Pferde-Alltag in alter Zeit
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Inhaltsübersicht Post- und Postreiseverkehr Über das Reisen mit Postkutsche und Postpferd


Reisen mit der Postkutsche
Über die Schnelligkeit der Post
Unfälle und Überfälle
Postkutschenromantik
Postieren - Reisen per Postpferd
Ein Koeniglich Preußischer Postwagen von 1850 (Langenfeld / Rheinland)



Reisen mit der Postkutsche

Das Reisen mit der Postkutsche muss eine Tortur gewesen sein und setzte, wie ein Reisender schrieb, vor allem "gute Leibeskonstitution und christliche Geduld" voraus. Die meisten Straßen waren schlecht oder gar nicht gepflastert; die eng beieinander sitzenden Passagiere wurden in den ungefederten Kutschen bei jedem Schlagloch durcheinandergerüttelt. Außerdem waren sie den als grob und impertinent beschriebenen Postillionen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. In alten Reiseberichten wird an ihnen selten ein gutes Haar gelassen.


Spitzweg: Die Post  
Um 1880
"Die Post"
Detail aus dem Ölgemälde
von Carl Spitzweg
(1808-1885)

Über die Zustände im 18. Jh. schreibt August Ludwig Schlözer:

"Es läßt sich wirklich für einen Reisenden nichts Gefahrvolleres denken, als ein schwerbepackter, engspuriger, kurzer, mit einem elenden Verdeck versehener Postwagen, welcher durch die schlechten Wege von den gröbsten Postknechten bei stockfinsterer Nacht fortgebracht wird, und der auf so mancher Tour teils mit, teils ohne Verschulden des Postillions umgeworfen wird. Aber nicht allein bei Nacht, auch bei Tage fällt dieses elende Fahrwerk oft um." [zit. bei Glaser S. 293]

"Sollen die Pferde gewechselt werden, und hat auch der ankommende Postillon aus Leibeskräften geblasen: stille und einsam liegen lange Zeit die Stallgebäude; endlich glänzt ein trübes Licht in die Nacht hinaus, die Thore öffnen sich schläfrig, es wird ebenso schläfrig eingespannt, mit großer Umständlichkeit die Zugstränge probirt, der Postillon zieht langsam seine Uniform an, wirft einzeln auf den Wagen hinauf die Peitsche, seinen Mantel, einen großen Sack mit Hafer zum Abfüttern, einen Sattel zum Nachhausereiten, und endlich klettert er selbst nach." [Hackländer zit. bei Lang S. 99 f]

"Eine Einrichtung, die als charakteristisches Merkmal der Post angesprochen werden kann, waren die Relaisstationen, denen die Taxische Post ihre Schnelligkeit verdankte. Die Entfernung zwischen den einzelnen Stationen betrug 2 Meilen, wobei man die Meilen nicht geographisch nehmen darf, sondern als eine Entfernung annehmen muss, die von der Post in 2 Stunden zurückgelegt werden konnte, was von der Beschaffenheit des Geländes abhängig war.

Das Reisen mit unterlegten [?] Pferden nahm die Taxissche Post als ein Recht in Anspruch, das ihr allein zustand und den reitenden Boten verboten war, wie es auch die kaiserlichen Postpatente besagten. Zu ihrer Rechtfertigung machten die Kölner Ratsherren einen Unterschied im postweisen und botenweisen Abwechseln der Pferde, wobei sie unter dem letzteren Ausdruck einen Pferdewechsel verstanden, der im Gegensatz zur Post nur alle 10-12 Stunden stattfand." [Frielingsdorf S. 98]


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Über die Schnelligkeit der Post

Über die "Schnelligkeit der Taxisschen Post" gab es häufig Grund zur Klage, obwohl die Passagiere in der damaligen Zeit ohnehin nicht gerade verwöhnt waren. Johanna Schopenhauer jammerte einmal über die "renitenten Postillione, die neben den Pferden gehen, den gleichen langsamen Schritt." [Lang S. 64] "'Die ordinäre Postkutsche', heißt es in einem Bericht über das deutsche Verkehrswesen, 'bewegt sich mit unbeschreiblicher Langsamkeit vorwärts, stundenlang muß man auf jeder Station harren, und mir selbst ist es begegnet, daß ich mit solcher Gelegenheit in vierundzwanzig Stunden kaum acht Meilen zurücklegte." [Lang S. 93]

Nach anderer Quelle soll eine Postkutsche von Kassel nach Frankfurt etwa 24 Stunden unterwegs gewesen sein, von Berlin nach Königsberg 72 Stunden und von Wuppertal nach Königsberg 14 Tage. [Chronik S. 512] Leider fehlen Angaben über das dazugehörige Jahr und ob dies der Fahrplan oder die Praxis gewesen ist.

