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Ehrener Kotten (Nümmener Bach)

 
Ehren
Um 1925   Ehren. Bild-Quelle: Stadtarchiv Solingen
 
Lage
Geschichte, Eigentümer, Irrtümer
Das Ende
Schleifermeister Mutz baute schwarz
Namen

  Gräfrath: Hofschaft Ehren



  Die frühesten Mutz, die ich in den Kirchenbüchern von Solingen-Wald gefunden habe, waren die Schleifer zur "Kleinen Ehren" am Nümmener Bach, der unterhalb der Ortschaft Eschbach in die Itter mündet. Sie sind die "Stammeltern" vieler Solinger Familien Mutz, vermutlich auch derjenigen Zweige, die sich viele Generationen später in Ohligs und Haan ansiedelten.




Lage

Der Ehrener Kotten lag in Solingen-Gräfrath unterhalb der Hofschaft Nümmen am Nümmener Bach. Auf der Karte von Erich Ph. Ploennies aus dem Jahr 1715 ist er auf der linken Bachseite westlich der Nümmener Mühle eingezeichnet.




Geschichte, Eigentümer, Irrtümer

Über diesen Kotten ist in Zeitungsartikeln immer wieder berichtet worden. So beschrieb die Westdeutsche Zeitung am 19.07.1949 anschaulich, wie der Kottenbau damals - anno 1649 - vor sich ging. Bereits 10 Jahre früher hatte die Rheinische Landeszeitung vom 26.05.1939 über den ehemaligen Ehrener Kotten berichtet. Hier hieß der Schleifermeister und Kottenerbauer aber nicht Mutz, sondern Mauß. Diesen Bericht zitiert Lunkenheimer - mit kleinen, aber entscheidenden Abweichungen. U.a. machte er Mauß wieder zu Mutz. Alles spricht dafür, dass er damit Recht hatte.

  In den Kirchenbüchern habe ich in der fraglichen Zeit keinen Namensträger "Maus" gefunden. (In der alten Schreibschrift kann man beide Namen - "Moß" oder "Motz" - leicht verwechseln.) Zudem blieb Ehren auch in späteren Jahrhunderten Wohnsitz der Familie Mutz.

Lunkenheimer schreibt über den Ehrener Kotten des Jacobus Mutz:

"Mutz pachtete am 18. Mai 1649 von dem Müller Luetgen zu Nümmen in dessen Wiesen am oberen Nümmener Bach einen Kottenplatz, auf dem der Ehrener Kotten errichtet werden sollte. Diesen Kottenbauplan versuchte der Probst des adligen Klosters zu Gräfrath, dem das benachbarte Gut ' Zur großen Ehren' gehörte, mit allen Mitteln zu verhindern. Doch mit großer Zähigkeit kämpfte Mutz, von dem Müller Luetgen, Caspar Krauß zur kleinen Ehren, dem Schleifervogt und dem Rat unterstützt, um die behördliche Bauerlaubnis." [Lunkenheimer S. 128]

Am Aufbau des Kottens arbeiteten zwölf Personen, darunter mehrere benachbarte Schleifer und Gesellen. Dies geht auch aus einem kleinen Artikel über "Die Baukosten des Ehrener Kottens im Jahre 1649" hervor, über die der Schleifer Jacobus Mutz aus Ehren genau Buch geführt hat:

"Das Ausräumen des Wassergrabens und des Kottenplatzes kostete 7 Reichstaler = 22 Gulden 18 Albusse. (1 Gulden = 24 Alb.). Für die Zimmermannsarbeiten mußte Maus 6 Reichstaler zahlen. Für das Einschlagen des ersten Nagels spendete er 10 Albusse. Schließlich erhielt der »Decker« des Daches - aus Stroh - für seine Arbeit ganze 2 Gulden 12 Albusse." [...] "Auf Grund dieser geringen Bauauslagen kann man sich eine ungefähre Vorstellung davon machen, wie primitiv der Ehrener Kotten im 17. Jahrhundert ausgesehen haben muss. Er war eine einstöckige Schutzhütte mit Strohdach."
[Solinger Tageblatt vom 18./19.01.1941]

