Wegeverhältnissen erst einzutreten, als sich nach und nach die Fahrposten in unserem heutigen Sinne entwickelten. Aber wie Solingen in unserer Zeit zuweilen noch bezhüglich der Verkehrsmittel etwas zaghaft vorangeht oder stiefmütterlich behandelt wird, genau so war es auch damals. Die Strecken Düsseldorf-Köln-Duisburg wurden schon 1668 vom Fahrposten berührt. In Solingen war an diesen Fortschritt noch nicht zu denken.

Die Anfänge einer Briefpost finden wir hingegen schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts. In dem Solinger Erkundungsbuche wurde 1688 ein Johann Braches Bote der Düsseldorfer Post, * [* nach freundlicher Mitteilung des Herrn Albert Weyersberg.] und ein Johann Hertzog, Postbote aus Köln, als Hausbesitzer in Solingen genannt. Diesen Boten mußten die Briefe und kleineren Pakete übergeben werden, die sie nach Köln oder an die anderen Poststationen zur evtl. Weiterbeförderung brachten. Größere Pakete wurden Fuhrleuten, insbesondere denen, die zur Messe fuhren, mitgegeben. Sie mußten meist dem Anlieferer eine Kaution stellen, um die gewissenhafte Ablieferung zu verbürgen.

Unter dem Kurfürsten Johann Wilhelm 1690-1716 finden wir in den kleineren Städten fast überall angestellte Boten, die die Briefe einsammelten und den Expeditionen, den Hauptpostämtern zustellten. Diese Boten wurden zuweilen von den Städten mit Pferden ausgerüstet, die in Tragkörben die Briefe trugen. Im Jahre 1693 hatte die Stadt Cronenberg einen solchen "Botten", der den Solinger "Botten" unlautere Konkurrenz machte. Es wurde ihm verboten, für die Solinger Briefbestellungen nach Köln anzunehmen. Diese Arbeit sollte dem Solinger "Botten" vorbehalten bleiben. Zwischen dem benachbarten Wald und Elberfeld verrichtete in den Jahren 1783 bis 1816 eine Wittib Hammerstein aus Wald den Postbotendienst.



Quellen:
  • Beckmann (1959)
  • Huck / Reulecke (1978)
  • Knaur (1991)
  • Müller, Rolf (1992)
  • Schmidt, Max: Heimatliche Straßenbilder alter Zeit. Die Heimat 9/1927 S. 33 f

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