In den 1820er Jahren "war dann ganz Deutschland mit einem dichten Netz von 'Kunststraßen' überzogen, auf denen die Eilposten der deutschen Postverwaltungen mit einer Geschwindigkeit von 8-9 km in der Stunde durch die Lande 'rasten'". [Korzendorfer S. 45] Um 1830 waren die Eilwagen (in Preußen Schnellpost genannt) überall in Deutschland eingeführt.

Die folgende Abbildung eines im Schlamm watenden Gespanns ist eine Karikatur auf die Einführung der Schnellposten: "Weissagungen einiger Unbefangener beim Erscheinen der Krähwinkler Schnellpost". Idee und Wirklichkeit deutscher Verkehrs- und Verwaltungszustände klafften wohl etwas auseinander.


 
Um 1820
Lithografie

Bis zur Einführung der Eisenbahn haben sich die Reisebedingungen nicht wesentlich verbessert. Etwa ab Mitte des 19. Jh., als sich die neue Konkurrenz auf Schienen bemerkbar machte, sollen die Postkutschen aber doch etwas pünktlicher und bequemer geworden sein.

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Unfälle und Überfälle

"Für die mancherlei Widrigkeiten, mit denen der Fernwehkranke der Kutschenzeit unterwegs rechnen mußte, sorgten nicht nur meteorologische und klimatische Zufälle, sondern mehr noch menschliches Versagen und verbrecherische Absichten: Unfälle und Überfälle waren häufig."

Bei zahlreichen Unfällen spielte die Trunkenheit auf dem Bock eine ähnliche Rolle wie heute die Trunkenheit am Steuer. "Viele der häufigen Unfälle [...] waren aber auch Folgen der unzulänglichen Wagenkonstruktionen und des schlechten Straßenzustandes: Räder sprangen ab, Achsen und Deichseln brachen, die Wagen stürzten um, was beinahe zur Tagesordnung gehörte, oder versanken im Morast." [Lang S. 79 f]

Da half es auch nicht, dass 1772 die preußische Postverwaltung nichts weiter unternahm, als den Postillionen für jeden Umwurf als Strafe 50 Stockprügel anzudrohen. [Korzendorfer S. 38] Die Poststraßen sind dadurch jedenfalls nicht besser geworden.

Im Dezember 1821 schildert Karl Immermann in einem Brief seine Fahrt von Magdeburg nach Münster:

"Bis Hildesheim ging's auf ganz abscheulichen Wegen schneckengleich. Vor Hildesheim in der Nacht verfuhren wir uns gänzlich, kamen auf morastige Wiesen, an aufgeworfenen Gräben, mußten aussteigen, u. durch Koth waten, u. waren darauf kaum wieder eingestiegen, als die ganze Postkutsche an einem kleinen Hügel umschlug. Heiliger Gott welche Finsterniß, was für ein Chaos von Beinen, Armen, Gesichtern! Ich kam bei dieser Gelegenheit recht eigentlich unter Menschen, denn über mir lag ein dicker Portd'epeefähnrich, von etlichen Zentnern. [...] Nachdem jeder seine Gliedmaßen wieder zusammengerafft hatte [...] so krochen wir aus dem Bauch des Unthiers durch das Guckfenster, einer nach dem Anderen, wie Schornsteinfeger aus dem Rauchfange. [...] Pechschwarze Nacht, unendliches Regengewässer u. Schmutz am Boden." [zit. bei Glaser S. 294]

Von einem heftigen Unwetter im Bergischen Land am 13. August 1832 wird berichtet, dass "auf dem Wege von Lennep nach Hückeswagen ... der Postwagen mit Pferd und Menschen durch den Wind aufgehoben, und 10 Fuß weit in ein Cartoffeln Feld geworfen" wurde. [Strack S. 184]