  Strohdächer waren hier zu dieser Zeit auch für die Wohnhäuser üblich. Erst 1757 richtete sich eine Verordnung gegen die Strohdächer. Seither wurden die Solinger Häuser mit roten Pfannenziegeln gedeckt. Als 1802 die staatliche Brandversicherungs-Gesellschaft für das Herzogtum Berg mit ihrer Tätigkeit begann, bewirkte die Aufnahme in diese Versicherung einen weiteren Rückgang der Strohdächer.
[Rosenthal 2. Bd. S. 18 f und S. 100]


  Mehr zum Kottenbau anno 1649 nach alten Akten von Emil Clauberg



Ehren
 
2002
Die Hofschaft Ehren,
versteckt hinter dichten Bäumen.
Das Regenrückhaltebecken ist im Bau.


"Der Kottenbauer Mutz starb 1664. Seine beiden Söhne Adolf und Jan (nicht Jürgen und Jan) übernahmen den Ehrener Kotten. Der Sohn Jan erwarb 1664 den ganzen Kotten und zahlte für den Anteil des Bruders Adolf 24 Reichstaler. Die Mutter wurde mit einer Summe von 24 Reichstalern abgefunden; hierbei traten die Schleifer Peter Baus und Jan Linder als Zeugen auf." [Lunkenheimer S. 128]

Beide Zeugen (und Nachbarn) erscheinen auch im Hebbuch des Solinger Rentmeisters Wilhelm Vaßmann von 1683-1684.

  Für neue Verwirrung um den Namen des Erbauers sorgt Lunkenheimer, indem er zum Bauskotten schreibt: "Als Wassererkenntnis sollte Baus einen halben Goldgulden in die landesherrliche Kasse zahlen, dies entspräche derselben Abgabesumme, welche 1649 Jakobus Mauß 'von der Ehren' für seinen neu errichteten Kotten am oberen Nümmener Bach habe bezahlen müssen." [Lunkenheimer S. 130]

Adolf Mutz am Itterbach steht in der Steuerliste des Rentmeisters Vaßmann von 1683-1684 an erster Stelle mit seinem halben Goldgulden Wassererkenntnis (so wurde die Betriebssteuer genannt), die er jährlich an die landesherrliche Kasse zahlen musste. "Hierbei handelt es sich um den Ehrener Kotten am Nümmener Bach, der unterhalb der Ortschaft Eschbach in den Itterbach mündet. Wie aus einem uns vorliegenden Originalschriftstück ersichtlich ist, wurde der Ehrener Kotten von dem Vater des genannten Adolf Mutz 1649 erbaut." [E. Clauberg, Solinger Tageblatt vom 08.08.1940]

Also doch: Mutz!

  Ein Jacobus Mutz hat 1647 in der Kotzert gelebt, wie aus dem Taufeintrag für seinen Sohn Wilhelm hervorgeht. Adolfs mindestens 5 Kinder sind in Ehren zur Welt gekommen.

1737 gehörte der Kotten Johann Mutz. [Lunkenheimer S. 128]

Dies ist wahrscheinlich die Schlussfolgerung aus den Initialen "IHM" auf einem alten Schleifstein aus dem Ehrener Kotten, die mit Johann Hendrick Mutz übersetzt wurden. [Westdeutsche Zeitung vom 19.07.1949]

  Johann Mutz könnte der am 31.12.1691 geborene 5. Sohn Johannes von Adolf Mutz sein. Allerdings ist im Taufbuch kein zweiter Vorname eingetragen.



Schleifstein
 
2008
"1737 IHM"
Es gibt ihn noch, den Schleifstein in der ehemaligen Ehrener Heimatanlage, im Sommer versteckt hinter viel Grün und von Gänsen bewacht, im Winter sichtbar.




Das Ende

"Vor 1750 wurde der Schleifkotten außer Betrieb gesetzt. In den Kellnereirechnungen ab 1750 kommt er nämlich nicht mehr vor", schreibt Lunkenheimer auf S. 128. Auch Clauberg (1940) ist dieser Meinung.

Der (unbekannte) Autor der Rheinischen Landeszeitung vom 26.05.1939 hingegen vermutet: "Aus der Tatsache, dass die Ehrener Schleifer Mutz 1793 in den Zieleskotten im oberen Ittertal übersiedelten, kann vielleicht geschlossen werden, daß der Ehrener Kotten um jene Zeit seinen Betrieb für immer eingestellt hat."




