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Notizen zur Geschichte von Haimar, Evern und Dolgen (Sehnde)

Haimar, Evern und Dolgen, ehemals Landkreis Burgdorf, sind seit 1974 mit 12 anderen früher selbstständigen Gemeinden Teil der heutigen Stadt Sehnde, die der Region Hannover als Rechtsnachfolgerin des Landkreises Hannover angehört.

Die meisten der folgenden Angaben basieren auf dem 1963 herausgegebenen Buch "Die Heimatkirche" von Fritz Garbe, Pastor i.R.


Haimar

Die erste bekannte urkundliche Nennung des Ortes Haimar stammt vom 11. Mai 1117. Damals übersiedelten die Grafen von Haimar nach Wernigerode am Harz, behielten aber ihren Grundbesitz im Großen Freien und waren dort zeitweise die größten Grundbesitzer. 1429 ist diese Familie erloschen.

  Das Große Freie, ein Gebiet südöstlich von Hannover / nördlich von Hildesheim umfasst 14 Dörfer der heutigen Städte Lehrte und Sehnde sowie die südlich angrenzenden Bledeln, Lühnde, Ummeln und Wätzum.

Die Orte gehörten zu den seit dem 12. Jh. urkundlich belegten "Freien vor dem Nordwalde". Die Einwohner der Dörfer des Nordwaldes, der sich von Hannover bis Peine erstreckt haben soll, genossen als "Freie" besondere überlieferte Rechte wie Abgabenbefreiungen, Jagd- und Marktgerechtigkeit, das Recht zur freien Grundstücks-Veräußerung und zur eigenen Gerichtsbarkeit.

1512 fielen Dolgen, Haimar, Gilgen und 14 weitere Orte als Amtsvogtei Ilten an das Lüneburgische Haus.

Erheblich hatte die Gemeinde unter den Auswirkungen der Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523) zu leiden. Das nördlich von Haimar gelegene Gilgen ging 1519 unter. "Die schwer heimgesuchten Einwohner siedelten sich nun in Haimar an, wo die Gilgeschen von den Haimarschen Höfen unterschieden werden." [Garbe S. 22 f] Zwischen beiden Orten hatten schon zuvor Beziehungen durch gemeinsame Nutzungsrechte bestanden. - Am Ende des Krieges gehörte die Amtsvogtei Ilten, die nach Abspaltung dreier Dörfer bei Hannover nun das Große Freie genannt wurde, weiterhin zu Lüneburg.

  Hildesheimer Stiftsfehde: ein 1519 ausgebrochener Konflikt zwischen dem Hildesheimer Bischof Johann IV. von Sachsen-Lauenburg und dem Hildesheimer Stiftsadel sowie ihren Verbündeten. Der ursprünglich lokale Konflikt entwickelte sich zu einer Auseinandersetzung niedersächsischer Territorialfürsten. Hintergrund war die vom Hildesheimer Bischof angestrebte Einlösung verpfändeter Ländereien und seine zusätzlichen Steuerforderungen an den Stiftsadel. Die Stiftsfehde endete mit dem Quedlinburger Rezess von 1523; die Hildesheimer Bischöfe verloren durch kaiserlichen Schiedsspruch große Gebiete des Hochstifts an ihre Gegner. [Wikipedia]



"Die Schrecken der Verwüstung blieben lange durch die Sage von den Gilgener Jungfrauen lebendig. Man erzählte, daß die Gilgener Kirche nicht zerstört, sondern in die Tiefe versunken sei. Nun hob ein Klagen nach dem versunkenen Gotteshause an, das in der hl. Nacht im Gilgener Felde gehört wird. Zwei Jungfrauen in hellen, lichten Kleidern weinen, daß sie die hl. Nacht nicht dort begehen können, wo sie am schönsten gefeiert wird, in der Heimatkirche. Mit dem Kirchenschlüssel in der Hand irren sie an der Stelle umher, wo einst ihr Gotteshaus stand." [Garbe S. 23]


In Haimar begann die Reformation 1534.

Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hinterließ große Verwüstung. "Die Kriegsnot brach zum ersten Male im Jahre 1626 herein, als der Kaiserliche Feldherr Tilly den evangelischen König Christian IV. bei Lutter am Barenberge besiegt hatte. Das geschlagene Heer zog sich nordwärts durch Niedersachsen nach Dänemark zurück, vom Sieger verfolgt. Brand, Mord, Hunger, Flucht und Pest waren die Spuren, die beide Heere zurückließen. Im Jahre 1641 war die Not so groß, daß die Gemeinde floh." [Garbe S. 24]

Neben Kriegsereignissen machten auch andere Plagen das Leben schwer. Überliefert sind z.B. die 1714 überwundene Seuche der Pestilenz und 1776 "eine wütende Hornviehseuche". Von den einst ausgedehnten Wäldern, die dem Ort Haimar seinen Namen gaben (Heimbere, Heymbere), sind nur noch wenige Reste vorhanden.

Die Kirchengemeinde Haimar, in deren Tauf- und Heiratsregistern ich im Sommer 2000 meine Ahnen Weykopf und Bartels gefunden habe, umfasst heute die drei Orte Haimar, Dolgen und Evern.

Ursprünglich gehörte das Dorf Haimar zur Parochie Evern. 1160 wurde der Pfarrsitz von dort nach Haimar verlegt. Um 1200 entstand in Haimar der erste romanische Kirchenbau. Das Patronat über die Kirche lag anfangs bei den o.g. Grafen von Wernigerode; ab 1540 wurde es von der Familie von Rutenberg von Haus Rethmar wahrgenommen.

Der alte Kirchenbau wurde im Lauf der Jahrhunderte mehrfach umgestaltet und restauriert. Blitzeinschläge und schwere Stürme hatten das anscheinend nicht sehr widerstandsfähige Gebäude immer wieder erheblich beschädigt, Plünderungen während des Dreißigjährigen Krieges die Ausstattung dezimiert. Insbesondere in den 1660er Jahren fanden daher umfangreiche Restaurierungsarbeiten statt. Von der alten Kirche ist heute noch die Predella vorhanden, 1661 in der Werkstatt von "Meister Curd Oßenkopf in Hildenheimb verfertigt", die als kunstvoll geschnitztes Figurenensemble das heilige Abendmahl darstellt. [Garbe S. 26 ff]

Um 1668 hatte das Volk lesen gelernt. Damals ordnete die Visitation an, "in jedes Haus des gantzen Caspels ein Gesangbuch zu zeugen vnd solches mit in die Kirche zu bringen". [Garbe S. 36]


Haimar
 
2000
Haimar
Kirche St. Ulrich

Im 18. Jh. reichte die alte Kirche für die gewachsene Gemeinde nicht mehr aus, und so wurde 1784-1788 die heute vorhandene relativ große barocke Saalkirche St. Ulrich errichtet. Der dreistöckige Westturm diente früher Reisenden und Fuhrleuten in der flachen Landschaft als Orientierungspunkt. Heute ist er hinter Baumkronen beinahe ganz versteckt. - Die barocke Innenraumgestaltung der Kirche ist erhalten geblieben.

An der äußeren Nordwand des Kirchturmes befindet sich ein kleiner barocker Knabenkopf. Über ihn berichtet die Sage, er stamme von einem Einbrecher, der die Kirche heimgesucht habe, von dem Pastor entdeckt und auf der Flucht vor diesem im Turm von einem Blitz erschlagen worden sei. Dabei versteinerte sein Kopf, welcher nun über den Ort blickt.


Evern

Evern ist die eigentliche Keimzelle der Gemeinden. "Am 11. Mai 1117 übergab der 'comes de villa Heymbere', der Graf Adalbert zu Haimar, dem Pfarrer von Lühnde 24 Morgen Land und eine Hofstelle in Schutellobeke (wüst gewordene Ortschaft bei Klein Lobke) und eine Silbermark, damit die Kirche zu 'Eberen' sich von der Lühnder Mutterkirche lösen dürfe. Mit diesem Ereignis tritt Evern in die Kirchengeschichte ein."

Nicht lange nach der Gründung der Kirchengemeinde wurde die Pfarre von Evern nach Haimar verlegt. "Nach der Stiftungsurkunde von 1117 bildete zunächst nur die Ortschaft Evern die Kirchengemeinde. Bald aber kamen Haimar, Dolgen und Gilgen hinzu, so daß das Everner Kirchlein nicht ausreichte und ein Neubau ins Auge gefaßt werden mußte." Dazu wählte man den zentral gelegenen Ort Haimar aus. [Garbe S. 14]

1643 kam Evern zum Großen Freien. So blieb es auch noch während des 18. Jh.