 
2. Hälfte 19. Jh.
Stahlstich
nach einem Gemälde


An besonders schlechten Wegstellen lag nicht selten "räuberisches Gesindel" im Hinterhalt, um die Post zu berauben. "Infolge der vielen Kriege machte sich das Straßenräuberunwesen recht breit und wagte sich bisweilen bis dicht an die Städte heran. Manchmal wurde es so schlimm, dass der Kaiser in eindringlichen Edikten die Landesherren auffordern musste, ihre Territorien durch regelmäßige Streifen von dem Gesindel zu säubern." [Frielingsdorf S. 97]



 
18. Jh.
"Der beraubte Postwagen".
gestochen von Frid. Brand (?)
nach einem Gemälde von Christ. Brand


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Postkutschenromantik

"Hoch auf dem gelben Wagen sitz ich beim Schwager vorn"... Derselbe Rudolf Baumbach (1840-1905), noch Zeitgenosse des Postkutschen-Zeitalters, der dieses bekannte fröhliche Lied geschrieben hat, widmete dem Reisen mit der Postkutsche noch ein anderes Gedicht, in dem es etwas derber zugeht.


Es melden Bücher und Sagen
So manches Wunderding
Von einem gelben Wagen,
Der durch die Länder ging.
Die Kutsche fuhr, man denke,
Des Tags drei Meilen weit
und hielt vor jeder Schenke.
0 gute, alte Zeit!

Es ward von den Passagieren
Zuvor das Haus bestellt.
Sie schieden von den Ihren,
Als ging's ans End der Welt.
Sie trugen die Louisdore
Vernäht in Stiefeln und Kleid,
Im Sack zwei Feuerrohre -
O gute, alte Zeit!

Oft, wenn die Reisegenossen
Sich sehnten nach Bett und Wirt,
Da brummte der Schwager verdrossen:
"Potz Blitz! Ich hab mich verirrt!"
Von fern her Wolfsgeheule,
Kein Obdach weit und breit;
Es schnaubten zitternd die Gäule -
O gute, alte Zeit!
 
Auch war es sehr ergötzlich,
Wenn mit gewaltigem Krach
In einem Hohlweg plötzlich
Der Wagen zusammenbrach.
War nur ein Rad gebrochen,
So herrschte Fröhlichkeit.
Mitunter brachen auch Knochen -
0 gute, alte Zeit!

Der Abenteuer Perle
War doch das Waldwirtshaus.
Es spannten verdächtige Kerle
Die müden Schimmel aus.
Ein Bett mit Federdecken
Stand für den Gast bereit,
Das zeigte blutige Flecken -
O gute, alte Zeit!

Und waren der Gäste hundert
Verschwunden im Waldwirtshaus,
Dann schickte der Rat verwundert
Berittene Häscher aus.
Die Leichen wurden gefunden,
Bestattet und geweiht
Der Wirt gerädert, geschunden
O gute, alte Zeit!

Wer sich davon nicht abschrecken lässt, der kann auch heute noch (2003) z.B. mit der Oberbergischen Postkutsche fahren, einen Nachbau der kaiserlichen Postkutsche von 1871. Sie verkehrt seit über 30 Jahren regelmäßig zwischen Nümbrecht und Wiehl. Aber die Postkutschenromantik ist auch anderenorts zum Leben erwacht: z.B. in Langenfeld.

Übrigens ist die Bezeichnung "Schwager" für den Postillion vermutlich eine Verballhornung des französischen "Chevalier".


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Postieren - Reisen per Postpferd

Die Thurn und Taxissche Post beförderte von Anfang an auch Personen, also nicht erst seit Einführung der Wagen und Kutschen. Sie tat dies, indem sie ihnen Postpferde zum Reiten zur Verfügung stellte. "Freilich mußte man auf jeder Station das Pferd wechseln, denn Postwagen gab es damals noch nicht. [...] Diese Art des Reisens nannte man 'postieren'." Für eine Reise mit der Post, d.h. für ein Pferd von einer Poststation zur anderen, war Anfang des 16. Jh. ein Goldgulden zu entrichten. [Korzendorfer S. 18 ff]

In der Zeit 1626-1646 leitete Gräfin Alexandrine, Witwe von Graf Leonhard II. von Taxis, das taxissche Postwesen. Bemerkenswert ist, dass sie - mitten im Dreißigjährigen Krieg - sogar "Kleinigkeiten" zur Chefsache machte:

"Sie war auch darauf bedacht, die Tierquälerei möglichst zu verhindern und verbot, daß die Postpferde mit Stecken angetrieben wurden; die Postillione durften nur Geißeln verwenden. Dabei gab sie auch den Postmeistern den Rat, die Reisenden daraufhin anzusehen, ob sie mit Pferden umgehen könnten, denn damals gab es noch keine Postwagen. Die Reisenden mußten also immer Postpferde benützen. Sie warnte ihre Postmeister vor allem vor sogenannten 'lateinischen Reitern': z.B. Geistlichen, Ärzten, also wie wir sagen würden, den Akademikern, welche nicht reiten könnten, auf die Pferde gar stark loszuhauen pflegten und sie so schnell laufen ließen, wie sie wollten."
[Korzendorfer S. 30]

Aber was sollte der Postmeister da tun?

Auch als die Postkutschen längst unterwegs waren, gab es Wegstrecken, die definitiv nicht befahrbar waren und wo Reisende in den Reitsattel steigen mussten, wenn sie nicht die eigenen Füße benutzen wollten. So hat es z.B. Johann Moritz Schwager erlebt, der 1802 von Mühlheim am Rhein ins Bergische Land reiste. Der Posthalter riet ihm dringend von der direkten Route über Solingen ab, da die Wege für die Postwagen viel zu schlecht seien. Also versuchte er es über Elberfeld. Aber auch von dort aus war mit dem Wagen kein Weiterkommen. Schwager berichtet:

"Ich nahm also zunächst ein Reitpferd (Postpferd) und einen Boten, ritt nach Kronenberg und überzeugte mich selbst, daß es unmöglich gewesen wäre, einen Wagen, der nicht spurte, durch diese Mordwege zu bringen, ohne in Stücke zu zerbrechen. In den Bergen fährt man (- bei schlechtem Wetter und auf schlechten Wegen -) nicht, Herren und Damen reiten, die Pferde sind an das Klettern gewöhnt." [Schwager]


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Ein Koeniglich Preußischer Postwagen von 1850 (Langenfeld / Rheinland)


Langenfelder Postwagen
 
"Sechssitziger Postwagen
in Berlinen-Form"
Bild-Quelle:
Fahrsportfreunde Langenfeld

Einen "echten" alten Postwagen der Königlich Preussischen Post von 1850, der seinerzeit auf der Strecke Düsseldorf-Langenfeld-Köln verkehrte, besitzt das Postmuseum Frankfurt am Main.

Der Langenfelder Postwagen ist nicht so alt: Er ist das originalgetreue Abbild eines solchen sechssitzigen Postwagens, einer sog. Berline. Die Langenfelder Kutschen- und Fahrsportfreunde e.V. haben ihn nach im Stadtarchiv noch vorhandenen Konstruktions-Zeichnungen und -beschreibungen von einer Kutschenmanufaktur in Polen nachbauen lassen.

Man wollte nicht nur ein Ausstellungs- und Museumsstück, sondern einen Wagen, der in Anspannung im Straßenverkehr gefahren werden kann. Deshalb musste in einigen wenigen Details von den alten Plänen abgewichen werden, um den Vorschriften des TÜV Genüge zu tun. Der Wagen wurde mit Scheibenbremsen ausgerüstet und die kleinen Eisenzähnchen hinten am Wagen, die früher ein Aufspringen blinder Passagiere verhindern sollten, wurden zwar nicht weggelassen, aber zur Entschärfung nach unten gebogen.

Der Postwagen kann seit Herbst 2002 in der gläsernen Remise hinter dem Langenfelder Freiherr vom Stein-Haus in Augenschein genommen werden - wenn er nicht gerade unterwegs ist. Zum Beispiel beim Langenfelder Kutschenkorso, den der Verein seit 1998 alle zwei Jahre veranstaltet.


Postkutsche  
Die Langenfelder Postkutsche nach einer gewittrigen Ausfahrt im Sommer 2004 ...

Kutschenkorso 2004
 
... und beim Kutschenkorso im September 2004.


Quellen:
  • Baumbach, zit. bei Lang
  • Frielingsdorf (1923)
  • Glaser / Werner (1990)
  • Korzendorfer (1936)
  • Lang (1971)
  • Plate (1971)
  • Schwager, Johann Moritz: Bemerkungen auf einer Reise durch Westfalen, an und über den Rhein (1804), zitiert bei Schubert (1928)
  • Strack (1937)

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