Westdeutsche Zeitung vom 19. Juli 1949

Schleifermeister Mutz baute schwarz
Wie vor 300 Jahren ein Kotten entstand

"Wer durch unsere freundlichen Heimattäler wandert, sieht hier und da wohl noch einen alten Schleifkotten, in dem fleißige Facharbeiter mit Hilfe der Wasserkraft ihrer Beschäftigung nachgehen. Die meisten dieser Arbeitsstätten sind aber den Weg alles Vergänglichen gegangen. Dampfkraft und elektrischer Strom haben den Wasserkotten mehr und mehr verdrängt, so daß von den 152, die vor rund 150 Jahren in und um Solingen gezählt wurden, kaum zwei Dutzend übrig geblieben sind.

Die Geschichte der heimischen Wasserkotten und des damit eng verbundenen Schleiferhandwerks ist im allgemeinen noch wenig erforscht, obwohl sie ein bedeutendes Kapitel in der Solinger Wirtschaftsentwicklung bildet. Immerhin liegen zuverlässige Ueberlieferungen vor, mit welchen Schwierigkeiten und Widerständen vor 300 Jahren die Schleifer beim Bau ihrer Kottenwerkstatt kämpfen mussten. Dabei lernen wir gleichzeitig manches Wissenswerte um die damaligen kulturellen Verhältnisse kennen.

Am Nümmener Bach

Es war 1649, also ein Jahr nach Beendigung des 30jährigen Krieges, da wohnte in der Ortschaft Ehren am mittleren Nümmener Bach der Schleifer und Kleinbauer Jacobus Mutz, von dem noch heute in Solingen Nachkommen vorhanden sind und gleichfalls das Schleiferhandwerk betreiben. Mutz hatte bisher in einem Ittertaler Kotten geschliffen, faßte aber "zur besseren Unterhaltung von Weib und Kindern" im Frühjahr 1649 den Entschluß, in unmittelbarer Nähe von Ehren eine kleine Schleifmühle zu bauen. Der Nümmener Bach trieb damals schon seit mehr als zwei Jahrhunderten - oberhalb Ehren die Nümmener Honschaftmühle, die dem Luetgen Müller gehörte. Unterhalb klapperte bereits seit Jahrhunderten die Ehrener Mühle, die im Besitz, des adeligen Nonnenklosters Gräfrath war.

Das Gefälle des Nümmener Baches zwischen den beiden Mühlen war groß genug, um noch einem kleinen Schleifkotten die nötige Wasserkraft zu geben. Zum Kottenbau benötigte Jacobus Mutz zwei schmale Wiesenstreifen für den Unter- und Obergraben und ein viereckiges Wiesenstück als Bauplatz, die er am 16. Mai 1649 vom Luetgen Müller pachtete.

Baugenehmigung Anno 1649

"Hoffentlich macht dir der Klosterprobst von Gräfrath als Oberaufseher der Klostergüter beim Kottenbau keine Schwierigkeiten", meinte Müller Luetgen, als er mit Mutz in seiner Wiese beschäftigt war, die verkauften Wiesenstücke abzupfählen.

Sie waren noch nicht ganz mit dieser Arbeit fertig, da erschien schon der Herr Probst und erklärte, er werde es nicht dulden, daß eine Schleifmühle hier entstehe, die den Betrieb der Ehrener Klostermühle stören würde. Bereits am nächsten Tage erschien der Landbote Itter in Ehren, brachte dem Schleifer Jacobus Mutz einen richterlichen Befehl und verlangte dafür den ihm zustehenden Bringerlohn von 8 Albus (Silberpfennige). Das Schreiben lautete: "Auf dringende Beschwerde des Herrn Klosterprobstes in Gräfrath verbiete ich Dir hiermit den geplanten Schleifmühlenbau."

Damit begann für Jacobus Mutz eine Reihe von Schwierigkeiten, die in mancher Hinsicht an Erteilungen von Baugenehmigungen nach dem zweiten Weltkrieg erinnern. Mutz war aber ein zäher Mann. Beim Richter Vischer in Solingen fand er verschlossene Türen, der Kellner auf Schloß Burg meinte, daß der Schleifer die Angelegenheit Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht, das heißt, dessen Geheimen Rat in Düsseldorf untertänigst unterbreiten müsse.