Bis Anfang des 18. Jh. stand in Evern ein altes, schlichtes Kirchlein, in dem es bis 1699 weder Bänke noch Beichtstuhl gab. 1723 entstand ein Neubau, der 1825 einem großen Brand im Dorf zum Opfer fiel. 1852 wurde auf den alten Umfassungsmauern die heutige St. Georg-Kapelle errichtet. 'Sinte Jürgen' heißt der Heilige Georg hier auf plattdeutsch. - Heute ist das Dorf Evern als Kapellengemeinde dem Kirchspiel Haimar zugeordnet.


Dolgen

1400 wird Dolgen erstmals urkundlich genannt. Die heute vorhandene St.-Margarethen-Kapelle wird erstmals 1664 urkundlich erwähnt. Der alte Fachwerkbau mit seiner massiven Westseite ist im Wesentlichen in seiner ursprünglichen Substanz erhalten (2000). - Dolgen ist heute der kleinste der drei Orte. Es gibt noch relativ viel Landwirtschaft, und durch die Lage abseits der Bundesstraße ist der dörfliche Charakter weitgehend erhalten geblieben.


Dolgen
2000   Die drei Ähren im Wappen von Dolgen erinnern an die Urbarmachung der Dolgener Heide durch die dortigen Bauern.
 
Dolgen
2000   Dolgen. Links die St.-Margarethen-Kapelle

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Sitten und Gebräuche

Von der Wiege bis zum Grabe

Unter dieser Überschrift vermittelt Fritz Garbe interessante Einblicke in die Sitten und Gebräuche im 17. und 18. Jh. Er zitiert aus zeitgenössischen Dokumenten und Berichten:


"Schon bald nach der Geburt wurden die Kinder zur hl. Taufe getragen. Man wartete damit nur »biß in Drittentag, woferne sie nicht kranck sein«. Nach der Anordnung der Lüneburger Kirchenordnung ist die Taufe im öffentlichen Gottesdienst vollzogen worden. In der Stille wurden nur uneheliche Kinder getauft. Bis zum Jahre 1668 konnten vier Gevattern gebeten werden. Fortan wurden »wurden nicht mehr als drei zugelassen«. [...]


Auch bei Verlöbnis und Trauung hatte der Geistliche ein Wort mitzureden, wie die Visitation von 1674 zum Ausdruck brachte: »Keine verlöbnisse sollen angestelt werden ohne vorbewust des Pastorn vnd voigde«. Zunächst war festzustellen, ob die Brautleute miteinander verwandt seinen. Lange zog sich die Untersuchung hin, wenn sie fremd und unbekannt waren. »Durch glaubwürdige Attestata und Zeugen mußten sie dociren, daß siw würklich die seyen, die sie sich nennen, daß sie nicht beyde oder einer von ihnen schon in der Ehe lebe, daß sie in keinem gradu prohibitio verwandt und sonst kein impedimentum legale ihrer Copulation vorhanden sey.«

Ein sehr unangenehmes Hindernis war der Einspruch gegen die Heirat. Bis über die Angelegenheit entschieden war, wurden Aufgebot und Trauung ausgesetzt. »Eine Einsprache ist aber fundiret und legal, wenn solche von Eltern, Vormündern und dgl. Persohnen geschiehet.«

Verwitweten Leuten war geboten, die Trauerzeiten innezuhalten, die für den Witwer 6 Monate und die Witwe 1 Jahr betrug. [...]


Die Trauung fand in der Regel in der Heimatkirche der Braut statt. »Wenn sie nach einem andern Ort freyet und an demselben sich will copuliren lassen, so muß sie den Pastori loci die Copulationsgebühr eben so wol entrichten, als wenn sie da würcklich wäre copulilrt worden.« Das Aufgebot aber erfolgte auch an ihrem Heimatorte. [...]

Die Hochzeiten am Sonntag wurden still gefeiert, um die Sonntagsruhe durch Lärm nicht zu stören. Doch nicht immer dachte die fröhliche Hochzeitsgesellschaft an dieses Gebot. Daher ordnete die Visitation von 1678 an: »Keine copulation soll inkünfftig des sonntages geschehen.« Auch der Sonnabend war kein Hochzeitstag.


