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Schaum auf der Itter (2005 / 2006)

2005 schon wies die Itter gelegentlich undefinierbare Verfärbungen auf, schlammig-undurchschaubares Wasser, Schaumflecken und unnatürlich schillernde Schlieren. Im März 2006 wurden die Verunreinigungen so gravierend, dass die Naturschützer auf den Plan traten und die Tagespresse mehrfach berichtete. Einige Auszüge:


Solinger Tageblatt vom 5. Juli 2005
Schlamm: Itter stinkt wie die Pest
Freizeitpark und Schwimmbad laufen die Besucher weg, weil im schmutzig-braunen Bach der Schlamm fault. Probleme im Klärwerk Gräfrath.

(flm) »Das stank wie die Pest«, klagt Werner Simons. Er sitzt an der Kasse des Freizeitparks Ittertal und musste am Wochenende erleben, dass die Kunden in Scharen das Gelände verließen - oder gar nicht erst eine Karte kauften, wenn sie in Riechweite kamen. [...]

»Fließt wenig Wasser, dann fängt der Schlamm an zu faulen«, erklärt Hans-Bernd Schumacher, der Geschäftsführer des BRW (Bergisch-Rheinischer Wasserverband). Dass der Schlamm überhaupt in die Itter gelangt, macht dem BRW Sorgen. Denn eigentlich müsste er sich im Klärwerk Gräfrath absetzen. In dem Klärwerk, das zuletzt wegen des Schaums auf der Itter im Gerede war (das ST berichtete), gibt es Probleme mit organischen Verschmutzungen und der 'Biologie'. Schumacher: »Seit mehreren Wochen versuchen wir, das zu verbessern. Was die Probleme ausgelöst hat, kann ich immer noch nicht sagen.«

Vor rund zwei Wochen legten BRW-Mitarbeiter vier Staustufen zwischen dem Klärwerk und dem Freizeitpark an: Strohballen sollten den Schlamm auffangen, der aus den Klärbecken ablief, statt sich abzusetzen. Das funktionierte solange, bis der furchtbare Gestank einsetzte. Gestern Nachmittag wurde der Schlamm abgesaugt, die Staustufen wurden wieder entfernt. Im Klärwerk selbst, das zurzeit ausgebaut wird (Schumacher: »Die Probleme haben mit dem Neubau nichts zu tun«), sollen jetzt Polymerzusätze helfen, den Schlamm zu binden. [...]


Solinger Tageblatt vom 3. März 2006
Anzeige wegen Itter-Dreck
Ständiger Ärger mit Klärwerk Gräfrath ruft Kriminalpolizei auf den Plan

(ank) Die Umweltkripo des Kreises Mettmann hat wegen der Verschmutzung der Itter durch Klärschlamm aus der Kläranlage Gräfrath ein Strafverfahren eingeleitet. Dies bestätigte jetzt die Kreispolizei.

Seit Monaten hat der Bergisch-Rheinische Wasserverband (BRW) Probleme mit seinem Klärwerk in Gräfrath (das ST berichtete). Durch Klärschlamm wird die Itter bis in den Bereich Haan zu einer stinkenden Brühe. Den Grund für die immer wieder auftretenden Probleme mit dem Klärschlamm konnte der BRW bis heute nicht finden, wie die Geschäftsleitung mehrfach bestätigte.

Die Umweltkripo reagiert nun auf die Anfrage eines Naturschützers aus Haan. Das Verfahren wurde von Mettmann nach Wuppertal weitergegeben, da dort die zuständige Polizeibehörde sitzt. Nach Auskunft aus Wuppertal hat es vorher noch keine Anzeige wegen der Itter-Verschmutzung gegeben.


Solinger Tageblatt vom 10. März 2006
Umweltamt: Schaden in der Itter bestätigt

(lm) Das Staatliche Umweltamt Düsseldorf (STUA) hat das Sterben von 'Kleinstlebewesen' wie Bachflohkrebsen in der Itter nachgewiesen. Das bestätigte gestern Amtsleiterin Ulla Necker auf ST-Anfrage. Gewässerproben waren im April und Juni 2005 sowie im Februar 2006 entnommen worden. Demnach sei 'eine kontinuierliche Schädigung der Fauna' nachweisbar. Bachflohkrebse sind Nahrungsgrundlage vieler Vögel. »Das ist kein ordnungsgemäßer Zustand.« Die zulässigen Grenzwerte, was die Verschmutzung angeht, werden jedoch nicht überschritten. [...]