Zu Fuß ging der Kottenschleifer nach Düsseldorf und nahm zum "Schmieren" (auch das kannte man damals schon) einen Klumpen Butter und Eier mit. Die nahrhaften Sachen wurde er beim Kammerdiener der hochedlen Herren vom Geheimen Rat los. Dieser versprach auch, das säuberlich auf Pergament geschriebene Bittgesuch zu befürworten. Jacobus wartete auf Antwort von einem Tag zum anderen. Der Geheime Rat und die Richter von Solingen ließen nichts von sich hören. Mutz beschloß, seine Angelegenheit dem nächsten Härter- und Schleifergericht, zu dem die Solinger, Gräfrather und Walder Pfarrer von der Kanzel herab einluden, zu unterbreiten. Die gewünschte Unterstützung wurde ihm zugesagt. Weitere Wochen verflossen.

Zum zweiten Male machte sich Jacobus auf den weiten Weg nach Düsseldorf, beladen mit Eiern, frischgefangenen Forellen aus dem Nümmener Bach und vier Pfund Butter. Mit einem allerhöchsten Befehl des Geheimen Rates an Richter Vischer, in dem geschrieben stand, "daß die Herren Richter und Kellner den Ehrener Kottenplatz gemeinsam mit dem Vogt und Rat der Härter- und Schleiferbruderschaft eingehend zu besichtigen und dabei ernstlich zu erwägen hätten, ob der geplante Kotten irgendjemand schädlich oder hinderlich sein könnte", kehrte der baulustige Schleifer in die Heimat zurück. Die Ortsbesichtigung fand statt. Sie endete damit, daß Richter Vischer erklärte, er werde beide Parteien, den Herrn Probst und den Schleifer Mutz zur gemeinsamen Regelung der Kottenbausache in seine Solinger Amtsstube vorladen. Zum angesetzten Termin erschienen Mutz, der Müller Luetgen und ein redegewandter Nachbar Caspar Kraus. Es fehlte der Probst von Gräfrath. Angeblich machte er eine dringende Reise ins Weinland, um für das Gräfrather Kloster einzukaufen.

Monate gingen ins Land, da beschloß der biedere Schleifermeister, "schwarz" zu bauen. Er bestellte die notwendigen Bauhandwerker, Zimmerleute und Dachdecker. Schleiferkameraden und Gesellen halfen ebenfalls. Wieder einmal erschien der Landbote Itter mit einem richterlichen Befehl, in dem Mutz bei einer Strafandrohung von zehn Goldgulden die Fertigstellung des "Wasserwerkes" untersagt wurde. Der Bauherr störte sich nicht hieran und vollendete "armutshalber" seinen Kotten. Er stellte die höchste kurfürstliche Behörde, den Geheimen Rat, vor eine vollendete Tatsache. Dieser drückte ein Auge zu, und im Dezember 1649 begann das Wasserrad des Ehrener Kottens zu klappern.

Ein alter Schleifstein

Mehr als 150 Jahre schliffen an dieser Arbeitsstätte die Nachkommen des alten Schleifergeschlechtes Mutz. Heute ist von dem Kotten nichts mehr übrig geblieben. Als einzige Erinnerung wurde ein alter Schleifstein mit der Jahreszahl 1737 und den Buchstaben IHM, hinter denen sich der Schleifer Johann Hendrick Mutz verbirgt, geborgen. Diesen stellte man im Jahre 1934 in der kleinen Ehrener Heimatanlage auf.

Der wackere Schleifermeister Jacobus Mutz lebte vor drei Jahrhunderten. Die wahre Geschichte seines Kottenbaues mit Hindernissen ist aber recht zeitnah. Sie könnte in jüngster Vergangenheit geschrieben sein. [...]"



Ehren
 
2008
Ehren
Der vermutete Kottenstandort



Namen

1647, 1649   Jacobus Mutz
1663/64   Adolf Mutz, Jan Mutz
1683/84   Adolf Mutz
1737   Johann Hendrick Mutz


Quellen:
  • Clauberg, Solinger Tageblatt vom 08.08.1940
  • Hermanns (1925), Hebbuch 1683/84
  • Lunkenheimer (1990) S. 128
  • Rheinische Landeszeitung vom 26.05.1939
  • Rosenthal 2. Bd.
  • Solinger Tageblatt vom 18./19.01.1941
  • Westdeutsche Zeitung vom 19.07.1949

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