Im Gegensatz zu den fröhlichen Hochzeiten liebten unsere Väter die Stille bei den Begräbnissen. In der Regel wurden die Toten in der Frühe des Freitags und Sonntags beigesetzt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts schwanden die stillen Beerdigungen. Bei der Einführung des Pastors Nebershausen 1696 wünschte die Gemeinde, »daß man Leichen Predigten sollt thun. Und daß der Lebenslauf, welcher nur bloß alleine anstadt der Leichen Predigt abgelesen worden von der Cantzel, nicht solte vom Schulmeister, sondern von dem Pastore selbst aufgesetzet werden«.

Als Rest des stillen Begräbnisses mag die Sitte angesehen werden, nach der »ungetauft verstorbene Kinder immer und Kinder unter einem halben Jahre meistens still beerdigt« wurden. Bis in die neuere Zeit hat sie sich gehalten. [Garbe S. 37-41]


"Auf dem Kirchhofe herrschten nicht immer geordnete Zustände. Im Jahre 1773 wurde geklagt, daß »verschiedentlich cadaver, welche noch nicht verweset gewesen, wieder aufgerodet, zumal kein ordentlicher Kulen Gräber gehalten, und hier und dar die Todten eingegraben würden.« Erst 1833 wurde »in jedem Dorfe des Kirchspiels ein Todtengräber angestellt.«" [Garbe S. 78]



Frevel, Unfug, Kirchenzucht

Nach der Lüneburger Kirchenordnung wurden "Unbußfertige und halsstarrige Sünder und diejenigen, welche die Kirche geärgert haben", in Zucht genommen. Anlässe gab es reichlich, Unfug wurde auch früher schon getrieben.


"War der Sünder zur Buße bereit, bat er durch den Mund des Geistlichen um Verzeihung. Blieb er halsstarrig, erfolgte der Bann [...]. Der Bann wurde selten verhängt. Die Androhung machte den Sünder zur Buße bereit. Aus der Fülle von Kirchenzuchtsfällen werden einige herausgegriffen: [...]

»Hans bartels von Dolgen ward auch citiert, aber der wahr entwichen und thät nicht parieren.« Doch die Flucht rettete nicht vor der Kirchenzucht, denn »ohne genugsames Zeugnis wird niemand in die andere Gemeinde aufgenommen.« [...]

Alkoholmissbrauch [war] durch die Kriegsnöte zu einem schlimmen Laster geworden, so daß manche »durch das tägliche Sauffen ihre Habseligkeiten herdurch bringen undt durch die Gurgell jagen, daß an denen Hoch Heyligen Fest- Feyer- undt Sonntagen fast kein mensche zur Kirchen kombt, der nicht vorhero ein guht Theill Brandtwein oder ein Kruch Bier zu sich genommen.« Scharfe Verordnungen stellten das Ärgernis ab. [...]

Feste waren immer Anlaß zu Unfug. Nach dem 30jährigen Kriege wurde geklagt, daß »die Everschen Jungens am h. Pfingsttage gelt samlen vnd versauffen«. Für das »Schützengelag in den pfingsten samlen die Jungens vnd mädchens Ejer vnd gelt.«

Obwohl der Amtsvogt die Aufsicht über das Fest hatte, konnte den Auswüchsen nicht gewehrt werden, so daß 1743 gedroht wurde, das 'Schützengelag' aufzuheben. »Im vorigen Jahre war genug Schande dabey getrieben, daß sie, da ihnen das Bier unter der Predigt verschloszen, die Kammer mit Gewalt eröfnet und den Sonntag schändlich mit Sauffen entheiligt.« Ferner bestand »an dem Heiligen Pfingsttage eine schlimme gewohnheit, den vieh Krentze aufzusetzen vnd dabey allerhandt poszen vnd Laster zu treiben.« Dieser Mißbrauch wurde verboten unter Androhung von »gefengnisz 3 tage mit Waszer vnd Brodt«.