  "Flohkrebse (Amphípoda). In Bächen und Flüssen begegnet man häufig 1 bis 2 cm langen Krebstieren, die sich im freien Wasser schwimmend, auf dem Untergrund aber hüpfend fortbewegen und daher Flohkrebse (Gámmarus) genannt werden." [Schmeil S. 291 f]
Ihr Vorhandensein kann als Indikator für die Wasserqualität herangezogen werden. Bach-Flohkrebse sind auch für Fische eine wichtige Nahrungsquelle.



 
Bach-Flohkrebs (G. pulex).
Abb. bei Schmeil

Am 21. März 2006 berichtete das Solinger Tageblatt erneut, dass sich der Bach seit einem Jahr immer wieder in eine schmutzige Brühe verwandele und in den vergangenen Monaten auch vermehrt wieder Schaumflecken auftreten. "Gestern war es anders. »Der Schaum war so dick, da konnte man beinahe drüber laufen«." Außerdem liege ein übler Geruch in der Luft.


Solinger Tageblatt vom 21. März 2006
Schaumteppich bedeckt die Itter
Anwohner sind beim Anblick der Itter entsetzt.
Ursachen der Verschmutzung bleiben ungeklärt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Der Anblick am Märchenwald war gestern alles andere als märchenhaft: Ein weißer Schaumteppich bedeckte die Itter. Udo Schmelter, Inhaber des Familienparadieses Ittertal, ist entsetzt: »Der Bach ist nur noch weiß, dickschaumig, fies.« [...]

Seit fast einem Jahr wird die Itter verunreinigt - aufgrund von Problemen im Klärwerk Gräfrath, so der Betreiber, der BRW. Der Klärschlamm setze sich nicht vollständig ab und gelange in den Bach. Nach Aussage des BRW ist der Schlamm nicht schädlich. Die Probleme seien spätestens im Mai behoben, sobald die aufwändigen Umbauarbeiten des Klärwerks abgeschlossen sind.

Die Ursachen des Problems seien unklar, erklärte Ulla Necker, Amtsleiterin des Staatlichen Umweltamtes (StuA) in Düsseldorf, zuständig für die Überwachung der Itter. Gestern sei ein Mitarbeiter vor Ort gewesen. Gewässerproben waren im Januar und Februar entnommen worden. Die hatten das Sterben von 'Kleinstlebewesen' nachgewiesen. Eine 'kontinuierliche Schädigung' war somit offensichtlich, so die Amtsleiterin. Eine 'Abwasserabgabe' als Strafe musste der BRW nicht zahlen. Denn die Messwerte in Sachen Verschmutzung waren zum Zeitpunkt der Probe eingehalten worden. Weder 'toxische Wirkungen', noch ein Fischsterben seien zu beobachten. »Die Itter hatte immer wenig Fische.«   Für das Sterben von Kleinstlebewesen gebe es keine gesetzliche Regelung. Trotzdem sei der Zustand »nicht vergleichbar mit anderen Kläranlagen«. [...]

[Lilian Muscutt]


  Nach August Lomberg war die Itter einmal eines der fischreichsten Gewässer weit und breit. In ihr tummelten sich Forellen, Hechte, Weißfische, Aale und Krebse. Und nicht nur die:

Auch in dem schon erwähnten "Führer durch Ohligs" ist von der reichhaltigen Unterwasserwelt die Rede, die offenbar trotz der Wasserverschmutzungen um 1928 stellenweise vorhanden war und deren Geschöpfe teils eigentümliche Namen trugen:

"Da sind Stichlinge, Schlammpeitzger, Weißfische, Karpfen, Schleien, Hechte, Aale, Goldfische, außer diesen Tieren leben in dem feuchten Element Flohkrebse, Wasserspinnen, Rückenschwimmer, Taumelkäfer, Schlittschuhläufer, Wasserskorpion, Gelbrand, Larven der genannten Insekten, die der Köcherfliegen und der Libellen. Auf dem Grunde bewegen sich phlegmatisch der Blutegel, Molch, die Teichmuschel, der Krebs, an den Wasserpflanzen frißt die Wasserschnecke, am Ufer sonnt sich der grüne Frosch." [Stadtverwaltung Ohligs S. 46]

Wie es scheint, hat die schaumige Geschichte im September 2006 ihr Ende gefunden bzw. ist im Sande verlaufen. Auch Kleinstlebewesen sollten also zusehen, dass sie innerhalb der gesetzlichen Verschmutzungs-Richtwerte am Leben bleiben. Sonst haben sie und alle, deren Nahrungsgrundlage sie sind, Pech gehabt.


Solinger Tageblatt vom 26. September 2006
Itter-Schaum: Ermittlungen eingestellt

(lm) Die Ermittlungen zur Itter-Verschmutzung sind nach sechs Monaten eingestellt worden. "Die Ursachen konnten nicht gefunden werden", erklärte der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Alfons Grevener gestern auf ST-Anfrage. Zwischen Sommer 2005 und Frühling dieses Jahres hatte sich die Itter mehrfach in eine übel riechende, schäumende Brühe verwandelt.

Ein Naturschützer aus Mettmann hatte deshalb Ende Februar Anzeige gegen den Bergisch-Rheinischen Wasserverband erstattet. Denn dieser ist Betreiber des Klärwerks Gräfrath, das genau in der Phase ausgebaut wurde, als die Verunreinigungen auftraten. Dabei setzte sich Klärschlamm nicht vollständig in den Becken ab und gelangte in die Itter. Das Staatliche Umweltamt in Düsseldorf (STUA) wies ein Sterben von Kleinstlebewesen nach, deren Lebensraum 'verklebt' wurde.

"Der Schlamm entzog auch Fischen ihre Grundlage", erläutert Dieter Donner vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Statt einmal im Monat habe das STUA während der Ermittlungen wöchentlich Proben entnommen, berichtet Amtsleiterin Dr. Ulla Necker. Gesetzliche Richtwerte zur Verschmutzung seien jedoch nicht überschritten worden. Eine Ordnungswidrigkeit sei daher nicht nachzuweisen. Ob illegale Einleitungen Ursache waren, könne nicht mehr festgestellt werden. Das STUA nehme jedoch weiterhin Proben. Der Verursacher, ärgert sich Dieter Donner, werde nicht zur Rechenschaft gezogen.



 
Juni 2006
Nur ein kleines bisschen
zarter Schaum

"Die Itter erholt sich langsam" berichtete am 20.Juli 2007 das Solinger Tageblatt: Regierungspräsident Jürgen Büssow begutachtete den Zustand des Bachs an der Gräfrather Kläranlage.

"Neben der schäumenden Itter sorgte das massive Sterben von Kleinstlebewesen, die für das biologische Gleichgewicht im Bach sorgen müssten, für Aufruhr. »Das war viel gravierender als die Schaumbildung«, sagte gestern Hans-Bernd Schumacher, Geschäftsführer des BRW (Bergisch-Rheinischer Wasserverband) [...]. Für den Reinigungsprozess wichtige Mikroorganismen setzten sich nicht am Boden des Klärbeckens ab. Statt dessen schwammen viele kleine Bakterien in die Itter. »Der Itter wurde Sauerstoff entzogen«, sagt Jochen Lacombe, bei der Bezirksregierung zuständig für biologische Gewässeruntersuchungen. Die Folge: Klärschlamm setzte sich in der Itter ab. [...] Nachdem 2006 ein komplettes Becken ausgetauscht wurde, habe sich die Itter wieder teilweise erholt, sagt Schumacher. Wann der alte Zustand wieder erreicht werde, könne nicht vorausgesagt werden. [...]"



Quellen:
  • Lomberg (1928)
  • Schmeil, O.: Leitfaden der Tierkunde. Heidelberg / Offenburg 1949
  • Solinger Tageblatt v. 05.07.2005, v. 03./08./10./21./24.03.2006, v. 26./27.09.2006, v. 20.07.2007

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