Auch Familienfeste wurden durch Unfug gestört. »Bey Hochzeiten wird nicht allein das längst verbothene Schießen der Hochzeitsbitter unternommen, sondern auch junge vermummte, im Gesicht angeschwärzte Leute finden sich ungebethen an und lassen sich bewirthen, tanzen, und wenn ihrer Meinung nach ihnen nichts gutes genug geschieht, richten sie allerhand Unfug an.«

Dieser nahm in Todesfällen oft rohe Formen an. »Wenn eine unvereheligte Person verstorben, finden sich unter dem Vorwand der sogenannten Todtenwache und zu Verfertigung eines Cranzes für den Verstorbenen junge Mannes- und Frauenpersonen zur Nachtzeit bey der Leiche ein, belustigen sich mit Wein, Brandtwein- und Biertrinken, auch mit sündlichen Narrentheidungen, singen schändliche Lieder ab...«



So vermochte die Kirchenzucht nicht allen Unsitten zu wehren, am wenigsten aber dem im geheimen schleichenden Aberglauben". [Garbe S. 41-45]


  Sitten und Gebräuche im Bergischen Land

  Im übrigen fällt auf, dass durch die Jahrhunderte immer wieder und außergewöhnlich oft von baufälligen, ganz und gar verfallenen, eingestürzten und einsinkenden Gebäuden die Rede ist, wo "kein Mensch ohne Leib- und Lebensgefahr aus- und eingehen" konnte, selbst wenn sie noch nicht alt waren. Das klingt nicht nach solider Zimmer- oder Maurerarbeit. Wie wurde bis ins 19. Jh. in Haimar gebaut, und wer führte die Bauarbeiten aus?




Die Meierhöfe

Den Grundbesitz der Kirche, das Meiergut, verwaltete die sog Gutsherrschaft, bestehend aus Pastor und Juraten [= Geschworene]. Die vermeierten Ländereien waren an Bauern "ausgetan", die nicht allein im Bereich der Kirchengemeinde ansässig waren, sondern auch in ferner gelegenen Ortschaften. Die Rechte und Pflichten der Meier waren im Meierbrief festgelegt. Als Gegenleistung für das Nutzungsrecht musste der Meier z.B. nach einem Vertrag von 1786 "jährlich unserer Kirche zu Michaelis hieher nach Haimar, wie von alters her gewesen ist, an guten und unbetrüglichen Korn bringen und geben soll vier Malter Roggen und vier Malter Haver."

Misswirtschaft konnte zur Abmeierung führen. Der Meier musste dann einem anderen, vom Gutsherrn bestimmten Meier weichen. - Der Gutsherr hatte auch in persönlichen Angelegenheiten des Meiers mitzureden, "vor allem bei Ehestiftung und Ausheirat, um eine Schmälerung des Meiergutes zu verhüten. Starb die Familie des Meiers aus, so fiel nach dem Heimfallrecht das Meiergut an den Gutsherrn zurück, der darüber nach seinem Gutdünken verfügte."

Das seit der Karolingerzeit (9. Jh.) bestehende Lehns- und Meierwesen endete mit der 1835 einsetzenden Ablösung. "Der Meier entrichtete den 25fachen Betrag der in Geld umgerechneten Jahreslieferung und war nun Eigentümer des einstigen Eigentums der Kirche. Die Ablösungskapitalien fielen der Inflation zum Opfer" [Garbe S. 47 ff]

Auf einem der aufgeführten Meierhöfe finde ich den Namen Weikop:

"5. Der Hof in Clauen. Im 30jährigen Kriege waren dort trostlose Verhältnisse »durch die unterschiedliche belägerungen vnd Einnehmungen der Stadt Hildesheimb«. Daher schuldet »der damahlige mejer tile weikop der Kirche anno 1650 hundert vnd vier malter Korn. Unser Kirchen hat in einem Vergleich 80 Gülden dafür zuerkand«. Auf die Familie Weikop folgte 1689 die Familie Hanne."
[Garbe S. 52]




Die Pfarrpfründe

Ihren Lebensunterhalt bezogen die Geistlichen aus den Pfarrpfründen, dem Vermögen der Pfarre. Ein Gehalt erhielten sie nicht. "Die Pfarre in Haimar erfreute sich eines außergewöhnlich reichen Gutes [...]. Entfernungen und Umfang der Liegenschaften hinderten die Selbstbewirtschaftung. Daher war das Grundvermögen bis auf einen geringen Rest nach Meierrecht ausgetan. Der Zins gehörte den Geistlichen persönlich." Neben den Abgaben bestanden die Verpflichtungen der Meier in Arbeitsleistungen.

Die Pfründenwirtschaft bestand bis in die 1890er Jahre. Das Meiergut fiel im 19. Jh. unter die Ablösung.

Auch bei mehreren Pfarrmeierhöfen sind die Namen Weikopf und Barthels vertreten. Demnach sind beide Familien spätestens um 1600 in Haimar, Evern und Dolgen ansässig gewesen:


"5. Der Hof Wilke in Evern. Im mittelalterlichen Güterverzeichnis erscheint
    als Meier Henni Keip, um 1600 'Hans Weikops der Jünger',
    nach dem 30jährigen Kriege Oelven, 1785 Wundram. Dann kam die Familie
    Wilke. Der Hof »hat vierzehendte halben morgen landes. Gibt vom
    iglichen morgen zu Zinse 2 himten des Korns als geseet ist. Item Zins
    8 Körtlinge."

11. Die Kothöfe in Haimar. Außer den Meierhöfen gab es Höfe, zu denen
    nur wenig Pfarrland gehörte. Der Zins betrug einige Schillinge und zum
    Teil auch Naturalien. Im folgenden werden die Pfarrkötner genannt:

    c) Im Mittelalter: Hinrich Beneken, 1608-1785 Weikop, danach Bartels.
    d) [...] 1669: Schmidt, Bartels, Vogdes [...]

12. Die Kothöfe in Dolgen.
    a) Im Mittelalter: Weikop. 1608 sind außer Weikop Rickmann und Rosen
       genannt, [...]
    b) [...] 1669 waren es Henni Meyer, Bartels und Honigbaum."

[Garbe S.54-58 und 64 f]

Himten = Getreidemaß, dessen Inhalt nach dem spezifischen Gewicht zwischen 40 und 50 Pfund schwankt.
Malter = 6 Himten.
Körtlinge (Göttinger K.) = kleine Münzen im Wert von 8 Pfennigen

Haimar
 
2000
Landschaft
bei Haimar

Bei Fritz Garbe sind die Namen Weykopf und Bartels an weiteren Stellen erwähnt:


1592 ist u.a. Hinricus Bartels als Küster in Haimar genannt. [S. 67]

[Die Orgel der alten Haimarer Kirche] "[...] war ein Geschenk, von dem Pastor Bauer (1712-1725) folgendes erzählt: »H. Wilhelm Johann Friedrich Bartehls, bestalter Organist in der Guarnison Kirche zu Hameln an der Weser, welcher zu Dolgen gebohren, hat eine kleine Orgel unserer Kirche verehret und geschenckt.«" [S.29]
1816 ist ein Krüger Weykopf (später Bauer Haarstrich in Haimar) genannt, der 50 Taler zahlte für die Genehmigung, »zwei Grabstellen mit eisernen Gittern zu umgeben«. [S.69]

Bei diesen Grabstellen handelte sich um das Weykopfsche Erbbegräbnis. Die der Nachwelt hinterlassenen ausführlichen Texte auf den Grabsteinen sind bemerkenswert:

"Auf dem Grabstein der Ehefrau findet sich folgende Inschrift:

»Ruhig erwartet hier den Tag der frohen Auferstehung die Asche der Ilse Marie gebohrene Eckels verehelichte Weykopf. Sie ist gebohren zu Haimar den 27. Januar 1759 und vollendet für die beßere Welt am 6. Februar 1816. - Wir gingen hier schon Hand in Hand dem hohen Ziel entgegen; drum wird im rechten Vaterland Vereinigung uns Seegen. Dann werd ich aus der Todes Nacht am heitern Morgen froh erwacht im Kreis der Meinen fröhlich stehn unsterblich nun gleich mir sie sehn. Der Trennung Furcht ist dann vorbey und unsere Liebe ewig neu. - So schlummre sanft, der Holden theure Hülle. Sie selber lebt, und ihre Liebe lebt. Wir weinen noch, es war des Vaters Wille. Ein Engel ist sie, dieser Welt entschwebt.«

Auf dem Grabstein des Ehemannes steht:

»Verkläret werden wir erstehen. 0 Wiedersehn, o Wiedersehn! Wie trostvoll bei dem Scheiden! Seyd froh, ihr Lieben, denn gewiß werden wir uns dort finden in Gottes Stadt im Paradies, wo alle Thränen schwinden. Wie wird uns seyn, wenn wir uns sehn, wenn wir uns froh entgegen gehn, und ewig Heil uns leuchten.«

Der dritte Grabstein ist einem Sohn gesetzt, der im 8. Lebensjahre starb. An den frühen Tod erinnert folgende Inschrift: »Ganz in tiefen Schmerz verlohren seht ihr Eltern oft mein Grab. Hoffnungsvoll ward ich gebohren, fiel als Blume früh schon ab ...«

Das letzte Grabmal des Erbbegräbnisses ist einem erwachsenen Sohn errichtet, der durch einen Unglücksfall 1810 um das Leben kam. Von seinem traurigen Ende zeugen die Inschriften: »Sehr viele Jahre dacht ich noch in Freuden hier zu leben; mich drückte kein zu schweres Joch. Ich könnt in Freuden schweben, doch ach, wie schnell war ich am Ziel.« Daran schließt sich die Mahnung: »Du! Der du bey meinem Grabmal verweilest und denkest noch lange zu leben, bedenke: ein plötzlicher Fall zersprengt mir den Schädel. Ich, der am Morgen zu Geschäften erwachte, dachte nicht, daß mich noch vor Abend der Tod anlachte.«" [Garbe S. 78 f]

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Ahnen in Haimar


Im Todes- und Begräbnisbuch der Parochie St. Stefanie in Goslar des Jahrgangs 1859 fand ich den Sterbeeintrag von Johann Behrend Weykopf, Vater meiner Urgroßmutter Wilhelmine Weykopf, früher Fourier, gestorben im Alter von 57 Jahren 8 Monaten 4 Tagen an der Schwindsucht "vor dem breiten Thore vor Goslar", geboren in Haimar den 20. Mai 1801. Beim Ortstermin im August 2000 fand ich in den Haimarer Kirchenbüchern im Gemeindeamt von Rethmar tatsächlich Johann Behrend Weykopf und zwei Generationen seiner Vorfahren. Noch frühere Spuren verweisen außerdem ins benachbarte Evern und Dolgen.


  • V.30 Johann Behrend Weykopf, * 1801 in Haimar als Sohn von VI.60 Hans Heinrich Weykopf (Weykop) und VI.61 Catharine Juliane Bartels, 1834 Heirat mit V.31 Sophie Maria Dorothea Charlotte Blume (in Hannover?), † 1859 in Goslar.

  • Seine Geschwister: Heinrich Conrad Weykopf, * 1792; Heinrich Friedrich Wilhelm, * 1794; Balthasar Heinrich Christian, * 1789; Sophie Dorothee, * 1803; Heinrich Conrad Christop, * 1806; alle geboren in Haimar.

  • Weykop, Vater von Johann Behrend, 1770 geboren in Evern und getauft in Haimar, 1792 Heirat mit VI.61 Catharina Juliane Bartels in Haimar, † nach 1805 in Haimar.

  • Anne Catharine Bartels, * 1772 in Haimar, Ehefrau von (VI.60 ?) Hans Heinrich Weykop, Tochter von Ernst Balthasar Bartels und Catharina Marie Behrens.

  • Anne Catharine Juliane Bartels, * 1778 in Haimar, Ehefrau von (VI.60 ?) Hans Heinrich Weykop, Tochter von Barthold Conrad Bartels und Ilse Margareth Roggen (Rogg) aus Evern.

  • VII.120 Hans Hinrich Weykop, Vater von VI.60, 1757 Heirat mit VII.121 Dorothea Elisabeth Holekamp in Haimar.


Quellen:
  • Garbe, Fritz: Die Heimatkirche. Aus der Geschichte der Kirchengemeinde Haimar (1963/1964)
  • Remmer, Hugo: 300 Jahre Silbervogel von Dolgen 1652/1952 (1952)
  • Webseite: "http://www.evlka.de/extern/burgdorf/rethmar/" am 23.11.2002
    (Karl-Martin Voget)
  • Webseite: "http://www.sehnde.de/" am 31.12.2006
  • Webseite: "http://de.wikipedia.org/wiki/Hildesheimer_Stiftsfehde" am 03.01.2007


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